Ausblick: Egal wer die Präsidentschaftswahl für sich entscheidet, eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik ist von den USA in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Europa muss zum ökologischen Vorreiter werden – und zeigen, dass man damit erfolgreich sein kann.
Von Arne Jungjohann und Rebecca Bertram
Wie wird es mit der US-Politik nach der Wahl weitergehen? Den letzten Prognosen zufolge wird auch nach dem heutigen Wahltag keine der beiden Parteien eine klare Mehrheit im Kongress haben. Zudem scheiden auf beiden Seiten moderate Politiker, die zwischen den Lagern vermitteln könnten, aus. Die ideologischen Gräben werden damit noch tiefer. Die aggressiv auftretende Tea-Party-Bewegung der letzten Jahre ist zwar weniger sichtbar, doch ihre Fraktion wird gestärkt aus den Wahlen hervorgehen und die Republikaner im Kongress auf dem strammen Kurs der niedrigen Steuern und des Kahlschlags von Sozialprogrammen halten. Das politische Patt zwischen Demokraten und Republikanern führt dazu, dass große Gesetzgebungsverfahren nicht realisiert werden können. Ein neuer Vorstoß für ein umfassendes Klima- und Energiepaket ist also in den nächsten Jahren nicht zu erwarten.
Allenfalls könnte der zum Jahresende anstehende Showdown zur Bewältigung der Staatsschulden dazu führen, dass umweltschädliche Subventionen auf die Streichliste rücken. Der Einführung einer CO2-Steuer, an der eine ungewöhnliche Koalition quer durchs politische Spektrum arbeitet, werden dagegen nur minimale Chancen eingeräumt.
Angesichts der zu erwartenden Blockade im Kongress können bundespolitische Impulse für mehr Klimaschutz nur vom Präsidenten und der Regierung ausgehen. Neue Konjunkturprogramme sind wegen der klammen Haushaltslage nicht wahrscheinlich. Falls Barack Obama für eine zweite Amtszeit gewählt wird, dürfte er die Regulierung über die Umweltagentur EPA fortsetzen und in der Forschung mehr Akzente auf erneuerbare Energien und Effizienz setzen. Ein Präsident Romney dürfte die Rolle der Umweltagentur hingegen zurückdrängen und die für die Zukunft beschlossenen schärferen Abgasstandards für Autos und Kraftwerke aufweichen oder gar aufschieben. Die erneuerbaren Energien hätten wenig Aussicht auf Unterstützung. Im Gegenzug dürften etliche Manager aus der Industrie und den Energiekonzernen in Top-Positionen der Regierung und den Bundesbehörden aufrücken und dort daran wirken, dass Umweltstandards zurückgedrängt werden.
Europa muss sich darauf gefasst machen, dass sich die energie- und klimapolitischen Differenzen mit den USA verschärfen. Denn die Energiemodelle beider Kontinente driften auseinander. Die EU forciert den Umbau hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, die auf erneuerbare Energien und Effizienztechnologien setzt. In den USA hingegen wird die Geschichte der billigen fossilen Energie fortgeschrieben, die ihre wahren Kosten versteckt oder auf kommende Generationen abwälzt. Diese Differenz wird zu transatlantischen Konflikten in Handelsfragen führen, wie schon beim Emissionshandel im Luftverkehr oder der EU-Richtlinie zur Kraftstoffqualität, die klimaschädliche Teersande aus Nordamerika abstrafen würde. Die US-Industrie weiß, dass die Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutzstandards der Europäer Vorbildfunktion für andere Märkte weltweit haben. Die EU muss sich deshalb auf wachsenden Druck aus den USA einstellen, europäische Klima- und Umweltstandards abzuschwächen.
Für Europa ist das eine Chance. Aus Sicht der USA gilt die EU – anders als in außen- und sicherheitspolitischen Fragen – in der Industrie- und Handelspolitik als Schwergewicht. Diesen Trumpf sollte die EU ausspielen, um ihre klimapolitischen Interessen durchzusetzen. Zudem kann sie zeigen, dass eine Politik der ökologischen Modernisierung auch kurz- wie langfristig wirtschaftlich erfolgreich ist. Gelingt dies, stärkt es die Kräfte in den USA, die ihrerseits für eine Wende hin zu Effizienz und erneuerbaren Energien streiten. Europa wird damit zum Modell einer zukunftsfähigen, sauberen und leistungsstarken Energieversorgung, die Ausstrahlungskraft auf Länder in anderen Regionen der Welt ausübt.
Foto von langerdan unter CC BY-ND 2.0.
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