Die UN-Klimakonferenz in Katowice: Was steht bei der COP 24 auf dem Spiel?

Die 24. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP 24) der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) findet 2018 im polnischen Katowice statt. Sie beginnt am 2. Dezember, zwei Jahre, elf Monate und 20 Tage, nachdem der Vorsitzende der COP 21, Laurent Fabius, die Einigung auf das historische Übereinkommen von Paris unter dem Jubel von Delegierten aus 196 Vertragsstaaten per Hammerschlag besiegelt hatte.

Die 24. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP 24) der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) findet 2018 im polnischen Katowice statt. Sie beginnt am 2. Dezember, zwei Jahre, elf Monate und 20 Tage, nachdem der Vorsitzende der COP 21, Laurent Fabius, die Einigung auf das historische Übereinkommen von Paris unter dem Jubel von Delegierten aus 196 Vertragsstaaten per Hammerschlag besiegelt hatte.

Diese kurze Analyse gibt einen Überblick über den derzeitigen Stand der Verhandlungen und über die auf der COP 24 anstehenden Schlüsselthemen. Es stellt die UN-Klimagespräche in den breiteren Zusammenhang der Klimadiplomatie und Klimawissenschaft. Darüber hinaus wird der Stand der Dinge in Bezug auf einige spezifische Fragen zusammengefasst, die für die Heinrich-Böll-Stiftung und ihre Partnerinnen und Partner besonders wichtig sind.

Teil 1: Wo stehen wir drei Jahre nach Paris?

Zusammenfassung des Übereinkommens von Paris

Die Ziele des Übereinkommens von Paris sollen erreicht werden, indem:

  1. der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde;
  2. die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöht und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung so gefördert wird, dass die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird;
  3. die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.

Das Übereinkommen von Paris wurde am 12. Dezember 2015 erfolgreich verabschiedet, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass die endgültige Ausarbeitung einiger für die „Durchführung“ notwendiger technischer Details bis zur COP 24 aufgeschoben wurde. Im Übereinkommen sind aber grundlegende Verpflichtungen für alle Länder festgehalten – ein Meilenstein – und in seinen Artikel und Beschlüssen wurden neue Verfahren eingeführt, die Verhandlungsstränge des Arbeitsprogramms des Übereinkommens von Paris („Paris Agreement Work Programme“, kurz PAWP und im Folgenden „Arbeitsprogramm“) sind, aus denen das sogenannte „Regelbuch“ („Paris Rulebook“) hervorgehen soll.

Zu den im Arbeitsprogramm umrissenen Verpflichtungen für alle Länder gehören folgende langfristigen Ziele und Zusagen:

  • Minderungsmaßnahmen (Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch national festgelegte Beiträge [nationally determined contributions, NDCs] für alle Länder);
  • Kooperative Ansätze (markt- und nicht marktbasierte);
  • Berichte zur Anpassung an den Klimawandel (adaptation communication);
  • Finanzierung (aus Industrie- in Entwicklungsländer, einschließlich von Vorabinformationen über die Bereitstellung von Geldern und Anrechnung der bereitgestellten Gelder)
  • Entwicklung und Weitergabe von Technologie
  • Erweiterter Transparenzrahmen (um Rechenschaft über Fortschritte abzulegen)
  • Weltweite Bestandsaufnahme oder auch „Global Stocktake“ (für eine alle fünf Jahre erfolgende Messung der Fortschritte)
  • Durchführung und Einhaltung („implementation and compliance“); sowie
  • möglicherweise weitere Angelegenheiten.

Was seit Paris passiert ist

Seit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens fanden sechs Sitzungen der drei UNFCCC-Organe[1] statt, die für die rechtzeitige Erstellung des Arbeitsprogramms zuständig sind. Welche Fortschritte wurden gemacht, wie ist der Stand der Dinge und wie stehen die Chancen für die Annahme des Regelbuchs in Katowice?

Trotz ständiger Appelle, die Delegierten mögen „ihre Arbeit am Arbeitsprogramm beschleunigen“, besteht die nach den letzten Verhandlungen in Bangkok Anfang September herausgegebene Dokumentenzusammenstellung für das Regelbuch aus 307 Seiten. Nach Bangkok erstellten die Verhandlungsvorsitzenden der drei Organe ein „Papier mit gemeinsamen Überlegungen“, das zusammen mit den neun Ergänzungen immer noch auf 243 Seiten kommt. Nicht sehr hilfreich.

Die Länge des Textes ist einer der Gründe, warum die Verhandlungen so unerträglich langsam vorankommen. Ein anderer ist, dass eine Ausgewogenheit der Verhandlungsstränge sichergestellt sein soll – alle Punkte des Arbeitsprogramms müssen „auf vergleichbare Weise ausgereift sein“. Überhaupt ist die Frage der Gleichzeitigkeit ein Kernpunkt der politischen Uneinigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Die Industrieländer fordern mehr Verhandlungszeit für komplexere Probleme, während die Entwicklungsländer auf einen gleichen Zeitrahmen für alle Fragen drängen. Der derzeit wahrgenommene Mangel an Ausgeglichenheit gefährdet die Verabschiedung des Regelbuchs in Katowice.

Ein weiterer Stolperstein sind Verflechtungen bzw. Fragen, die übergreifend alle Punkte im Arbeitsprogramm und alle drei Organe betreffen. Fortschritte in einem Verhandlungsstrang hängen häufig von Fortschritten in einem anderen ab. In dem Papier mit gemeinsamen Überlegungen wird eingeräumt, dass „es keine Wunderlösung für alle Verflechtungen gibt“. Die ungelösten Probleme der komplizierten Verflechtungen verzögern ebenfalls das Vorankommen und könnten die Verabschiedung des Regelbuchs als Gesamtpaket gefährden.

Teil 2: Was steht auf der Tagesordnung der COP 24?

Vervollständigung des Arbeitsprogramms – Das Regelbuch zum Übereinkommen von Paris

Auf der COP 24 sollen sämtliche Teile des Arbeitsprogramms als Gesamtpaket zur Verabschiedung vorliegen. Ist dieses Ziel realistisch in Anbetracht der oben beschriebenen Probleme der Textlänge, Ausgewogenheit und Verflechtungen?

In einer der Ergänzungen zum Papier mit gemeinsamen Überlegungen findet sich ein Hinweis auf eine Lösungsmöglichkeit. Ein einleitender Satz ist überraschend deutlich:

Welche der vielen derzeit identifizierten Informationselemente […] sind tatsächlich für die Umsetzung des Pariser Abkommens notwendig?

Die Verhandlungsvorsitzenden fragen damit die Vertragsparteien nach deren Ansichten, was auf der COP 24 entschieden werden muss und welche Entscheidungen verschoben werden können. Die Ergänzung zum Papier der Verhandlungsvorsitzenden trennt die inhaltlichen Vorschläge in zwei Hälften – in eine Hälfte für die Verhandlungen in Katowice und in eine zweite Hälfte, die aufgeschoben werden könnte. Es ist reine Spekulation, ob dieser Vorschlag für das Gesamtpaket des Arbeitsprogramms angewandt wird, denn das kann nur mit Zustimmung der Vertragsparteien entschieden werden.

Neuere Quellen deuten darauf hin, dass ein Ergebnis der COP 24 darin bestehen könnte, dass es nur zu einer Einigung über grundsätzliche Elemente und über einen Fahrplan für die Vervollständigung des Regelbuchs kommen könnte und noch nicht zur Verabschiedung eines vollständigen Regelbuchs mit allen technischen Einzelheiten. Aber wenn das Regelbuch die Umsetzung des Pariser Abkommens in Gang setzen soll, wie viele technische Einzelheiten muss es für diesen Zweck enthalten?

Klimafinanzierung im Regelbuch zum Übereinkommen von Paris

Ein erfolgreiches Ergebnis der COP 24 hängt davon ab, ob die Verhandlungen zur Klimafinanzierung vorangebracht werden können. Das ist ein alles überspannender politischer Kampf, der fast alle bisherigen COPs vereinnahmte. Die Entwicklungsländer müssen sicher sein, dass die Industrieländer bereit sind und es ernst meinen, sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht ausreichend detaillierte Angaben über ihre öffentliche Klimafinanzierung zu machen – im Voraus und nach der Bereitstellung –, um die Vorhersehbarkeit zu erhöhen und die Rechenschaftspflicht zu stärken.

Eine vorhersehbare und verlässliche Klimafinanzierung wird Vertrauen und Zuversicht in das Regime nach Paris aufbauen und den Entwicklungsländern die nötige Sicherheit verleihen, ihre ehrgeizigen NDC-Verpflichtungen zu planen und umzusetzen. Viele dieser Verpflichtungen wurden unter der Bedingung zugesagt, dass ihnen von den Industrieländern zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Thema – das in hohem Maße ein technisches Verfahrensproblem ist – könnte sich als größte Hürde für einen erfolgreichen Abschluss der COP 24 erweisen. Das Pariser Klimaabkommen enthält ein Verfahren,das die Industrieländer dazu verpflichtet, Angaben über ihre geleistete finanzielle Unterstützung an Entwicklungsländer zu machen. Aber es gibt kein Verfahren für Industrieländer, im Voraus detaillierte Angaben darüber zu machen, in welcher Höhe und wofür sie Gelder bereitstellen wollen.

Das heißt, dass auch im Arbeitsprogramm zum Übereinkommen von Paris nichts über eine Verknüpfung der Angaben von Industrieländern über ihre zukünftige öffentliche Klimafinanzierung mit Angaben über tatsächlich geleistete Finanzierung zu finden ist. Die Entwicklungsländer fordern aber eine solche Verknüpfung, da für sie die Informationen, wie viel und welche Art von Finanzhilfe sie erwarten können, entscheidend dafür ist, ob und gegebenenfalls wie sie ihre unter dem Pariser Abkommen gemachten Verpflichtungen umsetzen können. Dem kommt ein besonderes Gewicht zu, weil die Entwicklungsländer gedrängt werden, im Namen einer allgemeinen Erhöhung der Klima-Ambitionen auch ehrgeizigere nationale Ziele zu stecken. Wie bereits gesagt, ist dies aber nur mit zusätzlich von den Industrieländern bereitgestellten Finanzhilfen machbar.

Die Industrieländer halten dagegen, dass das Pariser Abkommen kein Mandat enthalte, ein Verfahren einzuführen, die sie dazu verpflichtet, den Entwicklungsländern anzukündigen, in welcher Höhe Finanzhilfen geplant sind. Sie erachten dies als eine rein technische Kommunikationsübung, die später und an anderer Stelle im Rahmen der UNFCCC zu diskutieren sei.

Zudem liegt nicht einmal eine vereinbarte Definition von Klimafinanzierung vor, weshalb die Länder weiterhin uneins sind, was in der Berichterstattung als Klimafinanzierung anzurechnen ist. Während die Industrieländer erpicht darauf sind, die Kategorien auszuweiten, um sich beispielsweise auch nicht finanzielle Anstrengungen wie Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Technologietransfers oder auch Finanzhilfen in Form von kommerziellen Krediten anrechnen zu können, wollen die Entwicklungsländer den Fokus der Berichterstattung weiterhin auf neue und zusätzliche finanzielle Unterstützung richten, die neben der offiziellen Entwicklungshilfe geleistet wird.

Zudem ist zu erwarten, dass auf der COP 24 auch die hitzigen Debatten darüber fortgeführt werden, wann mit dem Prozess der für 2023 angepeilten Festsetzung eines neuen quantifizierten kollektiven Finanzierungsziels begonnen wird, um den (noch lange nicht erreichten) Betrag von 100 Mrd. USD jährlich ab 2020 aufzustocken. Dieser Betrag war erstmals 2009 auf der verhängnisvollen COP 15 in Kopenhagen vorgeschlagen worden und dient derzeit als Ausgangswert.

Klimafinanzierung für den Green Climate Fund

Auch wenn dies kein offizieller Tagesordnungspunkt auf der COP 24 ist, wird es zu hinter den Kulissen zu Gesprächen darüber kommen, ob die Industrieländer, allen voran die Europäische Union, Japan und Kanada, bereit und in der Lage sind, bei der ersten offiziellen Wiederauffüllung des Grünen Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) ihre Zusagen zu erhöhen. Der Prozess der Wiederauffüllung startete auf seiner 21. Direktoriumssitzung Ende Oktober in Manama, Bahrain.

Da der GCF der wichtigste multilaterale Fonds unter den Finanzmechanismen des Pariser Klimaabkommens ist, wären frühe Hinweise auf eine höhere Unterstützung für den nächsten Durchführungszeitraum für die Entwicklungsländern ein Lackmustest, wie ernstgemeint die in Paris gegebenen Versprechen der Industrieländer tatsächlich sind. Das könnte auch dazu beitragen, die UNFCCC-Finanzierungsverhandlungen voranzubringen.

Menschenrechte im Regelbuch zum Übereinkommen von Paris

Einer der bedeutendsten Siege des Übereinkommens von Paris war, dass die Menschenrechte Eingang in den Text der Präambel fanden, auch wenn sie später in den Artikeln des Abkommens nicht nochmals erwähnt werden. Die Präambel verweist insbesondere auf die Beseitigung der Armut, auf die Rechte von indigenen Völkern, auf Beteiligung der Öffentlichkeit, auf Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frau, auf Ernährungssicherheit, auf einen gerechten Strukturwandel für Arbeiterinnen und Arbeiter („Just Transition“) und menschenwürdige Arbeit, auf Gerechtigkeit zwischen den Generationen und auf die Integrität aller Ökosysteme.

Auch wenn eine große Gruppe zivilgesellschaftlicher Vertreter/innen und Delegierte aus einigen Ländern darauf drängen, dass die Menschenrechte auch im Regelbuch des Übereinkommens von Paris zur Sprache kommen, ist klar, dass vielen Delegierten das Verständnis für die Relevanz von Menschenrechten für den Klimaschutz fehlt bzw. was sie mit Klimafinanzierung zu tun haben. Hier ist Öffentlichkeitsarbeit und Kapazitätsaufbau nach wie vor von zentraler Bedeutung.

Aktivist/innen fordern weiterhin, dass die Menschrechte in verschiedenen Verhandlungssträngen des Arbeitsprogramms ausdrücklich angesprochen werden, darunter auch in den Richtlinien zu den NDCs sowie der Planung und Überwachung von Anpassungsmaßnahmen. Im Text zum erweiterten Transparenzrahmen wird an einigen Stellen auf die sozialen Dimensionen des Klimaschutzes verwiesen, aber diese müssen deutlicher gemacht und besser begründet werden, insbesondere muss bei der Bereitstellung von finanzieller und technologischer Unterstützung für Entwicklungsländer mehr Wert auf Prozesse gelegt werden, die auf eine Gerechtigkeit der Geschlechter abzielen. Der Text zur weltweiten Bestandaufnahme verweist auf „Bemühungen zur Beseitigung von Armut, Ernährungssicherheit, Schaffung von Arbeitsplätzen und sozialer Gerechtigkeit in Entwicklungsländern, Klimaflüchtlingen und Vertriebenen“. Würden diese Formulierungen auf der COP 24 abgesegnet, würde das zu einer verstärkten Berücksichtigung von Aspekten des Klimaschutzes führen, die mit Menschenrechten in Zusammenhang stehen.

Vertreter/innen der Zivilgesellschaften hoffen, dass die Bedeutung des 70. Jahrestags der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechtehttps://www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/UDHR_Translations/ger.pdf (AEMR) in der zweiten Woche der COP ihren Bemühungen helfen wird. In der Präambel des Übereinkommens von Paris werden die Verpflichtungen der Länder im Hinblick auf die Menschenrechte angesprochen, sodass das moralische Gewicht dieser Verpflichtungen möglicherweise gewisse Fortschritte in Katowice ermöglichen wird.

Themen, die nicht Teil des Arbeitsprogramms sind

Es gibt noch weitere Themen auf der Tagesordnung, die auf der COP 24 weiter ausgearbeitet werden müssen, die aber nicht Bestandteil des Arbeitsprogramms zum Pariser Klimaabkommen sind. Dazu gehören der Internationale Warschau-Mechanismus für klimabedingte Verluste und Schäden, die Plattform für lokale Gemeinschaften und indigene Völker, der Koronivia-Beschluss zur Landwirtschaft, Emissionen von Kraftstoffen im internationalen Flug- und Schiffsverkehr, Gender und Klimawandel sowie die politische Phase des Talanoa-Dialogs.

Es ist nicht zu erwarten, dass auf der COP 24 wesentliche Fortschritte in diesen Themenfeldern gemacht werden. Im Papier mit gemeinsamen Überlegungen heißt es dazu lapidar, dass „einige Tagesordnungspunkte, die nichts mit dem Arbeitsprogramm zu tun haben, in Katowice nicht unbedingt zur Entscheidung gebracht und daher auf dieser Konferenz auch nicht eingehend behandelt werden müssen“. Dennoch wollen wir an dieser Stelle zu einigen dieser Themen Stellung nehmen, die von besonderem Interesse für die Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung und ihrer Partner/innen sind.

Verluste und Schäden („Loss and Damage“)

Verluste beziehen sich auf unwiederbringlich Verlorenes (Leben, Existenzgrundlagen, Land, Kulturerbe) und Schäden auf behebbare Beschädigungen (hauptsächlich Infrastruktur wie Straßen, Gebäude, Stromleitungen), die im Zusammenhang mit Ereignissen entstehen, die durch den Klimawandel verursacht oder verschlimmert wurden. Zu diesen Ereignissen gehören sowohl die Auswirkungen von Wetterextremen, aber auch langsam fortschreitende Klimaveränderungen. Es ist eines der heikelsten Themen in den Klimagesprächen und wiederum liegt es an den unzureichenden Finanzhilfen, die von den entwickelten Ländern für die Entwicklungsländer mobilisiert und bereitgestellt werden, dass hier keine Lösung gefunden wird.

Während dem Thema ein Artikel im Pariser Klimaabkommen gewidmet ist, sind Verluste und Schäden nicht offiziell Bestandteil des Arbeitsprogramms. In Bangkok trat das Thema jedoch überraschend kraftvoll in Erscheinung. Eine Gruppe von Entwicklungsländern dränge darauf, dass zu den Regelungen zum erweiterten Transparenzrahmen im Arbeitsprogramm auch gehören müsse, Informationen über Verluste und Schäden zu identifizieren. Es ist zu erwarten, dass Entwicklungsländer, insbesondere die kleinen Inselstaaten, auch darauf drängen werden, dass Verluste und Schäden bei den Finanzierungspunkten im Regelbuch angesprochen werden.

Bei den verheerenden Wetterextremen wie Hurrikans, Taifunen, Überflutungen und Waldbränden und den damit einhergehenden Zerstörungen und Todesfällen, von denen in den vergangenen Jahren permanent in der weltweiten Berichterstattung die Rede war, und auch weil der vorgeschlagene Fokus auf Versicherungslösungen zu kurzgegriffen und unzureichend ist, wird in Katowice der Druck zunehmen, dieses Thema anzugehen und zum Bestandteil des Regelbuchs zu machen.

Gender und Klimawandel

Auf der COP 24 wird es auch weitere Aktionen zu Gender und Klimawandel geben. Auf der letztjährigen COP in Bonn unter dem Vorsitz der Fidschi-Inseln wurde ein UNFCCC-Gender-Aktionsplan ins Leben gerufen, sodass die Vertragsstaaten wie im Plan vorgesehen einen Workshop mit einer Vielfalt an Informationen organisieren werden. Einer der Schwerpunkte werden nach Geschlechtern getrennt erfasste Daten und eine nach Geschlechtern differenzierte Auswertung der Folgen des Klimawandels für Frauen und Männer sein, wobei besonderes Augenmerk auf die lokalen Gemeinschaften und indigenen Völker gelegt wird. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Einbeziehung von geschlechtsspezifischen Aspekten in die Themenfelder Anpassung, Minderung, Kapazitätsaufbau, Maßnahmen zur „Klimabildung“, Technologie sowie Politik, Pläne und Maßnahmen im Finanzbereich. Mit dem Aktionsplan wird auch angestrebt, weitere Fortschritte in Richtung einer größeren Geschlechterparität in den nationalen Klimadelegationen zu fördern.

Der Talanoa-Dialog

Das Pariser Abkommen und seine Entscheidungen gaben der COP das Mandat, zu einem „unterstützenden Dialog“ (Facilitative Dialogue) zusammenzukommen, einem Testlauf für die „weltweite Bestandsaufnahme“ („Global Stocktake“), die jedes Land ab 2023 alle fünf Jahre durchführen wird, um ihre national festgelegten Beiträge (NDCs) zu bewerten und zu erhöhen, und die auch als Messinstrument für die weltweiten Fortschritte bei der Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens dienen soll.

Der unterstützende Dialog wurde von den Fidschi-Inseln in „Talanoa-Dialog“ umbenannt, ein Konzept, das sich aus den Worten „tala“ (für „sprechen“ oder „Geschichten erzählen“) und „noa“ („null“ oder „ohne etwas zu verheimlichen“) ableitet und gemeinsam von den Fidschi-Inseln und der COP-22-Präsidentschaft Marokkos erarbeitet wurde. Im Januar 2018 wurde der Dialog unter der Führung von Fidschi und der COP-24-Präsidentschaft Polens in Gang gesetzt. Die Vorbereitungsphase wurde anhand von drei Leitfragen strukturiert: „Wo stehen wir?“, „Wo wollen wir hin“ und „Wie kommen wir dorthin“. Bis zum 2. April wurden 220 Beiträge auf die Online-Plattform hochgeladen, die meisten davon von nichtstaatlichen Akteuren. Am 23. April wurde eine Übersicht der Beiträge und am 19. November eine Synthese der Vorbereitungsphase veröffentlicht. Eine abschließende Zusammenfassung der Vorbereitungsphase wird am 6. Dezember präsentiert.

Die aus der Vorbereitungsphase gewonnen Informationen und Erkenntnisse werden den Präsidentschaften dabei helfen, die politische Phase vorzubereiten, die für den 11. Dezember geplant ist. Dort werden hochrangige Vertreter/innen und Minister/innen eine Bestandsaufnahme der gemeinsamen Anstrengungen der Vertragsstaaten machen und sich zu Diskussionen an runden Tischen oder bi-lateralen Gesprächen zusammenfinden. Die Präsidentschaften werden beim Abschlusstreffen der politischen Phase am 12. Dezember eine Zusammenfassung der wichtigsten Botschaften präsentieren.

Das mögliche Ergebnis des Talanoa-Dialogs war Thema auf dem Vorbereitungstreffen der COP 24 in Kraków am 23. und 24. Oktober. Im zusammenfassenden Bericht des Treffens werden zwar mehrere mögliche Ergebnisse genannt, aber letztlich heißt es doch:

Die große Mehrheit der Vertragsstaaten äußerte nicht den Wunsch, ein Ergebnis zu verhandeln, sodass die Verhandelnden in Katowice sich auf das Arbeitsprogramm konzentrieren können. Die Idee, dass die Erklärung, Stellungnahme oder der Bericht der Präsidentschaften zu einer Cop-Entscheidung einen zusätzlichen Absatz über TD [den Talanoa-Dialog] enthält, fand jedoch großen Anklang.

Das wäre ein kümmerliches Ergebnis für einen Prozess, an den so große Erwartungen geknüpft waren.

Teil 3:  Erwartungen Polens

Polnische Präsidentschaft – Prioritäten für die COP 24

Präsident der COP 24 ist Michał Kurtyka, Staatssekretär im polnischen Umweltministerium. Allgemein genießt er sowohl in Polen als auch in internationalen Kreisen einen guten Ruf. In der polnischen Regierung bestehen jedoch, wie in vielen anderen Regierungen auch, Spannungen zwischen Wirtschaft und Ökologie. Insbesondere das polnische Energieministerium, das Polens Souveränität bei der Entscheidung über seinen Energiemix unterstreicht und die Rolle von Technologien hervorhebt, die eine Nutzung fossiler Brennstoffe in einer effektiven und klimaverträglichen Art erlauben, könnte die ehrgeizige Agenda von Kurtyka in Katowice blockieren.

Beim Vorbereitungstreffen in Kraków forderte Kurtyka ehrgeizigere Klimaziele und die Fertigstellung des Arbeitsprogramms mit den Umsetzungsregeln. Dabei äußerte er, dass der kürzlich veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarats über die Erderwärmung von 1,5 °C (siehe die Analyse unten) als Impulsgeber für eine Erhöhung der Investitionen in grüne Technologien dienen sollte, und forderte einen schnellen Ausstieg aus der Kohle. Der Klimawandel sei eine globale Herausforderung, bei der es keinen Platz für willkürlich gewählte oder nationale politische Strategien gebe.

Kurtyka schließt sich den Verhandlungsvorsitzenden der UNFCCC an, dass es oberste Priorität der COP 24 sein sollte, das Regelbuch zum Übereinkommen von Paris fertigzustellen, was dazu führen könnte, dass aufgrund des Fokus auf den Abschluss des Regelbuchs möglicherweise aus ökologischer Sicht ambitioniertere Ziele auf der Strecke bleiben.

Mehrere Teilnehmende des Vorbereitungstreffens verwiesen auf den kürzlich gestarteten Prozess der Wiederauffüllung des Grünen Klimafonds als Schlüsselelement für den Vertrauensaufbau unter den Vertragsstaaten, insbesondere angesichts des Rückzugs der USA, die ihre finanziellen Zusagen nicht einhalten wollen, und der ständigen Sorgen über seine Agenda.

Polnische Präsidentschaft – Botschaften an die Öffentlichkeit

Die polnische Präsidentschaft hat drei Schlüsselbotschaften festgelegt, die sie im polnischen Zusammenhang der COP 24 für die wichtigsten hält. Sie werden unter den Begriffen „Mensch, Technologie, Natur“ zusammengefasst, was für einen gerechten Strukturwandel, Elektromobilität und Klimaneutralität steht. Dies sind wichtige Themen in der polnischen Energie- und Klimadebatte (insbesondere ein gerechter Strukturwandel und Smog sowie Elektromobilität als mögliche Triebkraft für die wirtschaftliche Entwicklung) und es ist ein positives Zeichen, dass die Regierung diese Themen anspricht. Es stellt sich jedoch die Frage, was – in praktischer, realer Hinsicht – bei diesen Ideen herauskommen wird.

Auf der im August stattfindenden Social COP 24 sagte Kurtyka: „Es ist unsere Aufgabe, einen gerechten und gemeinsamen Strukturwandel zu sichern, der es uns erlaubt, das Klima zu schützen und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung aufrechtzuerhalten und die Arbeitsplätze zu sichern. Entwicklung sollte in ihren wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und Klimadimensionen verantwortlich sein.“ Am 3. Dezember wird der polnische Präsident Andrzej Duda die Präsidenten und Ministerpräsidenten zu einem Gipfel einladen, auf dem es um einen gerechten Strukturwandel gehen soll. Es wird erwartet, dass am Ende ein Dokument mit dem Titel „Schlesische Erklärung zu Solidarität und gerechtem Strukturwandel“ herausgegeben wird, das zu dem Schluss kommt, dass bei der Energiewende auch soziale Erfordernisse berücksichtigt werden müssen, um eine breite Akzeptanz für politische Maßnahmen zu erreichen, die auf eine Emissionsreduzierung abzielen.

Ein weiteres wichtiges Thema für Polen ist das Gleichgewicht zwischen Emissionen und Aufnahme von Treibhausgasen durch natürliche Senken (also z.B. durch Wälder und Böden). Das Land will die Schlüsselrolle von Kohlenstoffsenken zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens herausstellen. Eine vorzeitig an die Öffentlichkeit durchgesickerte Fassung der geplanten „Ministererklärung von Katowice zur Bedeutung von Wäldern für den Klimaschutz“ hat jedoch zu erheblichen Unruhen unter zivilgesellschaftlichen Waldschützer/innen geführt. In der Erklärung heißt es unter anderem, dass es kein Problem sein sollte, durch Senken (Wälder) einen Ausgleich zwischen THG-Emissionen und ihrem Abbau zu schaffen, was schlicht und ergreifend nichts anderes als ein Rezept dafür ist, den fortgesetzten THG-Ausstoß aus fossilen Brennstoffen auszugleichen. Während der COP 24 will Polen mit seinem „Forest Coal Project“ eine Technologie vorstellen, mit der CO2 durch Böden und Wälder gespeichert werden kann.

Elektromobilität ist eine der Säulen von Polens „Verantwortlicher Entwicklungsstrategie“ (ein Paket für sauberen Verkehr). Die Regierung wird zudem auf der COP zusammen mit Großbritannien die „Driving Change Together Partnership on Electromobility“ ins Leben rufen. Dabei sind alle Nationalstaaten, Städte und Nichtregierungsorganisationen eingeladen, sich der Partnerschaft anzuschließen. Außerdem wird jährlich ein Forum über Elektromobilität in Polen organisiert, auf dem rechtliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedingungen für die Entwicklung von sauberem Verkehr gefördert werden sollen.

Auch die Bekämpfung von Smog wird auf der COP 24 Thema sein. In Polen wurde im Juni ein Programm für „Saubere Luft“ initiiert, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern und die Luftverschmutzung zu reduzieren.

Polnische Perspektive – Zivilgesellschaft

Im Vorfeld der COP 24 hat die polnische Zivilgesellschaft mehrere Forderungen aufgestellt: die Nutzung von Kohle als Brennstoffen endgültig auslaufen zu lassen, eine Strategie für einen gerechten Strukturwandel, die in einem breiten sozialen Dialog vorbereitet wird, die Förderung von erneuerbarer Energie und Energiedemokratie, Maßnahmen für eine Erhöhung der Energieeffizienz und eine Verbesserung der Luftqualität sowie eine ehrgeizige Erklärung über die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Die polnische Klimaschutzbewegung hat in den letzten Monaten an Stärke gewonnen und existiert im Grunde erst seit Kurzem. Versuche, eine solche Bewegung ins Leben zu rufen, hatte es bereits während der beiden vorhergehenden COPs in Polen gegeben (der COP 14 von 2008 in Posen und der COP 19 von 2013 in Warschau). Allerdings verschwanden die Bewegungen danach wieder. Im Juli nahmen 400 Leute (eine große Zahl für polnische Verhältnisse) aus vielen verschiedenen Basisbewegungen am ersten polnischen Klimacamp teil. Es haben sich auch zahlreiche katholische Klimaschutzinitiativen gebildet, ein möglicherweise wichtiger Schritt für eine Sensibilisierung für den Klimawandel in einer Gesellschaft, in der die katholische Kirche dominant und einflussreich ist.

Die polnische Zivilgesellschaft hat an ihren Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki appelliert, den Erfolg der COP 24 sicherzustellen und die Zivilgesellschaft als starke Partnerin in den COP-24-Prozess einzubinden, wie es im September während der Verhandlungen in Bangkok versprochen wurde. Die Zivilgesellschaft äußerte Kritik an dem (im Januar verabschiedeten) Sondergesetz zur COP 24, das der Polizei zusätzliche Befugnisse erteilt, persönliche Informationen über COP-Teilnehmende zu sammeln, und für die gesamten zwei Wochen spontane Demonstrationen in Katowice verbietet. Keine der polnischen Parteien hatte sich gegen das Gesetz ausgesprochen und auch die polnischen NROs stören sich weniger daran als internationale NROs (da dies die typischen Regelungen sind, die für den Zeitraum großer internationaler Veranstaltungen eingeführt werden, nicht nur in Polen). Der internationale Marsch für Klimaschutz am 8. Dezember im Zentrum von Katowice wurde von den Behörden genehmigt.

Den NROs wird auf der COP 24 viel Raum gegeben, der von ihnen und für sie geschaffen wurde. Dabei werden sehr verschiedene Interessenvertreter/innen beteiligt sein und es wird eine sehr viel stärkere Koordination geben als während der vorhergehenden polnischen COPs, beispielsweise am Greenpeace Climate Hub. Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass Katowice sehr viel kleiner ist als Warschau, und obwohl die Stadt kaum Erfahrungen mit großen internationalen Zusammenkünften hat, will sie die COP 24 nutzen, um Menschen in die Klimadebatte zu involvieren, unter anderem in einem am Marktplatz aufgestellten Pavillon.

Teil 4: Welche Auswirkung hat der Sonderbericht des Weltklimarats über die Erderwärmung um 1,5 Grad auf die COP 24?

Bei ihrer Entscheidung, das Pariser Abkommen anzunehmen, beauftragte die UNFCCC den Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), das Organ, das den Klimawandel aus wissenschaftlicher Warte untersucht, im Jahr 2018 einen Sonderbericht über die Folgen einer Erderwärmung von 1,5 ° über dem vorindustriellen Niveau zu erstellen.

Der am 8. Oktober veröffentlichte Bericht Special Report on Global Warming of 1.5°C ist eindeutig einer der wichtigsten wissenschaftlichen Bewertungen, die im Laufe der 30-jährigen Geschichte dieser Institution durchgeführt wurden. Seine Hauptaussagen sind überraschend deutlich und entschieden: Mit drastischen Reduzierungen der Emissionen, die auch transformative Pfade sowie den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen einschließen, ist eine Begrenzung auf einen Temperaturanstieg von 1,5 °C machbar. Und: 1,5 Grad sind absolut notwendig, um die Auswirkungen des Klimawandels und die damit einhergehenden Risiken für Menschen und Ökosysteme zu begrenzen.

Der auf aktuellster Forschung beruhende Bericht weist aber auch nach, dass sich die Erde bereits um etwa 1,0°C (+/- 0,2°C) erwärmt hat und dass die Auswirkungen des dadurch verursachten Klimawandels in vielen Regionen auch jetzt schon spürbar sind. Eine globale Erwärmung von 1,5 °Grad ist somit für Millionen Menschen in aller Welt eine mehr als reale Gefahr, die umfassende Anpassungsmaßnahmen und finanzielle wie technologische Unterstützung vonseiten derjenigen benötigt, die historisch für den Klimawandel verantwortlich sind.

Aufgrund all dieser großen und teilweise irreversiblen Risiken bei einer Erderwärmung von 1,5 °C oder mehr entscheidet sich der Bericht für eine strikte Auslegung des 1,5-Grad-Ziels und konzentriert sich auf die Szenarien, die zu keinem oder maximal einem sehr geringen „Overshoot“ (Erwärmung um mehr als 1,5 °Grad) führen. Dazu werden im Bericht drastische Emissionsreduzierungen gefordert: Die globalen CO2-Emissionen müssen bis 2030 um rund 45% sinken (gegenüber dem Niveau von 2010) und um 2050 bei Null liegen.

Wie aber sind diese Emissionsreduzierungen dem Weltklimarat zufolge zu erreichen? Durch einen schnellen und umfassenden Ausstieg aus der fossilen Energie, einer schnelleren Elektrifizierung, durch niedrigeren Energieverbrauch, veränderte Konsum- und Ernährungsmuster und den Schutz und die Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme.

Die eine Woche nach dem Bericht des Weltklimarats erschienene Publikation „Missing Pathways to 1.5oC: The role of the land sector in ambitious climate action“ der Climate, Land, Ambition & Rights Alliance (CLARA) macht deutlich, dass eine ehrgeizigere Klimapolitik mit dem Schutz von Landrechten, der Wiederherstellung von Waldökosystemen und nachhaltigeren Ernährungssystemen dazu beitragen kann, die Erderwärmung auf 1,5 °C einzugrenzen, indem die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 jährlich um 23 Gigatonnen reduziert werden. Damit wären Geoengineering-Technologien komplett überflüssig.

In der von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Publikation „Radical Realism for Climate Justice. A civil society response to the challenge of limiting global warming to 1.5°C werden die Kenntnisse und Erfahrungen einer ganzen Reihe internationaler Gruppen, Netzwerke und Wissenschaftler/innen zusammengestellt, mit denen die Heinrich-Böll-Stiftung in den vergangenen Jahren zusammenarbeitete und die in ihrer politischen Arbeit, Forschung und Praxis einen radikalen, sozialen und auf Umweltgerechtigkeit basierenden Ansatz verfolgten, um einen politischen Wandel quer über verschiedene Sektoren zu bewirken, mit dem die Erderwärmung auf 1,5°°C zu begrenzen ist.

Die politischen Botschaften, die aus dem Bericht des Weltklimarats und diesen zivilgesellschaftlichen Berichten sind genau das, was die Welt hören muss: dass es möglich ist, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, und dass dies absolut notwendig ist, um die Auswirkungen der Klimakrise einzudämmen. Im Wesentlichen ersetzt das 1,5 Grad-Ziel das vorhergehend 2-Grad-Ziel, aber dazu bedarf es schneller und entschiedener Maßnahmen zum Klimaschutz sowie drastische Emissionsreduzierungen

Werden die Delegierten der COP 24 die Botschaften vernehmen und ihre Aktionen beschleunigen, um das Regelbuch zum Abschluss zu bringen, damit die Länder ihre national festgelegten Beiträge umsetzen und vielleicht sogar erhöhen können? Wird die Dringlichkeit des Berichts des Weltklimarats den Ehrgeiz steigern, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Bereitstellung von Finanzhilfen erhöhen? Wird die Welt endlich verstehen, dass es viel zu riskant ist und unsicher ist, auf die noch gar nicht existierenden Geoengineering-Technologien zu setzen, mit denen man nach einem Temperatur-„Overshoot“ auf 1,5 ° zurückkehren will.

Das wollen wir hoffen, denn es gibt keinen offiziellen Prozess, mit dem der Bericht des Weltklimarats in die UNFCCC einfließen kann. Abgesehen von einer dreistündigen „Sonderveranstaltung“, die am 4. Dezember gemeinsam vom Weltklimarat und einem UNFCCC-Nebenorgan organisiert wird. Die einzige andere Möglichkeit wäre, den Bericht in den Talanoa-Dialog einfließen zu lassen. Aber wie unsere obige Analyse nahelegt, ist vom Talanoa-Dialog auf der COP 24 nichts weiter zu erwarten als eine Erklärung, eine Stellungnahme oder ein Bericht der COP-Präsidentschaft und, vielleicht, ein Absatz in einer COP-Entscheidung.

Teil 5: Was ist das wahrscheinliche Ergebnis der COP 24?

Vor fast drei Jahren verpflichteten sich 196 Nationen dazu, über die Bestandteile des Arbeitsprogramms des Pariser Klimaabkommens zu verhandeln und bis zur COP 24 ein vollständiges Regelbuch zu erstellen. Alle stellten sich dies als einen komplexen und zeitaufwändigen Prozess vor, weshalb viel Zeit eingeplant wurde. Aber auch diese Zeit ist nun mit vielen Ausflüchten vergangen.

Einige Länder versuchen, das Pariser Abkommen neu zu verhandeln, und greifen immer wieder auf verschiedenste Verzögerungstaktiken zurück, um Entscheidungen über wichtige, seit Langem bestehende und offensichtliche politische Fragen zu vermeiden. Das ist inakzeptabel. Die Zivilgesellschaft wird in Katowice und rund um die Welt eine vereinte Front bilden, um die Nationen der Welt dazu zu bringen, ihre Verpflichtungen einzuhalten und ihre Klimaziele zu erhöhen, was dringend notwendig ist, wie es der Sonderbericht des Weltklimarats über die Erderwärmung um 1,5 °C nachdrücklich unterstrich.

Die Klimadiplomatie bewegt sich langsam und im Kreis. Da die Diplomatinnen und Diplomaten offensichtlich nicht in der Lage sind, die nötigen Fortschritte zu machen, wird immer deutlicher, dass diese Aufgabe von ganz gewöhnlichen Bürger/innen dieser Welt übernommen werden muss – beispielsweise mittels Klagen vor Gericht. Zwei laufende Verfahren lassen hier hoffen:

In den Niederlanden bestätigten das Berufungsgericht von Den Haag am 9. Oktober das Urteil vom 24. Juni im Fall Urgenda gegen die Niederlande, einer Klage der Urgenda-Stiftung und 866 niederländischen Bürger/innen gegen die niederländische Regierung. Das Berufungsgericht bekräftigte das Urteil aus erster Instanz, dass die Regierung die Emissionen bis 2020 um mindestens 25 Prozent gegenüber 1990 reduzieren müsse und dass eine geringere Reduktion ein Verstoß gegen die durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützten Rechte der niederländischen Bevölkerung wäre. Es ist die erste Klage, die jemals von Bürger/innen gegen ihre Regierung erhoben wurde, um diese für den Klimawandel zur Rechenschaft zu ziehen. Am 16. November verkündete die niederländische Regierung, auch gegen dieses Urteil Berufung einlegen zu wollen. Damit haben die Niederlande, die sich oft selbst als Vorreiter des Klimaschutzes rühmen, eine Gelegenheit verpasst, dies unter Beweis zu stellen.

Im Fall der landwirtschaftlichen Familienbetriebe und Greenpeace Deutschland klagen drei Familien und die Umweltorganisation gegen die Bundesregierung, weil es ihr nicht gelang, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Seit 2007 verspricht die Bundesregierung, die THG-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Ausstoß von 1990 zu reduzieren, aber nach eigenen Berechnungen des Umweltministeriums wird dieses Ziel wohl verfehlt. Die drei Familien, alle Biobauern, machen geltend, dass sie bereits von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. In der Klageschrift wird dies als unzulässiger Eingriff Deutschlands in die Grundrechte der Familie gewertet, die ihnen durch das deutsche Grundgesetz gewährt werden: Schutz von Leben und Gesundheit, Eigentumsschutz und Berufsfreiheit. Es ist die erste Klimaklage, die sich auf den Sonderbericht des Weltklimarats über die Erderwärmung um 1,5 °C bezieht.

Es besteht die Gefahr, dass das Ergebnis der COP 24 nicht Schritt hält mit weiterreichenden Entwicklungen. In der Welt des Klimaschutzes passiert viel: Wissenschaftler/innen, Bürger/innen und allen voran kleine Entwicklungsländer drängen immer stärker auf das 1,5-Grad-Ziel. Aber die UN-Gespräche zum Klimawandel schleppen sich dahin mit einem ausgeprägten Weiter wie bisher, da die Verhandelnden häufig nicht in der Lage oder, wie es scheint, nicht willens sind, die technische Arbeit voranzutreiben, womit sie viel Zeit verschwenden, die für wichtige Diskussionen über die Erhöhung der Ambitionen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels gebraucht wird. Ab 2019 bis 2020 sollten die Länder ihre national festgelegten Beiträge aktualisieren. Wenn sich herausstellen sollte, dass dies reine Lippenbekenntnisse sind oder aufgrund der Kompromisslosigkeit der USA und anderer großer Emittenten weniger ehrgeizig ausfallen, werden radikalere Strategien zur Norm werden – und diese Strategien könnten in viele Richtungen zeigen, sowohl in gute als auch in schlechte.

[1] Diese Organe sind die Ad-hoc-Arbeitsgruppe zum Übereinkommen von Paris (APA), das Nebenorgan für die Durchführung des Übereinkommens (Subsidiary Body for Implementation, SBI) und das Nebenorgan für wissenschaftliche und technische Beratung (Subsidiary Body for Scientific and Technical Advice, SBSTA.

Ein besonderer Dank für Input und Feedback zu dieser Analyse geht an Katarzyna Ugryn, Liane Schalatek, Linda Schneider, Lili Fuhr und Hans Verolme.

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