Plädoyer für eine nachhaltig und demokratisch gestaltete Energiewende

Ein Gastbeitrag von Melanie Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin, Mitglied des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung und Ko-Autorin der Studie Prometheus.

Wie können Menschen für die Energiewende begeistert werden? Vor kurzem ist die Studie „Prometheus – Menschen in sozialen Transformationen am Beispiel der Energiewende“ erschienen, die dieser Frage auf den Grund gehen soll. Die Studie wurde von der 100 prozent erneuerbar stiftung in Auftrag gegeben und von drei Mitgliedern des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin erstellt.

Es handelt sich um eine Metastudie, die Erkenntnisse aus anderen Studien zum Engagement generell sowie speziell zum Engagement im Bereich der Energiewende zusammenführt. Die grundlegende These lautet, dass die Energiewende nur dann gelingen kann, wenn sie von der Mehrheit der Bevölkerung getragen und unterstützt wird. Zwar sind staatliche Eingriffe notwendig, um Aufklärung zu betreiben und politische Ziele oder finanzielle Anreize zu setzen. Doch bedarf die Energiewende der „Eigenverantwortung und Einbindung zivilgesellschaftlicher Gruppen und Einzelpersonen, die das vorhandene Wissen aufgreifen, ihre eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse beisteuern, sich an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen beteiligen und zudem bereit sind, ihr Alltagsverhalten im Sinne einer ökologisch und sozial nachhaltigen Transformation auszurichten“.

Der Begriff Energiewende ist mittlerweile so populär geworden, dass er sogar im Englischen benutzt wird. Gleichzeitig ist unklar, was mit dem Begriff gemeint ist. In der Debatte um die Energiewende lassen sich zwei Pole unterscheiden: ein technisch-industrielles Verständnis einerseits, ein ganzheitliches Verständnis andererseits. Ersteres bezieht sich vorrangig auf den Umbau der Energieinfrastruktur, also auf den Umstieg auf erneuerbare Energien, den Ausstieg aus der Kernenergie und mögichen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Dieses Verständnis hat sich in den letzten Jahren auf nationaler und internationaler Ebene durchgesetzt. Mit dem Konzept der „Green Economy“, das 2012 bei der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio der Janeiro verabschiedet wurde, verbinden sich vorrangig diese technisch-organisatorischen Maßnahmen. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beschreibt unter dem Stichwort „Zielarchitektur der Energiewende“ vorrangig technische Aspekte.

Diesem Verständnis steht ein ganzheitliches Verständnis der Energiewende gegenüber, das auch ökologische, soziale und politische Fragen – den Verbrauch von Ressourcen, Biodiversität, Zugang zu Ressourcen, gerechte Verteilung, politische Partizipation – einbezieht. Dabei stellen sich unweigerlich die Fragen nach den Grenzen des Wachstums, die der Club of Rome bereits 1972 aufgeworfen hatte und die von verschiedenen Autor/innen wie Tim Jackson, Serge Latouche, Niko Paech, Naomi Klein oder auch im Buch „Kritik der Grünen Ökonomie“ der Heinrich-Böll-Stiftung in den letzten Jahren aufgegriffen wurden. Es geht dabei auch um demokratische Teilhabe und die echte Einbeziehung der Zivilgesellschaft, zum Beispiel durch die Förderung von Konzepten wie der Solidarischen Ökonomie oder genossenschaftlich organisierten Inititiativen. Obwohl die Enquete-Kommission „Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft“ (2013) die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Innovationen bei der Gestaltung einer Energietransformation hervorgehoben hat, werden all diese Aspekte in der Gestaltung der Energiewende viel zu wenig berücksichtigt.

Etwa 90 Prozent der Erwachsenen in Deutschland Bevölkerung – diese Zahlen werden in unterschiedlichen Studien bestätigt – unterstützen den Umbau der Energiearchitektur. Doch darf diese nicht verordnet werden, wie die Widerstände gegen den Ausbau der Windenergie zeigen. Untersuchungen zu diesen Protesten zeigen, dass sie nicht primär als Gegnerschaft zur Energiewende zu verstehen sind. Vielmehr müssen sie im Kontext des Widerstands gegen große Infrastrukturprojekte gesehen werden. Die Proteste sind somit eher Ausdruck eines Vertrauensverlusts in die politischen Institutionen. Die Befragten unterscheiden dabei deutlich zwischen einer realen politischen Partizipation, die Einwände der Bevölkerung berücksichtigt und umsetzt und einer Scheinpartizipation, die lediglich darauf abzielt, Widerstand zu kanalisieren und zu reduzieren (in der Forschung mit dem Begriff „Akzeptanzmanagement“ beschrieben).

Es ist somit auch nicht überraschend, dass Verhaltensänderungen vor allem dann dauerhaft sind, wenn sie mit positiven Erlebnissen besetzt sind. Diese positiven Erfahrungen – so das Fazit der Studie – können durch eine demokratisch und nachhaltig gestaltete Energiewende gefördert werden. Dazu findet sich in der Literatur eine Reihe von Beispielen: Windkraftanlagen werden dann eher akzeptiert, wenn sich auch optisch ansprechend gestaltet sind. Umweltprojekte werden eher unterstützt, wenn sie mit dem Aufbau sozialer Netzwerke einhergehen. Veränderungen im Essverhalten sind dann dauerhaft, wenn sie mit der Freude am Entdecken von Neuem einhergehen und durch Ernährungsbildungsprogamme begleitet werden. Die Beteiligung von Mieter/innen bei der Gestaltung von Wohnräumen und Freiflächen kann mit ernst gemeinten Beteiligungsverfahren gelingen, wie das Verfahren „Grüne Mappe – Ein Beteiligungsverfahren für grüne Aktivitäten im Wohnumfeld“ zeigt. Auch das nachhaltige Campus-Management der Freien Universität Berlin, das durch die Initiative „Sustain it!“ begleitet wird, ist ein Beispiel für die gelungene Partizipation von Studierenden bei der Umsetzung des Energiekonzeptes der Universität. In all diesen Prozessen spielen „Change Agents“ eine zentrale Rolle.

Die Prometheus-Studie zeigt, dass eine ergebnisoffene und zielgruppenspezifische Beteiligung nötig ist, um der Energiewende zum Erfolg zu verhelfen. Dazu sind unterstützende Programme nötig, die Prozesse von sozialem und politischem Lernen fördern und auch über längere Zeiträume unterstützen. Bislang werden verschiedene gesellschaftliche Gruppen aber kaum in die Umsetzung der Energiewende einbezogen – und das, obwohl die Energiewende von einer großen Mehrheit der Bevölkerung befürwortet wird.

Download der Studie:

Studie „Prometheus – Menschen in sozialen Transformationen am Beispiel der Energiewende. Eine Studie im Auftrag der 100prozent erneuerbar Stiftung“ von Heike Walk, Melanie Müller und Dieter Rucht.


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