Deutschland schafft sein Klimaziel – oder nicht?

„Deutschland schafft sein Klimaziel“ lautet der Titel der Pressemitteilung, die das BMUB anlässlich der heutigen Kabinettsentscheidung zum Nationalen Klimaaktionsprogramm 2020 verschickt. Diese Aussage ist sehr voraussetzungsvoll!

Die Aufgabe ist klar: Nach jetzigem Stand verfehlt Deutschland sein Klimaschutzziel von 40 % Emissionsreduktion gegenüber 1990 bis 2020 um 5 bis 8 %. Aufgrund der zunehmenden Kohleverstromung steigen die Emissionen. Der Europäische Emissionshandel versagt auf ganzer Linie. Lösungen müssen her. Im Dialog mit Ländern, Wirtschaft und Verbänden (und auch mit ihrem Kollegen Sigmar Gabriel) hat Barbara Hendricks nun einen Plan vorgelegt, der die fehlenden 62-78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten gegenüber der aktuellen Projektion für 2020 reduzieren soll. Starker Fokus liegt auf der Energieeffizienz.

Greenpeace und anderen haben bereits im Zentrale Politische MaßnahmenVorfeld auf folgende Probleme aufmerksam gemacht:

  • Die Lücke ist äußerst optimistisch berechnet und vermutlich insgesamt erheblich größer (siehe Einschätzung der Grünen).
  • Doppelanrechnung: Die bereits bei der Bundesnetzagentur angekündigte Stilllegung von Kohlekraftwerken vermischt sich mit der Stilllegung von Kraftwerken per Verordnung. Außerdem dürfen Reduzierungen bei der Energieerzeugung und beim Energieverbrauch nur an einer Stelle berücksichtigt werden, um eine Doppelanrechnung zu vermeiden. (Im Aktionsplan steht nun der Hinweis, das solche Doppelrechnungen vermieden werden sollen.)
  • Die Preise für Emissionszertifikate sind heute und in absehbarer Zeit weit niedriger als in den Projektionen angenommen. Ein politisches Ziel von minus 30 % gegenüber 1990 bis 2020 ist politisch vollkommen unrealistisch. (Bei den zentralen politischen Maßnahmen, siehe Tabelle, ist der Beitrag einer möglichen Reform des Emissionshandels ETS nicht quantifiziert.)
  • Die Preisentwicklung der fossilen Energieträger (Importpreise) ist insbesondere für Steinkohle niedriger als angenommen und die Laufzeiten der älteren Braunkohlekraftwerke sind wahrscheinlich länger als angenommen.
  • Erschwerend kommt eine politische Deckelung des Ausbaukorridors für Erneuerbare Energien hinzu.

Bei der entscheidenden Frage der Reduktion im Stromsektor, heißt es lapidar:

4.3Und Barbara Hendricks erläutert: „Zusätzliche Maßnahmen im Stromsektor tragen 22 Millionen Tonnen bei. Dazu wird Bundeswirtschaftsminister Gabriel ein Konzept ausarbeiten, wie diese 22 Millionen Tonnen als Minderungsverpflichtung auf den gesamten Kraftwerkspark in Deutschland verteilt werden. Zentral ist in diesem Zusammenhang auch die schnelle Reparatur des Europäischen Emissionshandels, der aufgrund der derzeitigen Überliquidität keine ausreichenden wirtschaftlichen Anreize für Klimaschutzinvestitionen mehr setzt.“

Im Klartext: Hendricks muss sich bei ihrer Kalkulation auf zwei ziemliche Wackelkandidaten verlassen. Zum einen ist da Sigmar Gabriel, der die Energiewende verantwortet und sich als Kohlefreund trotz Ankündigung einer Stilllegung von Kohlekraftwerken schwer tut mit dem Gedanken eines tatsächlichen Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Energieträger. Hier droht gar die Gefahr neuer (verdeckter) Subventionen für die Kohleindustrie in Gestalt von „Kapazitätsmärkten„.

Zum anderen sind da die europäischen Mitgliedsstaaten und die lange Geschichte gescheiterter Reformversuche für den EU ETS. Hier wäre ein Eingeständnis über die strukturellen Schwächen und Fehler dieses Instruments notwendig und wichtig gewesen. Ein Glaube an die Reformierbarkeit (in politisch relevanten Zeithorizonten) ist weder glaubwürdig noch sachdienlich. Denn die Debatten um die Verhinderung verbindlicher Ziele für Erneuerbare und Effizienz auf europäischer Ebene haben deutlich gezeigt, wie ein marktbasierter Ansatz eine echte Transformation blockieren und denen in die Hände spielen kann, die sich mit kleinen Minischritten und lebensverlängernden Maßnahmen für die Kohleindustrie in Europa zufrieden geben.

Um nächste Woche in Lima Deutschland glaubwürdig als Vorreiterin in Sachen Klimapolitik zu (re)präsentieren, müsste Frau Hendricks ihre Rede noch um eine wichtige Aussage ergänzen: Klimaschutz = Kohleausstieg. Nur so schafft Deutschland sein Klimaziel.

 


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