Gibt es eine deutsche Klimablogosphäre?

Ein Gastbeitrag von David Pachali

Die Klimakonferenz in Warschau ist vorbei, die Schlagzeilen der großen Nachrichtensites füllen sich wieder mit anderen Themen. Was wird aus der Öffentlichkeit für Klimathemen abseits der Großereignisse? Während die „general interest”-Medien das Thema naturgemäß nur punktuell behandeln und dabei ihren eigenen Gesetzen folgen, bieten Blogs andere Voraussetzungen: Abseits der Themenkonjunkturen können sie sich kontinuierlich einem Thema widmen.

Welche Blogs gibt es, wer betreibt sie? Nähert man sich der Umwelt-Blogosphäre im weitesten Sinn, fällt als erstes auf: Das Gros der Blogs darin beschäftigt sich mit klassischen Lohas-Themen: „nachhaltigem“ Konsum, Mode, Ernährung & Co. Auch im Energie-Bereich ist eine ganze Armada an Blogs unterwegs, von denen viele eher in den Werbebereich fallen. Auch die üblichen Linkdeponien von Suchmaschinenoptimierern und Online-Marketern fehlen hier nicht.

Blogs vor allem von Klimaforschern betrieben

Aber wer weiter sucht, findet auch hier einige interessante Inseln. Zugleich wird es beim Klima-Thema relativ übersichtlich: Die kleine Riege der Klima-Blogs wird fast durchgängig von Forschern angeführt, die als Wissenschaftler an renommierten Institutionen zum Thema arbeiten. (Anders sieht es in der Welt der Klimaskeptiker aus, die sich im Web ebenfalls viele Spielwiesen geschaffen haben, aber hier außen vor bleiben sollen). Zu den wissenschaftlich orientierten, mal mehr, mal weniger im Expertenton gehaltenen Blogs zählen etwa:

  • Die von den Klimaforschern Stefan Rahmstorf und Andreas Levermann vom Potsdam-Institut und dem Leibniz-Meeresforscher Martin Visbeck geführte Klimalounge.
  • Das Umweltforsch-Blog auf der Scilogs-Plattform. Der Klimaökonom Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, weitere UFZ-Forscher und Gastautor/innen nehmen hier vor allem wirtschaftliche Aspekte und internationale Klimapolitik in den Blick – oder betrachten etwa die Klimaverhandlungen auch einmal spieltheoretisch.
  • Die Klimazwiebel, die von den Helmholtz-Meeresforscher/innen Hans von Storch, Birgit Hünicke, Werner Krauss und weiteren Autoren geführt wird. Besonders Vermischungen von Forschung und Politik werden hier kritisch betrachtet; die Autor/innen suchen die Debatte mit allen Lagern.
  • Die Beiträge von Klimaforschern der ETH Zürich wie Reto Knutti oder Anthony Patt im Zukunftsblog der Hochschule. Das thematisch breiter aufgestellte Blog hat im Oktober das ETH-Klimablog abgelöst.
  • Primaklima bei den Scienceblogs: Auch Autor Georg Hoffmann kommt aus der Forschung, das Blog hat aber einen eher pointierteren Tonfall, nimmt Vorträge auseinander oder widmet sich dem „Umweltbundesamtsbroschürenentrüstungszug”.
  • Auch das von Jürgen und Klaus Ragaller geführte Klimablog, letzterer ehemals Direktor bei ABB und bei der Schweizer Akademie der Technischen Wissenschaften tätig, nimmt vor allem Neues aus den Klimawissenschaften in den Blick.

Auffällig: Mit wenigen Ausnahmen werden diese Klimablogs von Naturwissenschaftlern geführt – für neue Blogs, die sich mit stärker mit kulturellen und gesellschaftspolitischen Fragen zum Klimawandel beschäftigen, wäre noch Platz im Netz. Bis 2o11 widmete sich „Climate Worlds” vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen und dem Goethe-Institut dem Thema, mittlerweile ist es jedoch aus dem Netz verschwunden. Jetzt gibt es noch das von einer Vielzahl von Autorinnen und Autoren gefüllte Goethe-Blog „Kultur und Klimawandel”. Insgesamt scheinen die Klimablogs auch überwiegend von Männern geschrieben zu werden, bei den Mehrautor/innen-Plattformen dagegen ist das Verhältnis etwas ausgewogener. Vielleicht habe ich aber auch Blogs übersehen.

Klimapolitik und NGOs

Mehr los ist da schon in der Kimapolitik: Der Biologe Michael Schwarz bloggt bei „Michael’s Climate” und dröselt Lobbyverflechtungen auf. Auch beim Infoportal klimaretter.info gibt es mehrere bemerkenswerte Blogs: Peter Hartmann beleuchtet als Captain Pithart die Skeptikerszene; der Klima-Lügendetektor dient als beharrlicher Watchdog für Medienberichte und Grünfärberei.

Auch NGOs und Aktivist/innen nutzen natürlich Blogs – häufig dienen sie allerdings eher als Abwurfstelle für Aufrufe und Presseerklärungen, so etwa oftmals bei bewegung.taz.de. Wie es auch geht, zeigt zum Beispiel Umweltgerechtigkeit. Ursprünglich von WEED, jetzt vom Verein Powershift betrieben, gewinnt das Blog zwar keinen Schönheitspreis, bietet aber neben Einblicken in die Arbeit der NGO auch Argumentationen zum Thema.

Interessanter als Appelle und andere Verlautbarungen von NGOs sind manchmal Blogs von deren Mitarbeiter/innen: Dirk Seifert etwa, Energiereferent bei Robin Wood, veröffentlicht nebenbei auf „umweltFAIRaendern” nahezu täglich Neues und Einschätzungen zur Energie-, Atom und Klimapolitik. Hanno Groth, Webcampaginer bei Greenpeace, schreibt privat bei gradmesser.net über Wissen, Handeln und „Peak Oil, Peak Phosphat, Peak Everything!?” – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Angebot heißt noch nicht Öffentlichkeit

Daneben widmen sich auch thematisch breitere Blogs dem Thema: Fairplay Global sammelt Links auf Medien- und TV-Beiträge über globale Themen; so verpasst man keine Arte-Doku. Auf Grüne Geschäfte bei Zeit Online begleiten die Wirtschaftsjournalistin Marlies Uken und andere Autor/innen die Transformation der Wirtschaft mit Blick auf Ressourcen und Klima.

Alles in allem: Zu lesen gibt es viel – Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit herzustellen, gelingt den Blogs abseits der Großereignisse aber bis jetzt nur in Ausnahmefällen. Immerhin: Immer wieder mal schwappt ein Thema in andere Medien über.

Jeder Weg durchs Netz ist unvollständig. Was hier fehlt, aber wichtig ist, kann gerne in den Kommentaren ergänzt werden.


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