Aktuell sieht sich die deutsche Industrie – und allen voran auch der BDI – wohl sowohl zu Hause in die Ecke gedrängt (Stichwort: Klimabeitrag) als auch international durch ein mögliches Klimaabkommen unter dem Dach der UN beim Klimagipfel in Paris Ende des Jahres. Was tut sie dagegen? Unter anderem „Studien“ und „Gutachten“ lancieren, die vor allem ein Ziel haben: jegliche verbindliche Regulierung deutscher Unternehmen verhindern.
Hier zwei konkrete Beispiele:
Beispiel 1: BDI, IGBCE und die Kohle
Der BDI hat sich mit der Kohlegewerkschaft IGBCE zusammengetan, um Sigmar Gabriels geplanten Klimabeitrag zu verhindern. Im Gutachten haben sie ausrechnen lassen, „dass das politische Minderungsziel um weitere 22 Millionen Tonnen CO2 durch alternative Maßnahmen zu Kosten von rund 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2020 möglich wäre. Dagegen würde der Klimabeitrag des Ministeriums für die Verbraucher Mehrkosten von 4,3 Milliarden Euro 2020 bedeuten – und wäre damit fast viermal so teuer.“
BDI und IGBCE bezweifeln zudem die Klimawirksamkeit von Gabriels Vorschlag und verweisen auf die drohendenden Arbeitsplatzverluste. Das Ziel ist klar: Gabriel soll einknicken und seinen Vorschlag zu einer Klimaabgabe zurücknehmen. Die vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen umfassen den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie die Einrichtung einer Kapazitätsreserve.
Warum bitteschön, lieber BDI und liebe IGBCE, sollen das Alternativen zum Klimabeitrag sein, der darauf abzielt, die dreckigsten Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen? Da der Klimabeitrag ohnehin kaum ausreichen wird, die Klimaschutzlücke bis 2020 zu füllen, brauchen wir keinen Alternativen, sondern zusätzliche Maßnahmen! Und eine Kapazitätsreserve ist eine Subventionierung alter Kraftwerke – also ebenfalls keine Alternative zum Klimabeitrag, sondern das genaue Gegenteil!
Beispiel 2: Das IW und das internationale Klimaabkommen
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat ein aktuelles Policy Paper (Hubertus Bardt / Thilo Schaefer: Wege zu einem erfolgreichen Klimaabkommen von Paris – Vorschlag für eine wohlstandsadäquate Lastverteilung) veröffentlicht.
Dazu sollte man wissen: Das IW wird von der privaten Wirtschaft finanziert. Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Das IW fungiert unter anderem als wissenschaftlicher Berater der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die bereits für (leider teilweise) erfolgreiche Kampagnen gegen das EEG bekannt ist.
Es ist nicht das erste Mal, dass das IW beim geschickten Lügen zum Zwecke der Politikbeeinflussung ertappt wird. In diesem Falle versuchen die Autoren zu begründen, warum wir nicht nur keine UN-Klimaverhandlungen benötigen, sondern warum Industrieländer wie Deutschland keine verbindlichen Emissionsreduktionsziele benötigen, die sie zu Hause erfüllen müssen.
Der Vorschlag des IWs zur Rettung der Welt sieht so aus: Die 15 größten Emittenten vereinbaren Reduktionsziele, gekoppelt an ihr BIP. Schwellenländer setzen mit einem späteren Basisjahr an. Und dann kommt das Wichtigste: Die Reduktionen müssen natürlich nicht daheim erbracht werden. Nein – das wäre ja völlig ineffizient und teuer. Viel billiger und effizienter ist es ja, wenn das durch einen globalen Emissionshandel und Offsets in Afrika oder sonst wo erledigt wird.
Dass die Umsetzung eines solchen Vorschlags uns nicht nur weit über das 2°C Limit hinauskatapultieren würde, sondern auch zu großen Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden beitragen würde (siehe Erfahrungen mit konkreten REDD-Projekten heute), ist die eine Seite der Geschichte, die verschwiegen wird. Besonders dreist ist aber, dass das IW uns vormachen will, es ginge bei Klimapolitik vor allem um Effizienz: „Da der Ort der Reduktion nicht mit dem verpflichteten Land übereinstimmen muss, lässt sich die Verteilungs- von der Effizienzfrage trennen.“ Mit dem Vorschlag des IW verteilen wir effektiv die Lasten der Klimakrise auf die Ärmsten dieser Welt und machen uns vor, dass wir in Deutschland und in anderen Industrieländern einfach munter weiter emittieren können wie bisher.
Wo kämen wir denn hin, wenn Klimaschutz tatsächlich bedeuten würde, dass wir hier in Deutschland unsere fossilen Emissionen deckeln und reduzieren müssten – gar aus der Kohleverstromung aussteigen?? Na, lieber BDI und liebes IW: in der Realität kämen wir dann an, würde ich sagen.