In Genf ist am vergangenen Freitag eine Runde der UN-Klimaverhandlungen zu Ende gegangen. Die nächste findet Anfang Juni in Bonn statt. Ebenfalls in Bonn tagt Ende Juni das UNESCO-Welterbe Komitee. Und im australischen Bundesstaat Queensland wurde am Samstag Annastacia Palaszczuk von der Labor Party als neue Premierministerin vereidigt.
Wie hängt das zusammen? In einer idealeren Welt könnte die Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Bonn dazu beitragen, dass sich die australische Regierung sich stärker zum Klimaschutz bekennt, besonders auf den UN-Klimakonferenzen, und ihr Wirtschaftsmodel überdenkt, das zu großen Teilen auf der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und ihrem Export, insbesondere von Kohle, beruht.
Leider ist die Welt nicht ideal.
Das UNESCO-Welterbekomitee erstellt und pflegt eine Liste mit Kulturgütern und Naturlandschaften, die so einzigartig und unersetzlich für die Menschheit sind, dass ihr Schutz nicht nur Aufgabe eines einzelnen Staates, sondern der gesamten Völkergemeinschaft ist. Auf dieser Liste steht auch das Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt. Es liegt vor der Nordostküste Australien, vor dem Bundesstaat Queensland. Und dieses Riff ist gefährdet, bzw. es läuft Gefahr als gefährdet eingestuft zu werden, von der UNESCO. Darüber will das Welterbekomitee im Juni entscheiden.
Die australische Bundesregierung versucht gegen eine solche Einstufung bei der UNESCO zu lobbyieren. Der australische Umweltminister Greg Hunt hat sich vorgenommen, bis Juni möglichst viele der Komiteemitglieder zu besuchen und ihnen zu beweisen, dass das Great Barrier Reef eigentlich in einem ganz passablen Zustand sei, bzw. Australien auf einem guten Weg sei, alles wieder ins Lot zu bringen, was für das Riff falsch läuft. Ende Januar war er auch in Berlin bei der Staatministerin im Auswärtigen Amt Maria Böhmer, die der Welterbekomitees-Tagung in Bonn vorsitzen wird.
Die Bedrohungen für das Great Barrier Reef sind vielfältig. Unter den gefährlicheren befinden sich illegale Fischerei, vom Land eingespülte Sedimente und Nährstoffe, die Modifizierung von Küstenlebensräumen, aber auch der Anstieg des Meeresspiegels, die Veränderung des Wettergeschehens, die Versauerung der Ozeane und der Anstieg der Wassertemperaturen. Die letzteren beiden Gefahren werden sich bei Eintreten katastrophal auf das Riff auswirken. Zu den mittelgefährlichen Bedrohungen für das Riff gehört auch die Verklappung von Abraum aus Hafenerweiterungen in der Nähe des Schutzgebiets. (mehr dazu im Outlook Report 2014 der Great Barrier Reef Marine Park Authority, S. 251-264)
Anstieg des Meeresspiegel, Versauerung der Meere, Anstieg der Wassertemperaturen – all das bringt der menschengemachte Klimawandel mit sich, in Folge der Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen.
Hier kommen das Binnenland und auch die Küste von Queensland ins Spiel und damit auch die dortige neue Regierungschefin: Ein paar hundert Kilometer von der Küste entfernt liegt das so genannte Galilee Basin. Dort wurden sehr große Kohlevorkommen entdeckt. Im Juli vergangenen Jahres wurde dem indischen Adani-Konzern die Eröffnung einer ersten Kohlegrube im Galilee Basin genehmigt. Der Konzern will 16,5 Mrd. AUS$ in die Erschließung der Carmichael Mine stecken, die die größte Kohlemine Australiens und der Südhalbkugel werden wird. 60 Mio Tonnen sollen jährlich für die nächsten 60 Jahre gefördert und nach Indien gebracht werden. 60 Mio t ist in etwa so viel Steinkohle, wie Deutschland 2013 verbraucht hat (siehe Energiestudie 2014 der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe). Aus dieser Menge lassen sich pro Jahr etwa 160 Mio t CO2 herstellen, bis 2080 also etwa 10 Gigatonnen.
Und Adani ist nicht das einzige Bergbauunternehmen, das dort schürfen möchte. Noch mindestens vier weitere Claims sind im Galilee Basin gesteckt und genehmigt worden. Nicht ganz so groß wie Carmichael, aber doch mit Potential. (hier eine Karte mit geplanten Projekten)
Um diesen ganzen Kohlenstoff außer Landes zu schaffen, ist geplant, und von der australischen Regierung auch genehmigt, die Verladehäfen zu vergrößern. Ein besonders umstrittenes Projekt ist Abbott Point, der im Welterbe-Schutzgebiet des Great Barrier Reefs liegt(und ironischerweise, wenn auch nur rein zufällig, den gleichen Namen wie der konservative australische Premierminister trägt). Die ursprüngliche Idee für seinen Ausbau war, den ganzen Aushub irgendwo ein paar Kilometer weiter ins Meer zu schütten. Folge wäre gewesen, dass die Meeresströmung den aufgewirbelten Schlamm direkt ins Korallenriff gebracht hätte. Das Leben dort wäre signifikant beeinträchtigt worden. Die Drohung, das Great Barrier Reef als gefährdet einstufen zu wollen, wurde die australische Regierung dann doch aufmerksam und bestimmte, dass der Schlamm an Land abzuladen sei. Die Menge an Sedimenten, die dann ins Meer gelangen würden, wäre dann nicht mehr so groß und würde längere Zeit brauchen, zum Riff zu gelangen. Problem gelöst? In einer idealen Welt schon, wenn da nicht immer noch die Sache mit der Wassererwärmung, dem Meeresspiegelanstieg und der Versauerung der Ozeane wäre…
Kann die neue Labor Regierung in Queensland etwas ändern? Will sie das? Immerhin war es ja auch Labor Partei, die die Carbon Tax in Australien eingeführt hatte und einigermaßen progressiv in klimapolitischen Fragen war. Allerdings wurden die Pläne für die Kohleminen und den Ausbau der Häfen auch in dieser Zeit gemacht. An die Kohle hat sich bisher niemand rangetraut.
Weil sich die – alte – konservative Regierung von Queensland unter Campbell Newman von der Kohlemine zwischen 10.000 und 28.000 neue Jobs versprach, hat sie 600 Mio. AUS$ für den Bau einer Bahnstrecke von der Mine zum Verladehafen Abbot Point und den Aushub des Hafens aus öffentlichen Mitteln zugesagt. Darüber hinaus hat sie ihren Verzicht auf Lizenzgebühren für Schürfrechte erklärt. Die Labor Party hat im Wahlkampf versprochen, die öffentliche Förderung des Projekts wieder zu streichen. Jedoch leider nicht mit der Begründung, dass die Förderung und die geplante Verbrennung der Kohle wahrscheinlich mittelfristig und indirekt durch den Klimawandel zur Zerstörung des Great Barrier Reefs führen wird. Die Begründung ist eher banal, nämlich, dass man nicht glaube, dass sich das Projekt tatsächlich rechnen werde. Das Ausbaggern des Hafens wird daher auch nur so lange nicht erlaubt, bis Adani beweisen kann, dass dies auch nötig ist. Der Plan die Kohle wurde aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Adani-Gruppe hat nach dem Wahlausgang in Queensland auch umgehend erklärt, dass sie das Geld gar nicht brauche! Das Projekt würde auch ohne staatliche Unterstützung auf den Weg gebracht. Subventionsversprechen wurden also in vorauseilendem Gehorsam gemacht, immer im Dienste des Gemeinwohls, dessen größte Bedrohung zu wenige Jobs sind. Andere Ideen Jobs zu schaffen, gibt es offenbar nicht.
Ungemach könnte dem indischen Konzern und dem Carmichael Projekt aber trotzdem von verschiedenen Seiten drohen. Die Realisierung wird trotz des selbstbewussten Auftretens Adanis von Finanzexperten als hochriskant angesehen, vor allem wegen des weltweit stark gefallenen Kohlepreises. Die Finanzierung kann nur gesichert werden, wenn die Big Four der australischen Banken, das Risiko übernehmen. Diese vier Banken sehen sich mittlerweile auch wegen dieser Finanzierung Protesten ausgesetzt. Außerdem belasten Berichte über dubiose Finanzmachenschaften, intransparente Eigentumsverhältnisse und schlechtes Umweltverhalten die Vertrauenswürdigkeit von Adani, auch wenn Labor und LNP vorerst einmütig beschlossen haben, diesen Vorwürfen nicht nachzugehen. Und vor kurzem wurde von der Mackay Conservation Group zusammen mit EDO NSW eine Klage gegen den australischen Umweltminister Greg Hunt eingereicht. Gegenstand der Klage ist, dass er nicht, wie es, nach Ansicht der Kläger, seine Pflicht gewesen wäre, alle möglichen Umweltauswirkungen des Projekts geprüft hat. Der Einfluss der Kohleförderung auf das Klima und das Entstehen von Klimafolgeschäden wurden nämlich nicht in die Prüfung einbezogen. Die Verhandlung findet am 10. und 11. August in Sydney statt.
Vermutlich wird die Kohle aus Queensland aber am Ende doch gefördert und verbrannt. In Australien (wie auch anderswo auf der Welt) möchte schließlich niemand vorgeworfen bekommen, sie oder er habe mehr als 10.000 Jobs sausen lassen, auch wenn dabei das Great Barrier Reef zum Teufel geht. Premierminister Tony Abbott, der sich ja gerne mal tumb-unpassend äußert, würde bestimmt auch hierzu etwas einfallen: vor einigen Tagen warf er der Labor-Opposition einen „Holocaust an Jobs“ in der Verteidigungsindustrie während ihrer Regierungszeit vor.
In einer idealen Welt würde solchen Politiker einfach der Mund zuwachsen, sie würden in eine tiefe Kohlegrube fallen und nicht mehr herauskommen. Aber dies ist keine ideale Welt. Leider.