Früher gab es in deutschen Wäldern vor allem Buchen- und Laubmischwälder, heute wachsen dort überwiegend Fichte und Kiefer. Die wachsen schnell und sind relativ anspruchslos. Das ist zwar gut für’s Holzgeschäft, aber schlimm für’s Klima. Und auch die Artenvielfalt leidet darunter. Wenn die Wälder in Deutschland auf dem aktuellen Niveau auch in Zukunft weiter bewirtschaftet werden oder sogar noch mehr Holz eingeschlagen wird, nimmt ihre Funktion als CO2-Senke ab bzw. könnte sogar irgendwann verlorengehen. Das würde die globale Erwärmung noch weiter anheizen. Klar ist auch, dass Monokulturwälder für zu erwartende Extremwetterereignisse wie Hitze, Dürre und Starkregen weit weniger gut gewappnet sind als naturnahe Mischwälder.
International wird aktuell sehr viel über die Rolle und das Potential von Wäldern für Klimaschutz diskutiert. Und die Einschätzungen dazu, was ein sinnvoller Umgang mit unserer Wäldern ist, gehen dabei weiter auseinander. Industrieländer wie Deutschland zeigen dabei sehr gern mit dem Finger auf waldreiche Entwicklungsländer wie Brasilien und Indonesien, die große Flächen an Urwäldern für den Anbau von Soja oder Palmöl roden – übrigens beides Produkte, die am Ende in diversen Produkten wieder bei Konsument/innen in Europa und anderswo auf der Welt landen.
Greenpeace Deutschland hat sich nun gefragt, wie groß denn das Potential in Deutschland ist, durch eine andere – eine naturnahe – Waldbewirtschaftung mehr CO2 zu binden und damit zum Klimaschutz beizutragen. Dazu haben sie eine Studie beim Öko-Institut in Auftrag gegeben. Und die Ergebnisse sind tatsächlich erstaunlich – und erfreulich zugleich:
„Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass der deutsche Wald durch mehr Schutzgebiete, eine ökologische Bewirtschaftung auf dem Rest der Fläche und eine moderate Verringerung des Holzeinschlags durchschnittlich rund dreimal so viel klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre binden könnte wie bei gleichbleibender Bewirtschaftung. […] Mit dem Szenario der Greenpeace Waldvision würde bis zum Beginn des nächsten Jahrhunderts ein starker Wald wachsen, der große Mengen an CO2 speichert und als Kohlenstoff fest im Holz seiner Bäume bindet, im Durchschnitt 48 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Werden neben lebender Biomasse auch Totholz, Boden und Holzprodukte betrachtet, würde die Speicherleistung im Durchschnitt 56 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr betragen, rund 77 Prozent mehr als im Basis-Szenario und dreimal so viel wie im Holz-Szenario.
Doch was heißt das im globalen Maßstab? Aktuell geht die Klimawissenschaft davon aus, dass wir bis Ende des Jahrhrunderts zusätzlich zu ambitionierten Emissionsminderungsmaßnahmen auch Lösungen brauchen, mit denen wir überschüssiges CO2 aus der Atmosphäre bekommen. Viele diskutieren dieses Thema unter dem Schlagwort „negative Emissionen“. Aber darum geht es eigentlich nicht. Die dort diskutieren Geoengineering-Technologien weisen alle erhebliche Nebenwirkungen und Risiken auf. Dabei liegt die Antwort eigentlich auf der Hand: Es geht um den Schutz, Erhalt und die Wiedergewinnung und Stärkung von natürlichen Senken – allen voran unseren Wäldern.
Dass ein solcher Ansatz tatsächlich ernstzunehmende Potentiale hat und eben einen erheblichen Beitrag für das Einhalten des CO2-Budgets leisten kann, zeigen aktuell immer mehr Studien. Greenpeace zeigt nun, was das für den deutschen Wald heißt – und macht es damit konkret.
Würde man die Ergebnisse der Studie auf die großen Gebiete von Sekundärwäldern global übertragen (ca. 200 Mio ha), könnten sehr grob geschätzt vermutlich allein auf dieser existierenden Fläche bereits bewirtschafteter (aber eben nicht nachträglich bewirtschafteter) Wälder bis zu 200 Gigatonnen CO2 bis Ende des Jahrhunderts zusätzlich gespeichert werden. Das entspricht übrigens auch in etwa den Zahlen des Stockholm Environment Institutes von 2016.
Neben dem Szenario „Waldvision“ von Greenpeace haben sich die Wissenschaftler/innen beim Öko-Institut noch zwei Referenzszenarien angeschaut: Das Basis-Szenario geht davon aus, dass der Wald weiterhin so bewirtschaftet und ähnlich stark genutzt wird wie bisher. Im Holz-Szenario werden die Wälder noch intensiver bewirtschaftet. Sie werden noch stärker durchforstet und es wird mehr Holz eingeschlagen als heute. Beim Thema Wald geht es in Deutschland eben immer noch in erster Linie ums Holz. Fest steht neben den Unterschieden im CO2-Effekt da auch: Bis 2102 steht im Szenario Waldvision pro Jahr durchschnittlich rund ein Viertel weniger Holz zur Verfügung als im Basis-Szenario. Diese Lücke muss durch eine effizientere Holznutzung geschlossen werden, damit die Holzimporte nicht steigen.
Für die Bundesregierung heißt das jetzt aber vor allem eins: Zuhören und Hausaufgaben machen! Eine naturnahe Waldbewirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Dafür ist aber ein Umdenken notwendig:
„Die Bundesregierung und die Regierungen der Länder müssen die konventionelle Forstwirtschaft dringend überdenken mit dem Ziel, die Naturnähe und CO2-Bindung in Wäldern zu erhöhen. Es braucht eine Waldwende, die den Wald und nicht das Holz in den Mittelpunkt stellt.“