US-Wahl: Energiewende amerikanisch (Teil 1)

Mitt Romney und Barack Obama

In der Klimapolitik ist die Bilanz von Präsident Barack Obama enttäuschend – doch nur auf den ersten Blick. Tatsächlich ist der Ausstoß von Treibhausgasen landesweit deutlich gesunken. Und beim Ausbau der Erneuerbaren überflügeln manche Bundesstaaten inzwischen sogar das Energiewende-Land Deutschland. Teil 1 unserer vierteiligen Analyse-Serie zur US-Wahl am kommenden Dienstag.

Von Arne Jungjohann und Rebecca Bertram

Beim Klimaschutz hat Barack Obama in den vergangenen vier Jahren die Erwartungen nicht erfüllt. Doch die Umweltbewegung lastet dies zu Recht nicht dem demokratischen Präsidenten an, sondern den Republikanern mit ihrer Blockadepolitik. Vor allem ist der große Wurf einer nationalen Klimapolitik ausgeblieben. Ein umfassender Gesetzentwurf wurde im Sommer 2009 nach kontroverser Debatte im Abgeordnetenhaus verabschiedet. Er hätte verbindliche Klimaziele verankert, Ausbauziele für erneuerbare Energien festgeschrieben und der Wirtschaft endlich Planungssicherheit gegeben. Doch der Gesetzentwurf ist im Nachgang zur Ölkatastrophe um die „Deepwater Horizon“ im Senat verhungert.

Die Republikaner tragen tatsächlich die Hauptschuld am Scheitern des Gesetzes. Sie spielen den Klimawandel als Lappalie herunter und verfolgen eine knallharte Klientelpolitik für die Lobby der fossilen Energien. Seit Obamas Amtsantritt boykottieren sie nahezu jeden Politikvorschlag und verweigern sich einer parteiübergreifenden Kooperation, auf die aber die Regeln des politischen Systems der USA ausgelegt sind.

Mitt Romney wird bei einem Wahlkampfauftritt von Zwischenrufen unterbrochen, sein Schweigen zum Klimawandel zu beenden:

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Trotzdem kann Obama etliche Punkte auf der Habenseite verbuchen. Mit dem Konjunkturpaket wurden Investitionen von rund 80 Milliarden Dollar in „grüne“ Projekte wie Energieeffizienz, die erneuerbaren Energien und den Ausbau der Stromnetze gelenkt. Mit strengeren Effizienzvorgaben für Pkw und erstmals auch für Lkw setzt die Administration Anreize für den Kauf sparsamerer Fahrzeuge. 2020 sollen neue Pkw im Schnitt nur noch 113 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Zum Vergleich: In der EU sollen es dann 95 Gramm je Kilometer sein.

Die wichtigste Errungenschaft sind die Abgasstandards für Industrieanlagen und Kraftwerke. Trotz des geballten Widerstands der Industrie und der Republikaner schreibt die nationale Umweltagentur EPA erstmals CO2-Grenzwerte vor, die den Neubau von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung unterbinden. Schärfere Grenzwerte für Quecksilber, Stickoxide und andere klassische Luftschadstoffe sorgen dafür, dass alte Kohlekraftwerke nachgerüstet oder in den Ruhestand geschickt werden.

Die meisten Bundesstaaten haben eigene Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren

Trotz des fehlenden Klimagesetzes sinkt der landesweite Ausstoß von Treibhausgasen. Eine aktuelle Studie des Thinktanks „Resources for the Future“ (RFF) prognostiziert, dass die USA selbst ohne weitere politische Maßnahmen ihre Emissionen bis 2020 um mehr als 16 Prozent gegenüber 2005 verringern. Damit käme das Land sehr nah an die von Obama auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen zugesagten 17 Prozent heran. Der Rückgang wird vor allem auf die neuen Standards für Kraftwerke und Autos zurückgeführt. Daneben spielen auch der Ausbau der erneuerbaren Energien, das billige Erdgas und die Wirtschaftskrise eine Rolle.

Wer wirkliche klimapolitische Fortschritte in den USA finden will, muss aber über den Washingtoner Tellerrand hinausblicken. Die Vorreiterrolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien nehmen die Bundesstaaten ein. Seit 2008 ist der Erneuerbaren-Anteil im Stromsektor von zehn auf 13 Prozent gestiegen. Inzwischen haben sich drei Dutzend Bundesstaaten eigene Ziele für den Ausbau von Windkraft, Photovoltaik, Geothermie und Biomasse gesetzt. Kalifornien und Colorado beispielsweise wollen bis 2020 rund ein Drittel ihres Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Iowa im Mittleren Westen produziert derzeit schon rund 20 Prozent seines Stroms aus Windkraft.

Im vergangenen Jahr wurden in den Vereinigten Staaten 51 Milliarden US-Dollar (knapp 40 Milliarden Euro) in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert. Damit lagen die USA vor Deutschland und nur knapp hinter Spitzenreiter China. Anfang 2013 startet Kalifornien mit einem regionalen Emissionshandel. Er umfasst Kraftwerke, Raffinerien und andere Industrieanlagen und setzt – anders als der EU-Emissionshandel – einen Grundpreis von 10 Dollar (knapp acht Euro) pro Tonne Kohlendioxid fest.

Foto oben von Neon Tommy unter CC BY-SA 2.0.

Dieser Artikel erschien zuerst auf den Klimarettern. Er ist der erste von vier Teilen, die zur US-Wahl am 6. November veroeffentlicht werden.

-> US-Wahl: Die USA im Öl- und Gasrausch (Teil 2)

-> US-Wahl: Es geht nicht nur um Obama (Teil 3)


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