Als kurz nach der Jahrtausendwende die Preise an den Rohstoffmärkten anstiegen, klingelten bei der deutschen Industrie die Alarmglocken. Sie sah den Produktionsstandort Deutschland gefährdet. Die Bundesregierung reagierte und präsentierte im Herbst 2010 die deutsche Rohstoffstrategie. Der Industrie wurden darin große Zugeständnisse gemacht. Eine Debatte über die Inhalte und Zielsetzung der deutschen Rohstoffstrategie fand weder im Bundestag noch in der Öffentlichkeit statt.
An diesem Donnerstag veranstaltet der BDI nun seinen 4. großen Rohstoffkongress. Die letzten Kongresse markieren Meilensteigen deutscher Rohstoffpolitik – und vor allem Meilensteine für den Einfluss der deutschen Industrie auf die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen. Unter anderem wurden hier 2007 die ersten Meilensteine der deutschen Rohstoffstrategie verkündet. Aus Angst, die Kontrolle strategischer Rohstoffe an die Chinesen zu verlieren, wurden Rohstoffpartnerschaften ins Leben gerufen (unterzeichnet mit der Mongolei, Kasachstan und Chile, demnächst auch mit Peru), ein Explorationsförderprogramm aufgelegt und die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gegründet, um den Unternehmen die notwendigen Daten über die Verfügbarkeit von Reserven und über die Preise an den Rohstoffmärkten zu liefern.
Aktuell ist es an den Rohstoffbörsen etwas ruhiger und die Konzerne haben Zeit, sich um die „softeren Themen“ – also Nachhaltigkeit und Menschenrechte – zu kümmern. Denn die stehen in diesem Jahr auf dem Programm, das von Sigmar Gabriel eröffnet wird. Im Zentrum stehen dabei aus Sicht des BDI zum einen die Gewinnung heimischer Rohstoffe – also unter anderem Braunkohle und Schiefergas – sowie Effizienz und Recycling. Zum anderen geht es um verantwortliche Rohstoffsicherung – also angesichts der aktuellen politischen Debatten der letzten Monate auch ganz zentral um die geplante EU Regulierung des Handels mit Konfliktrohstoffen.
NICHT auf der Agenda stehen die notwendige absolute Senkung des Rohstoffverbrauchs im Rahmen einer Rohstoffwende (weg von der Förderung und Nutzung fossiler Energien) sowie eine verbindliche Regulierung von Konzernen hinsichtlich menschenrechtlicher und umweltrechtlicher Sorgfaltspflichten.
Wie eine gerechtere und nachhaltigere deutsche Rohstoffpolitik aussehen könnte, formuliert der AK Rohstoffe (ein Zusammenschluss aus entwicklungs- und umweltpolitischen NGOs und Vereinen, für den ich auch selber im Koordinierungskreis sitze) in seinem Positionspapier:
1. In Deutschland müssen wir den Rohstoffverbrauch auf ein global gerechtes und ökologisch verträgliches Niveau senken. Diese absolute Reduktion kann nicht allein durch eine erhöhte Rohstoffeffizienz erreicht werden.
2. Alle Unternehmen, die Rohstoffe selbst abbauen, nutzen oder den Abbau finanzieren, müssen verbindlich zu gebührender menschenrechtlicher Sorgfalt verpflichtet werden. Zudem muss die Bundesregierung effektive Entschädigungsmöglichkeiten für Betroffene einführen und die Instrumente der Rohstoffstrategie auf ihre menschenrechtlichen Auswirkungen überprüfen.
3. Die Rohstoffpolitik muß demokratisiert werden. Demokratische Spielräume in Deutschland und in den rohstoffreichen Ländern müssen zurückgewonnen werden und Konzerne dürfen keine Vorzugsbehandlung bekommen.