Der UNO Klimasondergipfel im Spagat zwischen Anspruch und Realität

Von Liane Schalatek, Heinrich-Böll-Stiftung Nordamerika

US-Präsident Barack Obama kommt für den kurzen Städtehopp aus Washington. Ebenfalls anreisen wird der Schauspieler Leonardo di Caprio als prominenter neuer UN-Sonderbotschafter für Frieden mit Fokus Klimawandel (die Assoziation der sinkenden Titanic ist nicht unpassend). Aber die Staats- und Regierungschefs und –chefinnen von China, Russland, Indien, Australien, Kanada und leider auch Deutschlandwerden am 23. September nicht dabei sein, wenn UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon zum außerordentlichen Klimagipfel in sein Hauptquartier ruft. ‚Zu viel zu Hause zu tun‘, wird da aus den jeweiligen Hauptstädten mal mehr, mal weniger verschämt gemunkelt. ‚Zu wenig anzubieten an politischem Willen, die internationalen Klimaverhandlungen mit mutigen Schritten im eigenen Land voranzutreiben und international Führung und Verantwortung zu übernehmen‘, könnte der Wahrheit wohl näher kommen.

Zwar ist der Klimagipfel, zu dem dennoch mehr als 120 Staats- und Regierungschefs bzw. -chefinnen erwartet werden, kein Verhandlungsforum. Allerdings hatte der UNO-Generalsekretär, als er den Sondergipfel vor mehr als einem Jahr ankündigte, doch gehofft, dass das Treffen in einer Art Leistungsschau der Nationen entscheidende Akzente und hochgesteckte Emissionsreduktionsziele auf dem Weg zu einer neuen Weltklimaordnung nach 2020 setzen wird. Diese muss bis 2015 im Detail ausgehandelt werden, wobei das tragfähige Gerüst einer neuen globalen Klimavereinbarung von der Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Lima, Peru, in nur zehn kurzen Wochen bis Mitte Dezember fertiggestellt werden soll.

Das eintägige Gipfelprogrammin New York sieht daher als Schwerpunkt auch für den gesamten Vormittag über fast vier Stunden die Verkündigung von „nationalen Aktionen und Ambitionen“ im Klimaschutz in drei Parallel-Plenarräumen vor. Der Ehrgeiz dieser Litanei – und die aggregierte Wirkung zur Adressierung der existierenden gigatonnengroßen Lücke bei den Reduktionsverpflichtungen, um die globale Erderwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen – wird wohl geringer als erhofft ausfallen, wenn die Regierungsspitzen einiger der größten Verschmutzerstaaten (Platzierungen 1, 3, 4, 5, 7 und 13 im Länderranking der CO2-Emittenten) ihren Gipfelauftritt absagen.

Auch die dringend erwarteten neuen Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung werden sich am 23. September wohl nicht materialisieren – jedenfalls nicht in der erwarteten Größenordnung. Klimafinanzierung nimmt – zu Recht – ein ordentliches Quantum Zeit im New Yorker Klimagipfel ein. In einer eineinhalbstündigen Plenarsitzung am Gipfelnachmittag sollen multilaterale und Multistakeholder-Zusagen verkündet werden, u.a. zum Thema Waldschutz und zum Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel.

Großzügige Finanzzusagen vor und in Lima gelten vielen Verhandlungsbeobachter/innen als Schlüssel, um den Gordischen Knoten in den Klimaverhandlungen für den neuen globalen Klimavertrag mit Gültigkeit ab 2020 doch noch lösen zu können. Die konkreten Finanzversprechen der Staatengemeinschaft für den Klimaschutz von Kopenhagen und Cancun sind mehrere Jahre alt und leider weitestgehend unerfüllt – obwohl sie als politische Vereinbarungen ohnehin weit unterhalb den tatsächlichen Finanzierungsbedürfnissen liegen. Nach einer Anstoßfinanzierung von rund US$ 30 Milliardenöffentlicher Gelder von Industrienationen über drei Jahre bis Ende 2012, die mit Ach und Krach (sprich mit Hilfe der Umetikettierung traditioneller Entwicklungshilfe) erreicht wurde, ist auch fünf Jahre nach dem Versprechen von Kopenhagen unklar, wie die dort zugesagten US$ 100 Milliarden pro Jahr ab 2020 erreicht werden sollen. Die internationale Staatengemeinschaft hat bislang weder eine klare Definition dessen, was als „Klimafinanzierung“ deklariert werden kann, noch eine Vereinbarung darüber, wie viele der US$ 100 Milliarden aus öffentlichen Steuereinnahmen kommen muss, oder wieviel aus dem Privatsektor oder alternativen Finanzierungsquellen wie internationalen Abgaben auf Finanztransfers, Luft- oder Schifffahrtsverkehr zugesteuert werden kann. Auch ein Stufenplan, wie die suzessive Aufstockung der Finanzmittel in den nur sechs verbleibenden Jahren bis 2020 erreicht werden kann, fehlt bislang.

Und dann ist da noch der neue Grüne Klimafonds (Green Climate Fund, GCF): Ordentliche Finanzversprechen für den GCF von den in New York anwesenden Regierungen aus den Industrieländern waren in der Planung des Gipfels vor über einem Jahr eigentlich als ein Höhepunkt des Tages vorgesehen. Der GCF gilt als wichtigstes multilaterales Finanzierungsinstrument unter der Klimarahmenkonvention für die internationalen Klimafinanzierungszusagen von Kopenhagen und Cancun, besonders im Bereich Anpassung. Der GCF ist außerdem der erste multilaterale Klimafonds, der das Mandat hat, genderspezifische Auswirkungen seines Finanzierungsmandates mitzudenken. Mit Blick auf den New Yorker Gipfel hatte der Verwaltungsrats des GCF in drei manischen Sitzungen seit dem letzten Oktobereine Reihe von grundlegenden Politiken und Verfahrensregeln für den neuen multilateralen Klimafonds durchgepeitscht, um endlich mehr als nur Finanzbrösel (bislang fast ausschließlich für den Verwaltungshaushalts des Fonds) einsammeln zu können. Bei seiner letzten Sitzung in Songdo, Südkorea, im Mai hatte der Verwaltungsrat dem GCF attestiert, jetzt bereit für eine ordentliche Ressourcenmobilisierung zu sein, damit der Fonds zur zweiten Jahreshälfte 2015 erste Klimaschutzprojekte und –programme in Entwicklungsländern finanzieren kann.

Mindestens US$10 und bis zu US$ 15 Milliarden an konkreten Zusagen hatte sich die Exekutivdirektorin des GCF, Hela Cheikhrouhou, noch im Juni erhofft. Doch die ersten beiden Treffen möglicher Geldgeberstaaten für den Fonds Anfang Juli und September hatten außer einer Zusage Deutschlands für bis zu € 750 Millionen über vier Jahre – auch abhängig von der Bereitschaft anderer Industrienationen zum finanziellen„burden-sharing“ – noch keine anderen konkreten neuen Zahlungsversprechen gebracht. Einige Industriestaaten werden in New York wohl mehr oder weniger hohe Summen für den GCF versprechen, z.B. Norwegen. Andere, wie die USA oder Japan, bringen UNO-Generalsekretär Ban-Ki-Moon wohl ihre besten Wünsche (und werden, wie im Falle der USA, stolz über nationale Bemühungen auf der Exekutivebene berichten), aber keinen Scheck für den GCF. Der wird in den USA frühestens Ende November ausgestellt, und damit nach den amerikanischen Zwischenwahlen Anfang November, wenn nicht gar erst im kommenden Jahr. All das macht es immer unwahrscheinlicher, dass der GCF – auch mithilfe von erhofften großzügigen Zusagen in New York — bis Ende November wenigstens US$ 10 Milliardenan Zahlungsversprechen aus öffentlicher Hand für die ersten Jahre seiner Tätigkeit einsammeln kann. Bedeutende öffentliche Finanzierungszusagen für den GCF und ihre rasche Erfüllung werden von Entwicklungsländern aber als Lackmustestfür die Ernsthaftigkeit der Industriestaaten in den Klimaverhandlungen in Peru und für die Fairness eines Abkommens in Paris im kommenden Jahr gesehen.

Die fehlende Bereitschaft der Industrienationen, ausreichend öffentliche Mittel zur Erfüllung der Klimafinanzierungsverpflichtungen der historischen Verschmutzerstaaten unter der Klimarahmenkonvention bereitzustellen, ist auch einer der Hauptkritikpunkte der Vertreter/innen der Zivilgesellschaft und sozialer Bewegungen aus aller Welt. Sie strömen nach New York für eine Klimawoche voller Aktivitätenund werden sich dort lautstark für Klimagerechtigkeit und internationale Solidarität mit den bereits heute vom Klimawandel am stärksten betroffen Bevölkerungsgruppen und Ländern stark machen. Mehr als 500 Umwelt- und Sozialgruppen und Netzwerke kooperieren in der Durchführung des People’s Climate March am Sonntag, den 21. September, der voraussichtlich größten Demonstration zum Klimaschutz, die zumindest die USA bislang gesehen haben. Sie prangern falsche Lösungsansätze gerade auch in der Klimafinanzierung an, zum Beispiel die Hoffnung der Industrienationen, dass Kohlenstoffmärkte, neue Klimafinanzprodukte (wie unreglementierte Green Bonds) und die Finanzialisierung und Kommodifizierung von Lebensformen und Ökosystemen in einer Grünen Ökonomie das Klima retten und sie von ihren Finanzierungsverpflichtungen erlösen werden. Dazu passt, dass im Rahmen des New Yorker Klimagipfels eine Ansage zur Stabilisierung internationaler Kohlenstoffpreise erwartet wird. Es sind denn auch öffentlich finanzierte multilaterale Entwicklungsbanken, allen voran die Weltbank, die sich international an die Speerspitze der Förderung der Entwicklung von Kohlenstoffmärkten gesetzt haben.

Zugang zum UNO Klimagipfel – und eine aktive Rolle als Sprecher/innen — haben nur wenige ausgesuchte zivilgesellschaftliche Vertreter/innen, allerdings sind die Kriterien nach denen eine Einladung erfolgte, nicht immer so transparent wie im Fall einer Gruppe von 76 international nominierten und durch ein NGO-Komitee ausgesuchten Personen (darunter auch eine Partnerin und Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung). Ein offizielles zivilgesellschaftliches Segment gibt es beim New Yorker Gipfel nicht. Das sieht für den Privatsektor ganz anders aus. Ein fast zweistündiges exklusives Lunch bringt die Kapitäne internationaler Konzerne und Banken mit Staatsoberhäuptern unter UNO-Führung zusammen – unter Ausschluss der Zivilgesellschaft. Zweifelsohne stehen auch da die Geschäftsmöglichkeiten öffentlich-privater Partnerschaften (PPPs) im Klimabereich im Vordergrund, in denen knappe öffentliche Mittel oftmals ohne ausreichende Transparenz oder Rechenschaftspflicht der privaten Geschäftspartner zur Hebelung von Investitionen vornehmlich internationaler Großkonzerne und –banken, anstatt lokaler kleiner und mittelständischer Unternehmen, eingesetzt werden. So ist es nicht verwunderlich, dass viele der Gruppen, die im Vorfeld des Gipfels am 21. September für den globalen Klimaschutz und bindende Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung durch die Politik demonstrieren werden, in öffentlichen Aufrufen auch verbittert von einem „corporate takeover“ des Klimagipfels sprechen.

 


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