von Dorothee Landgrebe
Bei der aktuellen EEG-Reform fällt vor allem auf, dass das zentrale Motiv der Energiewende nicht mehr im Fokus ist: Der Klimaschutz. Die Kostenkampagnen der letzten Jahre haben verfangen. Die Energiewende wird nur noch als Kostenbelastung thematisiert, aber nicht mehr an ihren ursprünglichen Motiven gemessen – die Großrisiken Atom und Klimawandel einzudämmen. Damit ist Gabriel übrigens nicht mehr allein. Bei einem Workshop am Wochenende über die „Grüne Erzählung der Energiewende“ wurde deutlich, dass viele Bürger/innen die Energiewende nicht mehr mit dem Klimaschutz in Verbindung bringen.
Dieser kommunikativen Verschiebung folgt nun auch die Legislative: Gabriel ging es vorrangig darum, „die ausufernden Kosten“ einzudämmen und der Industrie die Privilegien zu erhalten. Das merkt man dem Gesetzesentwurf an:
Gabriel deckelt den Ausbau der Erneuerbaren Energien, um Kosten zu sparen: Bis 2025 soll der Anteil am Verbrauch auf 40 bis 45 Prozent steigen, bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent. Werden die jährlich festgelegten Zubauraten überschritten, greifen Extra-Förderkürzungen.
Aus meiner Sicht macht es Sinn, dass man den Zubau von besonders teuren oder ökologisch bedenklichen erneuerbaren Energien steuert. So wurde der Bau von Biogas-Anlagen drastisch auf 100 Megawatt begrenzt, da diese nicht nur teuer sind und die Vermaisung der Landschaft fördern, sondern die Flächen für Ernährung und andere Dekarbonisierungsstrategien dringend gebraucht werden. Neue Anlagen sollen vor allem mit Abfall- und Reststoffen betrieben werden und so genutzt werden, dass ihr Vorteil zum Tragen kommt. Da die Anlagen anders als Sonne und Wind berechenbar Energie liefern, soll die Produktion stärker auf den aktuellen Bedarf ausgerichtet werden.
Auch die Begrenzung der besonders teuren Offshore-Windenergie erscheint mir sinnvoll, solange die Technologieentwicklung nicht abgewürgt wird.
Aber die „Billigmacher“ der Energiewende – Sonne und Onshore-Wind – nicht wachsen zu lassen, erscheint mir widersinnig. Heute schon sind Windkraft an Land und Solarenergie günstiger als Strom aus neuen Kohle- und Gaskraftwerken. Dadurch werden kaum Kosten gespart und der Klimaschutz kommt unter die Räder:
Der Zubau von Ökostrom wird gegenüber dem Trend mehr als halbiert. Schwarz-Rot unterbietet selbst die wenig ambitionierten Ziele der inzwischen abgewählten schwarz-gelben Regierung noch deutlich. Bis 2020 soll es nur 10 Prozent mehr Ökostrom geben als heute. Damit wäre gerade mal der wegfallende Atomstrom ersetzt. Die Graphik aus der neuen hbs Publikation „Energiewende 2.0 – aus der Nische in den Mainstream“ von Gerd Rosenkranz zeigt es deutlich:
Der gegenwärtige Ausbaukorridor bedeutet faktisch eine Bestandsgarantie für klimaschädliche Kohlekraftwerke. Zwar hat wenigstens die Windenergie an Land dank des Engagements der grün-mitregierten Bundesländer noch eine gewisse Perspektive. Dennoch wird in den kommenden Jahren gerade einmal der wegfallende Atomstrom durch Erneuerbare ersetzt werden.
Umlagebefreiung für Kohlestrom
Kohlestrom bleibt nicht nur am Netz, sondern wird sogar von der EEG-Umlage befreit, wenn es sich um schon bestehende fossile Kraftwerken handelt, die die Industrie mit eigenem Strom versorgt. Das können beispielsweise Kohlekraftwerke inklusive den dazu gehörenden Braunkohletagebauen sein. Dieser schon bestehende Eigenverbrauch der Industrie soll nämlich in Zukunft von der Ökostrom-Umlage komplett befreit bleibt (ca. ein Viertel des Industriestroms) – das Ergebnis eines Sturms der Lobbyisten der letzten Wochen.
Neue Anlagen werden in Zukunft wie folgt an der Umlage beteiligt: Handel und Gewerbe werden mit 50 Prozent und die übrigen Industrie mit maximal 15 Prozent der Umlage belastet. Für kleine Anlagen wird dabei eine Bagatellgrenze eingeführt. Das kann zu der absurden Situation führen, dass von einem Supermarkt verbrauchter Strom aus Photovoltaik stärker von der Umlage belastet wird als ein selbst genutztes Kohlekraftwerk der Industrie. An dieser Regel erkennt man erneut, das Gabriel das neue EEG an industriepolitischen Gründen ausgerichtet hat und nicht an den eigentlichen Motiven des Gesetzes: dem Klimaschutz.
Die Einbeziehung von Eigenstrom in die EEG-Umlage muss sich klar nach Klimaschutzaspekten richten. Das heisst, der Eigenstrom aus konventionellen fossilen Kraftwerken muss angemessen an der EEG-Umlage beteiligt werden. Während klimafreundliche EE- und Kraft -Wärme Kopplungsanlagen solange von der EEG-Umlage befreit bleiben sollten, wie sie ansonsten nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Greenpeace hat zu Recht eine Klage gegen diese Regeln angekündigt. Außer Lobbyismus fällt mir kein Grund für diese Ungleichbehandlung ein.
Keine Ambitionen, Kohle teuer zu machen
Last but not least: Innerhalb des EEG kann das eigentlichen Problem der Energiewende nicht angegangen werden: Kohlestrom ist an der Strombörse so billig, dass er nicht nur klimafreundliche Gaskraftwerke aus dem Markt drängt, sondern es sich auch lohnt, diese durchgängig laufen zu lassen. Die Folge: Steigende CO2-Emissionen im Stromsektor trotz Energiewende. Rosenkranz hat dieses „Energiewende Paradox“ in seiner Publikation sehr gut beschrieben. Die naheliegende Lösung – eine ambitionierte Reform des Emissionshandels – ist angesichts des fehlenden politischen Willens der Bundesregierung sowie der meisten Mitgliedsstaaten nicht in Sicht.
„Die Zeit“ fragte jüngst den Staatssekretär Baake nach einem Plan B , wenn der Emissionshandel als Stütze der Energiewende ausfällt. „Einen Plan B? Den sehe ich nicht. Wer die CO₂-Emissionen aus den Kohlekraftwerken reduzieren will, muss den Emissionshandel reformieren.“ Kein Signal, sich auf alternative Regelungsideen einzulassen: CO2 Steuer, CO2 Mindestpreise für Zertifikate oder Mindestwirkungsrade für Kraftwerke – Ideen gibt es genug.
Ich halte diese Entwicklungen nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch politisch für fatal. Wenn die CO2-Emissionen in Zukunft trotz Milliarden für die Energiewende steigen, wird die Akzeptanz der Bevölkerung schwinden, dieses Großprojekt zu finanzieren. Wer das Klima nicht im Blick hat, verliert.