Ein Bericht von Katja George, PowerShift. Dieser Beitrag erschien zunächst hier.
Am 5. Juli 2016 fand im Haus der deutschen Wirtschaft der 5. Rohstoffkongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) unter dem Motto “Rohstoffsicherung 4.0″ statt. Stand der letzte Rohstoffkongress im Jahr 2014 noch unter dem Titel “Rohstoffversorgung verantwortungsvoll und nachhaltig sichern“, sollte es beim 5. Rohstoffkongress um die Fragen gehen, welche Bedeutung die Rohstoffversorgung für die Umsetzung des Wirtschaftsprogramms Industrie 4.0 hat und welche Weichen dafür in der Industrie- und Rohstoffpolitik zu stellen seien.
Fast schon erfreulich war, dass entgegen der sonst geäußerten Beteuerungen, die Industrie 4.0 würde den Rohstoffverbrauch durch Effizienzgewinne senken, auf dem BDI-Kongress Vertreter/innen aus Politik und Wirtschaft deutlich machten, dass die Industrie 4.0 an vielen Stellen einen deutlichen Anstieg des Rohstoffverbrauchs erwarten lässt. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Forschung und Bildung, sagte zum Beispiel: “Neue Technologien und Produkte mit völlig neuer Rohstoffzusammensetzung führen zu einem drastischen Anstieg der Nachfrage nach bestimmten wirtschaftsstrategischen Rohstoffen, die für die Hightech-Industrie unverzichtbar sind, sei es Indium für Flachbildschirme, Lithium für Akkus oder Germanium für Glasfaserkabel.” Auch das wirtschaftsnahe Beratungsinstitut der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), die Tags zuvor ihre Studie zu Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2016 vorgestellt hat, bestätigte dies.
Wenig Neues brachte der Appell von Ulrich Grillo, scheidender BDI-Präsident, der erneut die Politik aufforderte sich wieder mehr auf die industrielle Rohstoffsicherheit zu konzentrieren. Als hätte die Politik in den letzten Jahren nicht nahezu sämtliche Fordungen der Industrie umgesetzt, ermutigte er die Politik “sich aktiv für den Abbau staatlicher Handelsbeschränkungen auf Rohstoffe einsetzen. In der nationalen Rohstoffstrategie muss die Versorgung der deutschen Industrie mit Primärrohstoffen wieder stärker in den Vordergrund rücken.” Der Bund habe sich, so Grillo, in den Jahren zu sehr auf Kreislaufwirtschaft, Effizienz und Nachhaltigkeit fokussiert. Diese Maßnahmen seien nicht ausreichend und wenig zielführend, um den wachsenden Bedarf für Zukuftstechnologien zu decken. Damit unterstrich er indirekt, was von der Rhetorik einer “verantwortungsvollen und nachhaltigen Sicherung von Rohstoffen” des BDIs zu halten ist.
Weiterhin aneinander vorbei redeten Politik und Wirtschaft in Bezug darauf, wie diese Versorgungssicherheit zu gewährleisten sei. Der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel forderte die Industrie indirekt auf, sich wieder mehr an Abbauprojekten zu beteiligen. So wäre er zum Beispiel von Argentiniens Präsident Macri aufgefordert worden, Deutschland solle sich am Lithium-Abbau beteiligen. Doch die Industrie hat kaum ernsthafte Schritte unternommen, wieder in den Bergbau einzusteigen. Der halbherzige Versuch mit der Gründung einer Rohstoffallianz wurde zum Jahreswechsel 2015/2016 für beendet erklärt und das Explorationsförderprogramm der Bundesregierung aufgrund mangelnder Nachfrage seitens der Industrie eingestellt. Einzig und allein im Forschungsbereich subventioniert die Bundesregierung mit einer Zusicherung von 100 Millionen Euro für Materialforschung weiterhin die Industrie. Zudem versprach Prof. Dr. Johanna Wanka verstärkte Forschung für den Rohstoffabbau am Meeresgrund zu Industrie 4.0. Beides böte Chancen, um intelligente Robotersysteme einzusetzen. Auch in der Arktis sieht sie für Deutschland, das als Beobachter im arktischen Rat fungiert, »Chancen für den Abbau«. Unerwähnt blieben unerforschte Risiken für das fragile Ökosystem(1) und Bedenken der Zivilgesellschaft(2).
Nach den Reden folgte das erste Pannel mit dem Titel: “Die digitale Transformation der Industrie – ist die Rohstoffversorgung für Zukunftstechnologien gesichert?”. Ottwin Renn vom Institute of Advanced Sustainability Studies (IASS) zeigte auf, dass zu Effizienzgewinnen, verbesserter Kreislaufwirtschaft und Innovationen auch Suffizienz ein wichtiger Beitrag sei, um Gesellschaften langfristig nachhaltig zu gestalten. Er mahnte an, dass Deutschland und Europa ihren absoluten Verbrauch senken müssten, damit andere Regionen die Chance auf nachholendes Wachstum erhielten. Chancen dafür ergäben sich aus neuer Technologie in Industrie 4.0, beispielsweise durch verbessertes Carsharing. Leider gingen diese Aspekte an den anderen Teilnehmer/innen des Pannels vorbei. Mit Dr. Peter Buchholz (BGR), Prof. Dr. Marc Bungenberg (Universität Saarland), Hans-Jürgen Kerkhoff (Wirtschaftsvereinigung Stahl), Dr. Stefan Mair (BDI) und Peter Sander (Airbus) war hier keine kritische Stimme vorhanden. Es herrschte Konsens, dass sich die deutsche Industrie Zugang zu Märkten sichern müsse, um die Rohstoffversorgung für Zukunftstechnologien zu gewährleisten. Nachhaltigkeit, egal! Menschenrechte, Umweltschutz, keinerlei Erwähnung. Stattdessen forderten die Wirtschaftsvertreter in diesem ausschließlich männlich besetzen Panel Exportbeschränkungen in bilateralen Handelsabkommen wie CETA und TTIP abzubauen. Statt Verantwortung für die Lieferkette der deutschen Industrie zu übernehmen, forderte Peter Buchholz die Konsumenten zur Mitgestaltung auf, in dem sie zum Beispiel faires Gold kaufen. Ein Tropfen auf den heißen Stein und bisweilen sogar kontraproduktiv, wie die Kampagne Bergwerk Peru in einem vor kurzem erschienenden Dossier aufzeigt (hier zu lesen).
Im zweiten Panel ging es um die Rohstoffversorgung aus heimischen Quellen. Viel Unmut wurde hier gegenüber dem kurzlich verabschiedeten Fracking Gesetzespaket geäußert. Christoph Löwer vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. meinte, Fracking-Gegner sollten die Seiten wechseln. Gas hätte eine gute Klimabilanz und unterläge strengen deutschen Umweltauflagen (vgl. PowerShift-Stellungnahme “Fracking-Gesetz ist kein Verbot” und “Erdgas, Fracking, Klimawandel – Gas ist keine Lösung, sondern Teil des Problems“). Norbert Steiner vom Verband der Kali- und Salzindustrie, beklagte ein industriefeindliches Klima in Deutschland, so müsse “die Balance zwischen Ökonomie und Ökologie (…) wieder hergestellt werden.”
Beim dritten und letzten Pannel des Tages lag der Schwerpunkt auf Recycling. Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), merkte an, dass Kreislaufwirtschaft zwar den ganzen Kongress über erwähnt wurde, aber “wenn es den ganzen Tag Schulterklopfen für Recycling gibt, sollten Sie unruhig werden.” Neben Beteuerungen, brauche es auch konkrete Instrumente, um Recycling in die Praxis umzusetzen und diese fehlten momentan. Im Gegensatz dazu setzen Vertreter der Baustoffindustrie, wie Michael Basten, auf weniger Vorschriften. Stattdessen solle der Markt lenken. Im Übrigen seien im Bereich Baustoffe die Substitutionsmöglichkeiten ausgeschöpft.
Obgleich der Rohstoffkongress offiziell dazu gedacht war “aktuellen Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze (…) mit Vertretern aus Politik, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft” zu diskutieren, so Joachim Welsch vom BDI, war davon in der Realität wenig zu spüren. Kritische Stimmen wie Rainer Grießhammer vom Öko-Institut und Ottwin Renn vom IASS gaben nur Inputs zu den Diskussionen. Edda Müller von Transparency International Deutschland war die einzige Vertreterin aus der Zivilgesellschaft, der die Möglichkeit gegeben wurde, aktiv in einem Pannel mitzudiskutieren. Wichtige Fragen wurden ausgelassen: Welche Verantwortung haben Unternehmen entlang ihrer Lieferkette für Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Rohstoffen? Wie kann eine Konfliktfinanzierung durch den Abbau und Handel mit Rohstoffen wirksam unterbunden werden? Wie muss Bergbau nach den Klimavereinbarungen von Paris neu diskutiert werden? All diese Fragen blieben unbeantwortet. Der BDI setzt stattdessen auf ein “weiter so” wie bisher. Daher blieb der 5. BDI-Rohstoffkongress eine Werbeveranstaltung von Industrieinteressen, auf die drängenden Fragen unserer Zeit hat die Industrie aber scheinbar keine Antworten.
(1) http://www.zeit.de/2013/23/rohstoffe-arktis
(2) http://www.planet-wissen.de/natur/polarregionen/arktis/pwiewirtschaftsregionarktischanceoderrisiko100.html