UNEA-4 zu Plastik: Fast alle Länder (aber nicht die USA) wollen weg von der Wegwerfgesellschaft und ein verbindliches globales Plastikabkommen

Vom 11. bis 15. März tagte im kenianischen Nairobi zum 4. Mal die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA 4). In diesem Jahr befasste sich das höchste Entscheidungsgremium der UN in Umweltfragen unter anderem mit dem Thema Plastik. Was genau ist dabei herausgekommen?

„UNEA fordert weltweite Abkehr von Wegwerfgesellschaft“ – so titelt das deutsche Umweltministerium heute in einer Pressemitteilung. Das ist eine optimistische Sichtweise auf das Thema. Denn diese Position ist in Nairobi auf massiven Widerstand – vor allem der USA – gestoßen.

„Partikularinteressen bremsen internationale Bemühungen gegen die Plastikverschmutzung“ – so fasst es die Break Free From Plastic Bewegung zusammen, ein zivilgesellschaftliches Netzwerk, in dem wir auch als Heinrich-Böll-Stiftung mitarbeiten.

Was ist die UNEA?

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environment), gegründet 1972, ist ein Unterorgan der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA). Im Nachgang des Rio+20-Gipfels 2012 wurde der Verwaltungsrat (Governing Council) aufgewertet und hat nun die universelle Mitgliedschaft aller UN-Mitgliedstaaten. Außerdem wurde das Entscheidungsgremium umbenannt in UN-Umweltversammlung (UN Environment Assembly, UNEA).

Die erste UNEA fand im Juni 2014, die zweite im Mai 2016 und die dritte im Dezember 2017 statt – jeweils in Nairobi, dem Sitz von UN Environment. Die behandelten Themen reichten von Luftreinhaltung über die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Biodiversitäts-Abkommen, die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik, bis hin zu Chemikalien in der Umwelt und Plastikmüll im Meer. So wurden viele wichtige Themen der internationalen Umweltpolitik behandelt und in Resolutionen gegossen.

Was die UNEA zu einem attraktiven Ort für die internationale Umweltbewegung macht, ist die Tatsache, dass die Umweltversammlung den Startschuss für Verhandlungen über völkerrechtlich verbindliche Abkommen erteilen kann und bestimmte Themen zur Debatte und Entscheidung in die Generalversammlung der Vereinten Nationen einspeisen kann. Beides sind Wege, identifizierte Lücken und Schwachstellen in der Regulierung von Umweltproblemen zu schließen.

Bei der UNEA-4 hätten die Mitgliedstaaten des UN-Umweltprogramms Maßnahmen gegen die stetige wachsende Plastikmüll-Krise beschließen sollen, die unsere Gewässer, Ökosysteme und Gesundheit bedroht. Doch sie ließen diese Chance ungenützt. Den Staatenvertretern bei der UNEA-4 lagen mehrere Resolutionsentwürfe vor, wie die internationalen Anstrengungen gegen die Plastikverschmutzung gesteigert werden könnten:

Der erste, von Norwegen, Japan und Sri Lanka eingebrachte Vorschlag zielte darauf ab, die internationale Zusammenarbeit und Koordinierung gegen die Verschmutzung der Meere mit Makro- und Mikroplastik zu stärken. Unter anderem sollte die Möglichkeit eines neuen, international verbindlichen Abkommens in Erwägung gezogen werden. Der zweite Vorschlag seitens Indiens wollte das weltweite Ende des Einwegplastiks auf den Weg bringen.

Trotz der übereinstimmenden Ansicht der Mehrheit der Staaten, dass ambitionierte, weltweite Maßnahmen dringend erforderlich sind, die von der Produktion über die Nutzung bis zur Entsorgung von Plastik reichen, gelang es einer kleinen, von den USA angeführten Minderheit, stringente Texte zu blockieren und die Verhandlungen zu verzögern.

Mit einer starken Industrielobby im Rücken, die auf mehr als 200 Milliarden Dollar an Investitionen in petrochemische Komplexe für eine massive Steigerung der Plastikproduktion verwies, vereitelten die USA jeden Fortschritt und verwässerten die Resolutionen. Von vielen Ländern, darunter jenen, die am stärksten unter der Plastikverschmutzung leiden, wie die pazifischen Inselstaaten, die Philippinen, Malaysia und Senegal, wurde dies heftig kritisiert.

Handlungsorientierte Mitgliedstaaten konnten aber zumindest die Grundelemente retten, auf denen zukünftige Maßnahmen aufbauen können und die auf der gemeinsamen Vision beruhen, welche die überwältigende Mehrheit der Staaten in den Diskussionen entwickelt hatte.

Das wichtigste ist dabei die Mandatsverlängerung für die Expertenarbeitsgruppe, die durch die UNEA-3 eingerichtet worden war. Zu diesem Mandat zählt die Prüfung technischer und finanzieller Möglichkeiten und ein Bericht über Handlungsoptionen an die UNEA-5 im Februar 2021. Mit dieser Mandatsverlängerung bleibt das Plastikthema zumindest auf der internationalen Agenda und Vorarbeiten für ein künftiges verbindliches Abkommen können weitergehen.

Schön zu hören war heute, dass sich Deutschland – so jedenfalls Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth gegenüber dem WWF – für eine internationale, verbindliche Konvention einsetzen wird. Das sah vor wenigen Wochen noch nicht so aus.

Und so steht wie bei vielen anderen Themen der UNEA auch (siehe z.B. Geoengineering Governance) mal wieder die USA (und einige wenige übliche oder auch unübliche Verbündete) gegen den Rest der Welt. Aber je sichtbarer und spürbarer sich die Plastikverschmutzung als globale Gesundheitskrise und als dringendes Umweltproblem in das öffentliche Bewusstsein brennt, desto weniger wird es einigen wenigen Regierungen gelingen, die Interessen der petrochemischen Industrie und anderer Großkonzerne vor die Interesse der Verbraucher/innen und Bürger/innen zu stellen.


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