Gastbeitrag von Thomas Fatheuer
Peter Wahl (WEED) hat unter dem Titel „Wenn Du merkst, Du reitest ein totes Pferd, steig ab“ einen engagierten Einspruch gegen Rio+20 und die damit verbundene Reisetätigkeit erhoben. Nun reiten einige Unerschrocken (darunter eine beachtliche Gruppe der hbs) auf ihren toten Pferden doch nach Rio. Haben Sie gute Gründe?
Natürlich ist Rio de Janeiro, die cidade maravilhosa, immer eine Reise wert und der Rekordzahlen an Teilnehmenden mag mit der magischen Schönheit der Stadt zu tun habe. Aber das gilt wohl kaum als guter Grund. Jedenfalls wollte ich gar nicht zur Huldigung des Multilateralismus nach Rio kommen, so dass dessen von Peter Wahl attestiertes Ende, mich gar nicht so erschreckt. Aber es ist je was dran. Wenn der UN Prozess zu einem Hamsterrad verkommen und einfach gescheitert ist, wäre der Flug nach Rio wohl doch ein Fehler.
Auch wenn ich in Rio nicht eine Wiederauferstehung des Multilateralismus erwarte, so doch eine Debatte über dessen Zukunftsfähigkeit. Zumindest haben sich multilaterale Institutionen sehr bemüht, die Debatte über neue Paradigmen zu beeinflussen. So steht in Rio die kritische Bewertung des Konzepts der „grünen Ökonomie“ auf der Tagesordnung – und dies scheint nur allzu notwendig zu sein. Ich hoffe, dass der „Peoples Summit “ nachdenkliche und kritische Stimmen ebenso wie die Such nach Alternativen zur Entwicklung auf Kosten der Natur sichtbar macht. Ich hoffe auf einen Austausch über Versuche von Weltbank und UNEP neue Konzepte wie Naturkapital und Bezahlung für Ökosystemdienstleistungen hegemoniefähig zu machen. Wichtig wäre es, wenn Akteure aus den „entwickelten Länder“, die große Hoffnungen auf solche Konzepte setzen, kritische Stimmen aus dem Süden wahrnehmen.
Ich muss also gestehen, dass es mir nicht ganz so klar wie Peter Wahl ist, dass der Multilateralismus ein totes Pferd ist. Dass das Pferd nicht in einem guten Zustand ist, ok, insbesondere wenn man auf den Multilateralismus als großes Ganzes schaut. Betrachte ich aber konkrete Prozesse, schaut da ein ziemlich lebendiger Multilateralismus um die Ecke – leider nicht immer zum Guten. So ist es in wenigen Jahren einigen multilateralen Akteuren (insbes. Weltbank und UNEP) gelungen Milliardenbeträge für REDD+ zu mobilisieren und damit ein neues marktorientiertes Paradigma im globalen Umweltschutz zu etablieren. Da wünschte ich mir das Pferd schon etwas toter – oder besser noch in eine andere Richtung trabend.
Auf der anderen Seite kann ich aber auch die verstehen, die immer noch, wenn auch bescheidenste, Hoffnungen auf multilaterale Prozess setzen: Wenn in der CBD (Biodiversitätskonvention) durch Lobby von NGOs und sozialen Bewegungen ein Moratorium auf Terminator („GURTS“) Technologie vereinbart wurde – das ist doch etwas. Auch das Artenschutzabkommen (CITES) löst nicht alle Problem, aber ist durchaus viel mehr wert als das Papier auf dem es steht. Und auf wen sollen denn unsere Meerescommunity ihre Hoffnungen richten, Fortschritte der high sea protection zu erreichen?? Sind solche Beispiele zu mickerig für den Blick auf das große Ganze?
Nun gut, ich erhoffe mir in Rio viele Debatten und Informationen zu konkreten Prozessen und auch eine Auseinandersetzung um die Frage, die Peter Wahl so vermisst: „Warum wir es nicht auf die Reihe kriegen?“ Ich bin sogar so optimistisch, dass ich auch einige Anregungen erwarte, wie wir es besser auf die Reihe kriegen können.