Ein Gastbeitrag von Lisa Göldner
Schon lange ist der Klimawandel kein Phänomen mehr, das weit entfernt in den Ländern des Globalen Südens stattfindet. Auch in Berlin werden bis 2050 die Temperaturen im Jahresdurchschnitt um bis zu 2,5 Grad steigen und Wetterextreme weiter zunehmen. Auch hier müssen wir vorausschauend handeln und uns an das wandelnde Klima anpassen.
Die Stadt Berlin wappnet sich für den Klimawandel und hat mit diesem Ziel 2011 den Stadtentwicklungplan (StEP) Klima auf den Weg gebracht. Im Juni dieses Jahres wurde dieser nun erweitert durch den StEP Klima KONKRET: Einen – wie es die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt nennt – „Werkzeug- und Ideenkasten der Klimaanpassung“, der als informelles Planungsinstrument dem Berliner Senat bei seinen Entscheidungen und Maßnahmen Orientierung geben soll.
Der StEP Klima KONKRET nimmt zwei Wetterextreme in den Blick, die in der Hauptstadt von besonderer Dringlichkeit sind: Hitzewellen und Überflutungen durch Starkregen.
Bemerkenswert ist, dass die Anpassung an den Klimawandel im Spannungsfeld mit den Herausforderungen der immer weiter wachsenden Stadt gesehen wird. Prognosen zeigen, dass die Bevölkerung Berlins bis 2030 um weitere 266.000 Menschen zunehmen wird für die jährlich 15.000 bis 20.000 neuen Wohnungen gebraucht werden. Die Bereitstellung von (bezahlbarem) Wohnraum steht nicht ohne Grund im Mittelpunkt der anstehenden Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.
Es stellen sich zwei Fragen: Wie kann sich eine stetig wachsende Stadt an den Klimawandel anpassen? Wie kann man die Stadt so weiterbauen und verdichten, dass klimatische Funktionen und soziale Qualitäten gewahrt und verbessert werden?
Im StEP Klima KONKRET heißt es, dass Anpassungsmaßnahmen künftig „im Huckepack“ in alle Planungen und Projekte des Berliner Senats, allen voran in die Bereiche Wohnungsbau, Verkehrsplanung, Grünflächengestaltung, Infrastruktur- und Gewerbeentwicklung integriert werden sollen.
Dieser integrative Ansatz ist sehr zu begrüßen. Ebenso, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gestärkt und die Stadt mittels der Klimaanpassungsmaßnahmen lebenswerter werden soll.
Beim Lesen des StEP Klima KONKRET drängten sich mir aber immer wieder die gleichen beiden Fragen auf: Um wen geht es hier eigentlich? Wer sind die Menschen, die diese Stadt, die angepasst werden soll, ausmachen?
Zweifelsohne ist die Anpassung des Gebäudebestandes und der Infrastruktur wichtig und unabdingbar, aber für eine klimaresiliente Stadt braucht es mehr, als die Anpassung ihrer materiellen Basis.
Unter Extremwettereignissen leiden vor allem die Menschen, die sowieso schon am wenigsten besitzen und am Rande der Gesellschaft stehen. Zugleich sind soziale Netzwerke und nachbarschaftliche Hilfe mindestens genauso wichtig wie Notfallpläne und Katastrophenmanagement.
Es gilt also, den Blick auf die Menschen zu richten: Welche Eigenschaften haben die Menschen, denen die Anpassungsmaßnahmen gelten? Was brauchen Sie, um den Herausforderungen des Klimawandels begegnen zu können?
Es gilt, speziell nach Alters- und Einkommensgruppen, nach Herkunft und sozialem Geschlecht zu erheben, welche Bedürfnisse die Bürgerinnen und Bürger haben. In Großstädten wie Berlin ist das ganz besonders wichtig. Denn nicht nur gleicht kein Kiez, kein Stadtteil dem anderen, auch die Menschen sind sehr unterschiedlich und die sozialen Ungleichheiten groß.
Dem wird der StEP Klima KONKRET meiner Ansicht nach nicht gerecht. An keiner Stelle im Plan wird auf die spezifischen Bedürfnisse der Berlinerinnen und Berliner und ihre unterschiedliche Betroffenheit durch den Klimawandel eingegangen. Es scheint vielmehr, dass auch hier, wie immer noch in der Stadt- und Umweltplanung üblich, der gesunde, wohlhabende, weiße Mann als Maß aller Dinge herangezogen wurde.
Aber nur wenn wir genau hinsehen und diese unterhinterfragte Norm aufbrechen, können wir sicherstellen, dass auch wirklich die Menschen von den Klimaanpassungsmaßnahmen profitieren, die die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten zu spüren bekommen. Und dass die besonderen Bedürfnisse von älteren Menschen, von Menschen mit geringem Einkommen und von Frauen, die beispielsweise immer noch den Großteil der Versorgungs- und Sorgearbeit leisten, die während und nach Extremwetterereignissen erfahrungsgemäß weiter zunimmt, berücksichtigt werden.
Darüber hinaus gilt es, bürgerschaftliches Engagement und die zahlreichen Gemeinschaftsprojekte in Berlin als wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung anzuerkennen und besser zu fördern.
Wir müssen uns für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen. Denn eine gerechte Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird, in der Menschen über ausreichend Einkommen verfügen und Frauen und Männer tatsächlich gleichberechtigt sind, ist auch eine resilientere Gesellschaft, die mit den Folgen des Klimawandels besser umgehen kann.
Außerdem gilt es, endlich die explodierenden Mietpreise, die außer Kontrolle geratene Gentrifizierung in Berlin in den Griff zu bekommen. Berlin muss sich an den Klimawandel anpassen und kann dadurch lebenswerter werden – muss aber bezahlbar bleiben! Das heißt, die Aufwertung eines Stadtteils durch schattenspendende Parks und kühlende Wasserspiele darf nicht zu Verdrängungen führen. Denn Klimaschutz und Klimaanpassung dürfen niemanden ausgrenzen, um tatsächlich effektiv zu sein.
Wir brauchen dringend Nachbesserungen bei der Mietpreisbremse und eine wirksame, sozial gerechte Miet- und Wohnungsbaupolitik. Nur so kann sichergestellt werden, dass durch die vielen Ideen für eine klimaangepasste Stadt, die im StEP Klima KONKRET zu finden sind, nicht die Mieten, sondern die Klimaresilienz und die Lebensqualität aller Berlinerinnen und Berliner steigen.