Das muss man ihm hoch anrechnen: Er hat selber um diesen Dialog gebeten. Achim Steiner, Chef des UN Umweltprogramms, war zu Gast beim Gipfel der Völker, der Gegenveranstaltung zum offiziellen Rio+20-Gipfel. Es sollte ein Austausch und eine Debatte über das Konzept der Green Economy sein, wie sie UNEP vertritt und wie sie die Organisatorinnen und Organisationen des Gegengipfels massiv ablehnen.
Doch die Hoffnung auf einen wirklichen Dialog hätte man sich wahrscheinlich gleich abschminken können, als die Dramaturgie der knapp zweistündigen Veranstaltung klar wurde: sechs Vertreter (darunter Pat Mooney und Pablo Solon) und zwei Vertreterinnen des Gipfels der Völker äußern ihre Kritik in je 10 Minuten und Achim Steiner bekommt zweimal – einmal zur Halbzeit und einmal am Ende – die Gelegenheit zu reagieren.
Die Bedenken, Kritikpunkte und Sorgen der Gastgeberinnen und Gastgeber der Veranstaltung wurden dann auch ziemlich schnell, ziemlich engagiert und auch ziemlich überzeugend vorgetragen. Dabei geht es vor allem darum, dass die Green Economy auf Einhegung der Commons, Privatisierung von Natur und ihre Inwertsetzung zwecks Finanzialisierung setze. Außerdem bringen sich vor allem die großen Konzerne in Stellung, die Biomassereserven, Saatgut und Gene kontrollieren wollen, die die Grüne Ökonomie braucht. Zur Lektüre und Vertriefung dieser Kritik empfehle ich „Kritik der Grünen Ökonomie„, „Was uns die Natur wert ist“ und „Biomassters Battle to Control the Green Economy„.
In der ersten Halbzeit hat sich Achim Steiner auch wacker geschlagen, hat versucht, auf die konkreten Kritikpunkte einzugehen und die Gemeinsamkeiten des UNEP Anliegens und der Kritikerinnen und Kritiker herauszustellen. Dabei hat er sich jedoch eine Schwäche gegeben, die ihm dann in der zweiten Halbzeit zum Verhängnis wurde. Sein Argument: Die Grüne Ökonomie an sich sagt nichts über die Verfasstheit unseres Wirtschaftssystems. Wenn wir der Natur ein Preisschild anhängen, heiße das ja noch lange nicht, dass wir sie zu einem handelbaren Gut machen.
Die Replik darauf kam prompt: Es sei naiv und leichtsinnig, gerade eine Dreistigkeit zu behaupten, dass ein ganz anderes Wirtschaften im Rahmen des jetzigen Wachstumsparadigmas möglich sei. Und warum sollen wir denjenigen, die die Finanzkrise zu verantworten haben, zutrauen, uns aus der Umweltkrise zu ziehen? Mit den gleichen Instrumenten, die die Krise erst verursacht haben? Aktuelle Machtkonstellationen auf Unternehmensseite verhindern ein wirkliches Umsteuern. So beispielsweise argumentiert Pat Mooney von der etc group.
Soweit so gut. Jedoch hat Pablo Solon (Ex-Botschafter Boliviens und in Klimakreisen wohlbekannt, aktuell nun bei Focus on the Global South) die Kritik derart persönlich an Achim Steiner gerichtet, sich dabei die Seele aus dem Leib gebrüllt und auf den Tisch eingedroschen, der ihn vom UNEP-Chef trennte, dass die Stimmung deutlich kippte.
Nun mag man meinen, dass sei eine Mischung aus Pablo Solons Persönlichkeit und lateinamerikanischer-brasilianischer Debattenkultur. Außerde müsse das ein Achim Steiner doch erstens erwarten und zweitens über sich ergehen lassen, wenn er sich denn in die „Höhle des Löwen“ traut und dort dann das gesamte „System“ (das er übrigens an so vielen Orten selbst kritisiert) repräsentiert.
Ich meine jedoch dass Fairness und Respekt die Grundlage jeglichen Dialogs sind. Das gilt auch für die schlimmsten politischen Gegner. Aber die – und das will ich hier nochmal betonen – saßen ja, anders als Achim Steiner – gar nicht im Zelt des Gipfels der Völker, sondern im Rio Centro. Das fadenscheinige Dialogangebot der brasilianischen Regierung haben die Organisatorinnen und Organisatoren des Gipfels der Völker abgelehnt, weil es eben kein echter Dialog war und sie sich kein echtes Zuhören von ihrer Regierung erwarten. Doch bei einem Dialogangebot wie dem von Achim Steiner können sie sich noch nicht einmal auf eine kleine Anzahl von Personen einigen, die das Gesamtspektrum der Organisationen vertritt (daher die Größe des Panels).
Acht gegen ein und ein aufgebrachtes Publikum, das seinen „Feind“ zum Abschied lauthals ausbuht, sind für mich keine Zutaten für Fair Play. Wenn ich Achim Steiner wäre, würde ich mir beim nächsten Mal nochmal genau überlegen, ob ich mich auf einen solchen „Dialog“ einlasse. Schade eigentlich.