Plastikmüll im Ozean („Marine Litter“), Plastikflaschen und -tüten an Stränden – das sind die Bilder, die wir normalerweise im Kopf haben, wenn es um das Thema Plastik als Umweltproblem geht.
Warum genau diese Bilder aber ein Problem darstellen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträger/innen genau in die falsche Richtung lenken und der Plastikindustrie eine grünes Mäntelchen umhängen, anstatt sie zur Verantwortung zu ziehen, das beschreibt dieser absolut lesenswerte Beitrag „Communications and Strategy Challenges Of The Plastics Issue“ vom 21. Dezember 2017.
Er beschreibt dabei drei notwendige Schritte eines Umdenkens:
- Dumping the L-Word („litter“)
Das Plastikproblem ist keines von „Müll“ oder „Abfall“ (Englisch: „litter“), sondern eines von Verschmutzung („pollution“). Die Tatsache, dass NGO-Kampagnen ebenso wie Kommunikationsstrategien seitens der Industrie immer wieder von Plastikmüll (oder gar von „marine litter“) sprechen, verharmlosen wir letztlich das Problem. Das geschieht auf verschiedene Weise: Zum einen bezieht sich das Müllproblem ja vor allem auf den sichtbaren Teil des Problems, also die Plastiktüten und -flaschen am Strand beispielsweise. Aber ein Großteil des Plastiks landet in Form von Mikroplastik in den Ozeanen – und vieles davon sinkt auf den Meeresboden. Aktuell wird geschätzt, dass sich bereits durschnittlich ca. 70 kg Plastik auf jedem Quadratkilometer Meeresboden befinden! Zum anderen impliziert die Beschreibung als „Müll“ oder „Abfall“, dass die Hauptverantwortung bei den Konsumentinnen und Konsumenten liege und man das Problem durch ein Einsammeln des „Mülls“ eben auch lösen könne.
Hier eine kurze Illustrierung der zwei verschiedenen Sichtweisen aus dem Beitrag:
Plastik besteht aus zahlreichen giftigen und gefährlichen chemischen Substanzen, die gesundheitsschädlich für Menschen und Tiere sind und unsere natürlichen Ökosysteme dauerhaft und nachhaltig belasten – wie eben andere Typen von Verschmutzung auch (z.B. Verschmutzung mit Schwermetallen, ozonschichtschädigenden Substanzen oder CO2 in der Atmosphäre…). Die einzige Möglichkeit, dieses Problem in den Griff zu bekommen, ist ein massives Zurückfahren der Produktion von Plastik durch strikte Regulierung der betreffenden Industrie. Und als Gesellschaft müssen wir dafür erst einmal beginnen, Plastik als gefährlich einzustufen und das beispielsweise auf Produkten, die Plastik enthalten, auch so zu deklarieren, wie es bei anderen gefährlichen Substanzen bereits üblich ist. Im Artikel werden beispielsweise solche Labels vorgeschlagen:
2. We cannot win by „Fighting On the Beaches“!
Weltweit gibt es zahlreiche – sowohl seitens der Industrie als auch von NGOs oder gar staatlichen Stellen initiiert und gesponserte – Kampagnen, um Strände von Plastikmüll zu säubern. Viele viele Menschen beteiligen sich jedes Jahr an diesen „beach clean-ups“. Diese Aktionen sind nicht grundsätzlich falsch, aber eben auch problematisch. Zum einen tragen sie tatsächlich nur einen winzigen Teil zur Lösung des Problems bei und könnten auch bei massiver Verstärkung immer nur einen winzigen Bruchteil des Plastikproblems beseitigen. Gleichzeitig fokussieren sie aber die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und vor allem der beteiligten Bürgerinnen und Bürger auf das Falsche: eben wieder auf Plastik als Müllproblem und auf den sichtbaren Teil der Verschmutzung – während sich die Industrie sogar dafür feiern kann, dass sie sich an derartigen Maßnahmen beteiligt.
„https://www.marinelittersolutions.com shows you schoolchildren looking for ‘litter’, not plastics executives.“
Einen sinnvollen Beitrag könnten Kampagnen leisten, die beach clean-ups mit Maßnahmen und Aktionen verknüpfen, bei denen die beteiligten Personen sich nebenbei auch mit den wirklichen Ursachen und Auswirkungen der Plastikkrise befassen, beispielsweise, in dem sie im Sinne von „citizen science“-Projekten das Mikroplastikproblem im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nehmen.
3. The Limitations of Recycling
Plastik zu recyceln ist sehr schwierig und findet aktuell tatsächlich nur in sehr geringem Maßstab statt. Da, wo es passiert, wird fast immer aus hochwertigem Plastikabfall ein weniger wertvolles Produkt, das dann oft sogar aus kleinteiligerem Plastik besteht und das Mikroplastikproblem verstärkt. Und nein, aus den Plastikflaschen, die wir brav im Supermarkt in die Rückgabemaschinen für Pfandflaschen stecken, werden keine neuen Plastikflaschen.
Außerdem exportieren einige Länder, beispielsweise die EU, ihren Plastikmüll, beispielsweise nach China. Ein Teil der riesigen Plastikmüllberge, die durch asiatische Flüsse in die Meere geschwemmt werden, stammen also von Produkten, die von europäischen Konsument/innen gekauft wurden. Und nun kann man noch fragen: wurden diese Plastikprodukte vielleicht teilweise in China hergestellt? Und woher kam der Grundstoff (Erdöl oder Erdgas) für dieses Plastik? Plastik ist ein gigantisches weltumspannendes Geschäft – und die Industrie ist in keinster Weise bereit, den profitablen Wachstumspfad zu verlassen. Aber China will nun seit Kurzem einen Teil des europäischen Plastikmülls nicht mehr importieren, weil er zu dreckig ist…
[Mehr zu den Verbindungen der fossilen Industrie mit dem Plastikthema gibt es übrigens hier bei CIEL: Fueling Plastics.]
Die Industrie liebt das Recyclingthema, weil sie damit kommunizieren kann, dass das Problem einfach in den Griff zu bekommen sei. Dabei verschweigt sie, dass auch bei stetig wachsenden Recylingraten, Plastik immer noch fast ausschließlich aus Grundstoffen (und dabei vor allem Erdöl und Erdgas) hergestellt wird und das generelle Wachstum der Produktion jegliche Recyclingmaßnahmen bei Weitem übersteigt.
Die Idee von Plastik-Recycling ist also „a case-study of non-sustainability“. Klar, kann Recycling einen Beitrag leisten – aber eben nur im Kontext einer Gesamtstrategie, die auf einen Ausstieg aus Plastik abzielt und die tatsächlichen Produktionsmengen massiv reduziert.
Was tun?
Die Schlussfolgerungen aus dieser Analyse sind klar: Wir müssen endliche beginnen, Plastik als ein Problem von Verschmutzung / Pollution durch gefährliche / gesundheits- und umweltschädigende Substanzen zu beschreiben und entsprechend zu addressieren – politisch und gesellschaftlich. Mögliche Regulierungen auf internationaler Ebene könnten sich z.B. am Montreal Protokoll orientieren, das ja für das Problem Ozonloch die entsprechenden schädigenden Substanzen verbietet. Das bedeutet nicht, dass es nicht Ausnahmen für die Nutzung von Plastik beispielsweise im medizinischen Bereich geben kann. Aber der größte Teil des Plastiks, den wir heutzutage benutzen, ist entweder einfach sinnlos (Plastikverpackungen im Supermarkt, Plastikbecher, Strohhalme, Plastiktüten usw.) oder durch andere Materialien ersetzbar (z.B. Holz oder Pappe für einige Verpackungen, Baumwolle für Kleidung).
Und ganz oben auf die Tagesordnung – übrigens auch für die neue Bundesregierung – gehört ein Verbot von Mikroplastik, das sich aktuell beispielsweise massiv in Kosmetik und Kleidung befindet.
[Hier geht es zur Greenpeace-Kampagne zum Thema Mikroplastik in Kosmetik.]
In Italien hat kurz vor Weihnachten der Umweltausschuss des Parlaments ein solches Mikroplastikverbot übrigens bereits beschlossen. Unmöglich ist es also nicht, dass sich hier auch in anderen Ländern bald etwas bewegt.