Ein Beitrag von Christine Lottje, zunächst erschienen auf www.deutscheklimafinanzierung.de
Vom 19.-22. Mai 2015 findet in New York das 2. Forum der von Ban Ki-Moon Ende 2011 ins Leben gerufene UN Initiative Sustainable Energy for All (SE4All) unter dem Motto „Financing Sustainable Energy for All“ statt. Hierbei sind alle Teilnehmenden aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aufgerufen, über die Aktivitäten und Fortschritte im Rahmen der Initiative zu berichten, Technologien und Ansätze vorzustellen sowie Ideen und Mechanismen zu präsentieren, wie Finanzierungsmöglichkeiten in großem Stil für die Umsetzung der Initiative erschlossen werden können.
SE4All hat sich die Ziele gesetzt, Energiearmut überwinden, den Anteil der erneuerbaren Energien in der weltweiten Energieversorgung von 15 auf 30 Prozent anzuheben und die Steigerungsrate für Energieeffizienz von 1,2 auf 2,4 Prozent zu verdoppeln. Auch Deutschland beteiligt sich an der Initiative. So plant das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in seinem Sektorkonzept 2014, bis 2030 zusätzlichen 100 Millionen Menschen den Zugang zu Elektrizität oder nachhaltiger Koch- und Heizenergie zu ermöglichen. Hierfür sollen die Mittel im Energiesektor bis 2030 auf mindestens 3,6 Milliarden Euro pro Jahr verdoppelt werden. Außerdem waren das BMZ, die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an der Entwicklung des Global Tracking Frameworks beteiligt.
Bereits beim Start von SE4All wurde die Initiative von zivilgesellschaftlichen Organisationen in einigen Punkten stark kritisiert. Zu den zentralen Kritikpunkten gehörte, dass die SE4All-Ziele viel zu wenig ambitioniert sind für einen Entwicklungspfad, den langfristiger Klimaschutz im Sinne des 2°C-Ziels erfordert. Auch wurde die massive Vertretung der Privatwirtschaft in den Gremien der Initiative kritisiert. Dazu gehören Firmen wie u.a. Statoil, Shell, Eskom, die zu den größten Firmen bei der Extraktion fossiler Energien gehören und teilweise auch zu den Carbon Majors zählen. Entsprechend legt SE4All den Schwerpunkt in hohem Maße auf die Erschließung neuer Investitionsmöglichkeiten für die Privatwirtschaft in Schwellenländern und zu wenig auf die Situation in den ärmsten Entwicklungsländern, in denen der Großteil der Menschen ohne Zugang zu Energie lebt. Weitere Kritikpunkte an SE4All waren die intransparenten Strukturen sowie fehlende Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisation an der Initiative.
Transparenz ist nicht gleich Quantität
Das Global Tracking Framework hat eine umfassende Methodologie und Datenplattform für die regelmäßige Berichterstattung über die Zielerreichung erarbeitet. Es formuliert auch den Finanzierungsbedarf für die einzelnen Bereiche von SE4All. Unklar bleibt allerdings, in welchem Verhältnis die Daten zu den Verpflichtungen stehen und wie die Einhaltung überprüft werden soll, da SE4All auf Freiwilligkeit beruht. Ähnlich sieht es bei den Finanzierungszusagen und Initiativen aus, die auf der SE4All Website gesammelt werden, aber bei denen keine Aktualisierung erfolgt oder gar nachgeprüft wird, ob sie tatsächlich zusätzlich sind und ob den Ankündigungen auch Taten folgen.
Auf nationaler Ebene haben inzwischen auch mindestens 50 Entwicklungsländer in einem ersten Schritt ein sogenannte Rapid Analysis and Gap Assessment (RAGA) durchgeführt. RAGAs dienen der Analyse der nationalen Energieproduktion und dem Potential für deren Transformation. Zwar werden die einzelnen RAGAs auf der SE4All-Website veröffentlicht. Aber auch hier gibt es kein vorgegebenes Format für die RAGAs und ebenso wenig liegen Informationen dazu vor, wie das Follow-up aussieht. In der SE4All wird somit zwar eine große Anzahl an öffentlichen Informationen gesammelt. Es fehlt aber an Koordination, Vergleichbarkeit, Überprüfung und Aktualisierung, was zentrale Elemente für die Qualität der Transparenz sind.
Zu wenig zivilgesellschaftliche Beteiligung in den nationalen Prozessen
Für eine erfolgreiche Umsetzung von SE4All ist zivilgesellschaftliche Beteiligung ein Schlüsselelement, wie Erfahrungen aus anderen globalen Initiativen zeigen und was sich auch im Gründungsdokument der Initiative wiederspiegelt. Eine Studie von CAFOD, Hivos, iied und Practical Action hat die zivilgesellschaftliche Beteiligung in den nationalen Prozessen in sechs Entwicklungsländern untersucht. Hierfür wurden die folgenden Faktoren für eine gute Praxis in zivilgesellschaftlicher Beteiligung identifiziert:
- das Engagement aller beteiligten Akteure für den Einbezug vieler Stakeholder und eine klare Verantwortlichkeit oder Anlaufstelle für den Prozess;
- eine partizipative und inklusive Gestaltung des Konsultationsprozesses;
- die frühzeitige Kontaktaufnahme mit allen Stakeholdern;
- der Zugang zu substanzieller Information für alle Stakeholder;
- Aufmerksamkeit für Genderfragen und proaktives Zugehen auf verletzliche und ausgeschlossene Gruppen;
- Kapazitätsaufbau bei Stakeholdern, damit sie fundierten Input geben können;
- klare Aktionspläne und eine klare Verteilung der Rollen und Verantwortlichkeiten;
- Beteiligung der Stakeholder bei Entscheidungen;
- Beteiligung der Stakeholder bei der Umsetzung und dem Monitoring.
Die Ergebnisse sind wenig ermutigend. In kaum einem Land werden die Kriterien in den nationalen Prozessen eingehalten. Und wenn man die Ergebnisse genauer anschaut, dann wird deutlich, dass der Einbezug der Zivilgesellschaft in hohem Maße davon abhängt, wie gut die zivilgesellschaftlichen Organisation in den Ländern aufgestellt sind und wie aktiv sie sich in die Prozesse einbringen und auch den Kapazitätsaufbau anderer Organisationen organisieren. Von staatlicher Seite gibt es wenig proaktives Handeln und auch wenig Klarheit über die Rolle, die Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) spielen sollen.
Besonders schlecht sieht es außerdem in dem für Armutsbekämpfung und soziale Inklusion relevanten Bereich von Gender und dem Einbezug marginalisierten Gruppen aus. Dies findet sich kaum bis gar nicht in den Prozessen und Dokumenten – was umso bedenklicher ist, da die Dekade für nachhaltige Energie (2014-2024) der SE4All mit einer zweijährigen Kampagne für die Verbesserung der Gesundheit von Frauen und Kindern durch den Zugang zu moderner Energieversorgung begonnen hat. Auch lokale Ungleichheiten im Zugang zu Energie werden dadurch komplett ausgeblendet. Hier können vor allem lokale bzw. community based Organisationen (CBOs) einen wichtigen Beitrag leisten, der durch die fehlende zivilgesellschaftliche Beteiligung verloren geht.
Wenn SE4All wirklich eine multi-stakeholder Initiative sein möchte, an der Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen beteiligt sind und die einen substanziellen Beitrag zur Erreichung des 2°-Ziels und der Überwindung von Energiearmut leistet, müssen noch erhebliche Anstrengung in der Transparenz, Nachverfolgung von Absichtserklärungen und Beteiligung der zivilgesellschaftlicher Organisationen auch auf nationaler Ebene unternommen werden. Hier muss sich auch Deutschland als einer der Unterstützer der SE4All Initiative engagieren.
Christine Lottje