Die CO2-Emissionen haben mal wieder ein neues historisches Hoch erreicht. Die Internationale Energieagentur (IEA) stellt fest: Aufgrund einer wachsenden Energienachfrage, stiegen die globalen Emissionen aus dem Energiesektor 2018 um 1,7 % auf 33,1 Gt CO2.
Doch diesmal kann man zum Glück sagen: das Thema stößt auf Interesse. Und es regt sich Widerstand!
Am 15. März fanden unter dem Motto #FridaysForFuture weltweit in 98 Ländern und an 1325 Orten Demonstrationen für mehr Klimaschutz statt. Allein in Deutschland waren es ca. 300.000 Menschen in mehr als 230 Städten.
Über die neue Bewegung ist viel geschrieben und gesagt worden – vor allem wird ihr viel unterstellt. Denn so richtig genau hingeschaut und gefragt hatte bisher noch niemand, wer sich denn da jede Woche versammelt und vernetzt. Wer sind die Teilnehmenden der Fridays for Future Proteste? Welche Anliegen und politisches Interesse haben die Protestierenden? Welche Wege der Rekrutierung und des politischen Engagements nutzen sie? Was sind ihre politischen Einstellungen?
Zusammen mit Protestforscher/innen aus Schweden, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Belgien, Polen, der Schweiz, Österreich und Italien befragten Forscher/innen des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung am 15. MärzProtestierende in Berlin und Bremen.
Die ersten Ergebnisse dieser annähernd repräsentativen Befragung haben sie heute gemeinsam mit der Otto Brenner Stiftung, der Stiftung 100% erneuerbar und der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin vorgestellt.
Zusammenfassend kann man sagen
- Es handelt sich zu einem Großteil um junge Menschen, die sich neu politisieren. Circa 30 % der befragten Schüler/innen geht zum ersten Mal auf eine Demonstration.
- Es sind größtenteils gebildete Personen aus der Mittelschicht, die selber einen hohen Bildungsgrad haben (oder anstreben) oder deren Eltern einen besitzen.
- Der Kontakt mit Freund/&innen ist ein wichtiger Weg der Mobilisierung.
- Eine deutliche Mehrheit verortet sich im linken Spektrum, die Grünen bieten die stärkste Identifikation. Aber gut 40 % haben auch keine Parteipräferenz.
- Der Protest wird als eine Art von politischer Selbstermächtigung verstanden. Zwar wird der Politik und den Unternehmen wenig Lösungskompetenz zugesprochen (da sehen die Jugendlichen viel mehr Handlungsspielräume und Möglichkeiten bei ihren eigenen Lebens- und Konsumstilen – Flugreisen, Energie- und Fleischkonsum etc.), fordern aber mit ihren Protesten ja genau die Politik auf, wieder Handlungskompetenz zu erlangen.
Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, macht noch einmal klar:
„Aus unserer Sicht haben auch und gerade Schüler und Schülerinnen jedes Recht der Welt, von ihren Grundrechten Gebrauch zu machen. Sie können ihr Demonstrations- und Streikrecht dazu nutzen, für ihre Zukunft auf die Straße zu gehen. Wir unterstützen gesellschaftspolitisches Engagement und die demokratische Willensbildung. Solche Demonstrationen sind eine wichtige ‚Schule der Demokratie‘ für die Jugendlichen. Aus der Befragung geht hervor, dass die Jugendlichen zwar sehr gut über den Klimawandel und die Ursachen der Krise informiert sind, aber trotzdem optimistisch in die Zukunft blicken. Diesen Zukunftsoptimismus und Wunsch nach Handeln darf die Politik nicht enttäuschen.“
Schade, dass sich die Debatte in den deutschen Medien bisher sehr stark auf die Frage nach „Streiken“ vs. „Schule schwänzen“ konzentriert hat. Mit der Vorstellung der heutigen Ergebnisse können wir uns hoffentlich endlich auf das Wesentliche konzentrieren, das die jungen Menschen zu Recht und lautstark einfordern – politische Lösungen.
Knapp 58 % der Befragten waren übrigens weiblich. Und über 50 % zwischen 14 und 19 Jahre alt (unter 14-Jährige dürfen in Deutschland nicht befragt werden bei solchen Untersuchungen).
Für diese junge weibliche Bewegung ist eine klare Vorbildrolle von Greta Thunberg (die am kommenden Freitag auch in Berlin dabei sein wird!) feststellbar:
Unterstützung bekommt #FridaysForFuture inzwischen nicht nur von den #ParentsforFuture, sondern auch auch von Hunderten von Wissenschaftler/innen. Scientists for Future schreiben in ihrer Stellungnahme:
„Zurzeit demonstrieren regelmäßig viele junge Menschen für Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären wir auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diese Anliegen sind berechtigt und gut begründet. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus. […] Die jungen Menschen fordern zu Recht, dass sich unsere Gesellschaft ohne weiteres Zögern auf Nachhaltigkeit ausrichtet. Ohne tiefgreifenden und konsequenten Wandel ist ihre Zukunft in Gefahr.“
Und auf die Frage, warum sie zum Protest gegangen sind, haben die jungen Menschen auch eine klare Antwort: