Mit alten Logiken zu neuen Technologien: Wie ÖkomodernistInnen den Klimawandel durch Geoengineering lösen wollen

Die Gruppe der ÖkomodernistInnen betreibt starkes Lobbying in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, um Geoengineering salonfähig zu machen. Ihr Versuch den Diskurs in eine Richtung zu lenken in der das Konzept schleichend in den Alltag einzieht scheint zu Teilen erfolgreich. Jedoch baut die Argumentation von ÖkomodernistInnen auf alte Prämissen auf, die es zu hinterfragen gilt. Kann Geoengineering überhaupt also „Lösung“ des Klimawandels diskutiert werden?

Ein Gastbeitrag von Liliana Josek*

Die Welt scheint sich einig zu sein, die ständigen Debatten um den Klimawandel sind anstrengend. Konstant dreht es sich scheinbar um Verzicht, Anstrengung und Misserfolge. Es soll weniger geflogen, Auto gefahren und Fleisch gegessen werden, die Klimaschutz-Ziele für 2020 wird Deutschland nicht erreichen, die USA steigen aus dem Paris Abkommen aus, Bolsonaro droht mit dem Austritt Brasiliens, bei der Diskussion um Tempobeschränkungen auf deutschen Autobahnen wird den Grünen von Lindner vorgeworfen die Autoindustrie zu „kriminalisieren“ und engagierte KlimaschützerInnen wie die 16-jährige Greta Thunberg werden von erwachsenen PolitikerInnen aufs härteste persönlich angegriffen. Für den Klimaschutz sind es keine leichten Zeiten. Deshalb sehnen sich viele Menschen nach einem leichteren Ausweg aus dem Chaos, nach einfacheren Antworten auf dieses komplexe Problem.

Eine verlockende Lösung präsentiert eine Gruppe aus WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, AktivistInnen und UnternehmerInnen: die sogenannten ÖkomodernistInnen. 2015 veröffentlichten sie Ein Ökomodernes Manifest. In dieser Schrift wird eine neue Form des Umweltschutzes gefordert. Kernpunkte sind die Entkoppelung zwischen Mensch und Natur, sowie die herausgehobene Stellung von Industrialisierung, Globalisierung und Modernisierung als unabdingbar im Klima- und Naturschutz. Sie sehen die Lösung aller Probleme in Technologien, nicht in sozialen, ökonomischen oder politischen Veränderungen.  So zeichnet ihr Manifest das Bild eines alternativen, vermeintlich viel einfacheren Weges des Umweltschutzes, der die LeserInnen einlädt ihm zu folgen. Um dem Klimawandel entgegenzutreten besteht dieser Weg aus vorsätzlichen und großräumigen technologischen Eingriffen in das Klimasystem der Erde: Geoengineering.

Alte Prämissen von Natur und Technologie

Die Diskussion rund um Geoengineering hat ein enormes Volumen erreicht, so dass nicht alle Argumente in diesem Beitrag ausführlich diskutiert werden können. Stattdessen wird insbesondere auf zwei zentrale Grundprämissen der ÖkomodernistInnen eingegangen: auf der einen Seite die Beziehung zwischen Mensch und Natur, auf der anderen Seite die herausgehobene Rolle von Technologie.

Mensch-Natur

ÖkomodernistInnen präsentieren zwei Bilder der Natur.

Einerseits wird Natur als verletzlich und verwundbar, mit einer ihr innewohnenden fragilen Schönheit beschrieben. Diese leicht durch den Menschen gestaltbare Natur erhält ihren Wert vor allem durch die ästhetische menschliche Erfahrung, die spirituelle Verbindung und einer gewissen Form von Liebe für diese. Dies entspricht konservatorischen Argumenten für Geoengineering, bei denen von Wiederherstellung des Klimas, Erhaltung, Pflege, Heilung, Schutz und Stabilisierung gesprochen wird. Diese Darstellung spricht die Gefühle gegenüber der Natur an und hebt den fürsorglichen Aspekt des überlegenen Menschen für die schöne, aber schwache, verwundbare Natur hervor.

„Wir schreiben dieses Dokument aus einer tiefen Liebe und emotionalen Verbundenheit mit der natürlichen Welt. Wenn die Menschen die Natur schätzen, erforschen, kultivieren und zu verstehen versuchen, wachsen viele über sich selbst hinaus. Sie stellen eine Verbindung zu ihrer Evolutionsgeschichte her. Selbst wenn die Menschen diese wilde Natur nie selbst erleben, bestätigen sie damit, dass deren Existenz für ihr Wohlbefinden wichtig ist.“ (Asafu-Adjaye et al., 2015, S. 25)

Auf der anderen Seite beschreiben ÖkomodernistInnen die Natur als stark, unabhängig und außerordentlich belastbar. Diese Beschreibung stellt die Natur als etwas Maschinenartiges dar. Aus dieser entwicklungsorientierten Perspektive werden Metaphern vom Beherrschen, Kontrollieren oder Kolonisieren verwendet. ÖkomodernistInnen verstehen die Natur als etwas, das wie eine Maschine geformt und optimiert werden kann, mit dem Ziel die Abhängigkeit des Menschen von der Natur zu reduzieren. Dies spricht den Machtaspekt zwischen Mensch und Natur an und distanziert sich von allen emotionalen Verbindungen zur Natur.

Obwohl die beiden Bilder von Natur widersprüchlich erscheinen, sind beide Argumentationslinien für ÖkomodernistInnen und ihre UnterstützerInnen sehr nützlich, da sie diese je nach Kontext wählen können. Die Konsequenz beider Argumentationen bleibt jedoch immer gleich: Die Menschheit muss die Erde formen und manipulieren. Dies wird je nachdem gestützt durch das Bild der verwundbaren Natur, deren Schönheit von den überlegenen Menschen geschützt und gepflegt werden muss, oder durch das zweite Bild einer starken, maschinenähnlichen Natur, die manipuliert werden sollte.

Technologie

Ein Ökomodernes Manifest ist ein starkes Beispiel für eine Gruppe mit einer technophilen, techno-optimistischen Vision, die einem etablierten gesellschaftlichen Trend folgt. Die Begriffe „Technologie(n)“ und „technologisch“ werden auf den 32 Seiten des Manifests 57-mal verwendet. Der tief verwurzelte Glaube an die Technologie wird sichtbar, wenn Technologie als natürlich und heilig, als immer schon zur Natur gehöriger Teil, beschrieben wird. Menschenkraft, Technologie und Modernisierung sollten angenommen werden, um eine bessere Zukunft zu schaffen. Diese Zukunft, so die ÖkomodernistInnen, sollte von Technologie geprägt sein. Nordhaus und Shellenberger, beides ÖkomodernistInnen, zitieren in „Love Your Monsters“ den Erfinder der modernen indischen Verfassung, Babasaheb Ambedkar, um ihre technologische Vorliebe zu zeigen: „The slogan of a democratic society must be machinery and more machinery, civilization and more civilization“ (Ambedkar, 1977, p. 295).

Deshalb sprechen ÖkomodernistInnen von einer Beziehung zwischen Mensch und Natur, die klar getrennt werden sollte und so die menschliche Entwicklung und deren Auswirkungen von der Umwelt entkoppelt. Dies würde, laut ÖkomodernistInnen, zu verstärkten menschlichen Aktivitäten in kleinen Teilen der Erde führen – insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Energiegewinnung, Forstwirtschaft und Besiedlung -, während große Teile des Planeten der wilden Natur überlassen würden. Angestrebt wird eine blühende technische Zivilisation der Menschheit in synthetischen Welten. Zu Grunde liegt die Annahme, dass technologische Innovationen zu florierenden Volkswirtschaften führen.

Zentrale Argumente für Geoengineering der ÖkomodernistInnen

Das Konzept, den Planeten zu gestalten, einen „planetarischen Garten“ auf der Erde zu kultivieren, ist schon sehr alt. Francis Bacon hatte es in seiner Vision einer technologischen Utopie aus dem 17. Jahrhundert erstmals angesprochen. Diese Idee löste im 19. Jahrhundert in einer Gruppe amerikanischer Siedler den Glauben an Technologie als ein Geschenk Gottes aus, um die „Neue Welt“ in einen Garten Eden zu verwandeln. Die Vision, einen zweiten Garten Eden auf der Erde zu schaffen, kann als erster Schritt in Richtung eines vorsätzlichen großflächigen Eingriffs in die Erdsysteme angesehen werden: Geoengineering. ÖkomodernistInnen teilen diese Vision, dass Menschen ihren idealen Planeten Erde schaffen sollten, indem sie Technologie für die Identifizierung und Lösung von Problemen verwenden. Ihre vier zentralen Argumente orientieren sich an Schadensminimierung, Gleichheit, einfacher Implementierung und dem Mangel an Alternativen. Sie gilt es jedoch stark zu hinterfragen.

I

Es wird argumentiert, dass Geoengineering dem Prinzip der Schadensminimierung entspricht. Der Klimawandel schädigt die Weltbevölkerung bereits, Geoengineering reduziert diese Auswirkungen. David Keith, ein prominenter Ökomodernist, schlägt deshalb Sulphur Aerosol Injections vor, die Temperatur- und Niederschlagsveränderungen reduzieren, das Abschmelzen des arktischen Meereises stoppen und Ernteverluste verringern sollen.

Kritik:

Diese Position berücksichtig nicht die schädlichen Umweltauswirkungen. Carbon Dioxide Removal (CDR) Technologien haben gravierende negative Auswirkungen auf Land, Wasser, Biodiversität und Ernährungssicherheit. Andere Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid, wie Carbon Capture and Storage (CCS) und Bioenergie mit Carbon Capture and Storage (BECCS), verewigen die Branche fossiler Brennstoffe, verstärken die Auswirkungen vom Plantagenbau und zerstören Land für die Nahrungsmittelproduktion. Solar Radiation Management (SRM) erhöht voraussichtlich die Schädigung der Ozonschicht und Luftverschmutzung durch das Absinken der Sulfat Partikel in die untere Atmosphäre. Auch saurer Regen könnte eine mögliche Folge sein.

Teil der Umweltauswirkungen sind regionale Unterschiede. Alle Geoengineering-Technologien versuchen die globale Temperatur zu regulieren, als sei der Planet ein Raum mit veränderbarer Temperatur. Stattdessen ist das Klima miteinander verbunden, so dass es fast unmöglich ist, alle Faktoren zu berücksichtigen. Planetare Wärmeströme, regionale Klimasysteme und viele weitere Faktoren machen es zu einem Problem der mehrdimensionalen Steuerung. Der Versuch, die globale Temperatur zu stabilisieren, um eine weitere globale Erwärmung zu vermeiden, wird das regionale Klima in verschiedenen Teilen der Welt destabilisieren. Zu diesen regionalen Unterschieden gehören Änderungen in Niederschlag, Wind und Wärme, insbesondere in den Tropen und Subtropen. Dies wird in ganzen Regionen Dürre und rapide Temperaturanstiege hervorrufen.

II

Geoengineering wird aus Gründen der Gleichheit gefordert. Arme Menschen werden durch ihre hohe Vulnerabilität und der schon heute ungünstigen klimatischen Lage vom Klimawandel am meisten betroffen sein. Sie hätten daher am meisten durch Geoengineering zu gewinnen, so ÖkomodernistInnen. Sie nehmen zudem an, dass solares Geoengineering äquatoriale Regionen viel stärker kühlen würde als die Pole.

Kritik:

Tatsächlich könnte Geoengineering die globale, sowie intergenerationale Ungleichheit stark erhöhen. In Zeiten der Globalisierung und bereits hoher Ungleichheit könnte Geoengineering antidemokratisch durch einzelne Nationen, Unternehmen und Einzelpersonen mit ausreichend Budget eingesetzt werde, ohne dass jemand für die unbeabsichtigten Nebenwirkungen zur Verantwortung gezogen werden könnte. Dies können Akteure sein, die bisher jegliche Verantwortung ihrer klimaschädlichen Handlungen abgewehrt oder gar den Klimawandel angezweifelt haben. Es darf nicht angenommen werden, dass sie nun die Interessen von schutzbedürftigeren Staaten oder Völkern im Auge haben könnten. Stattdessen würde Geoengineering besonders arme Regionen in Afrika und Asien treffen, den Monsun stören und Dürren verstärken. Nahrungsmittel- und Wasserquellen für zwei Milliarden Menschen könnten gefährdet sein.

III

ÖkomodernistInnen argumentieren, dass Geoengineering-Technologien leicht implementiert werden können und daher eine komfortable technologische Lösung für den Klimawandel darstellen. Für nur wenige Milliarden Dollar im Jahr könnte die globale Erwärmung gelöst werden.

Kritik:

Geoengineering-Technologien sind bisher in ihrer Funktion, sowie wegen der erheblichen Risiken und Unsicherheiten stark zu bezweifeln. Sobald sie implementiert sind, lösen sie eine Reaktionsspirale aus, die einen Lock-In-Effekt erzeugt. Daher ist es nahezu unmöglich, die Technologie nach der Implementierung wieder aufzugeben.

IV

Eines der größten Argumente von ÖkomodernistInnen für Geoengineering ist der angebliche Mangel an Alternativen. ÖkomodernistInnen geben vor, dass sie andere Lösungen bevorzugen würden. Da jedoch weder Diplomatie noch Verhaltensänderungen zu ausreichenden Ergebnissen führten, wird Geoengineering als Plan B zur Regulierung des Klimas vorgestellt. ÖkomodernistInnen stellen dieses Problem dar, als sei der Planet an Krebs erkrankt (Klimawandel), und die einzig mögliche Heilung sei eine Chemotherapie (Geoengineering). Natürlich ist dies keine angenehme Behandlung, der Patient leidet darunter (unbeabsichtigte Nebenwirkungen), aber am Ende wird er heilen.

Kritik:

Diese Beschreibung des Geoengineerings als einzige Lösung ist stark zu kritisieren. Zunächst führt die Einführung von Geoengineering als praktikable Lösung für den Klimawandel zu einem „Moral Hazard„-Effekt. Die wirtschaftlichen und politischen Anreize zur Kontrolle und Verringerung der Emissionen werden geschwächt. Stattdessen kann Geoengineering von Regierungen und der Industrie für fossile Brennstoffe verwendet werden, um „Zeit zu gewinnen“, den Status Quo fortzusetzen und durch den Verkauf neuer Quellen von Emissionsgutschriften zusätzliche Gewinne zu erzielen. Geoengineering wird daher sogar von KlimawandelleugnerInnen gefördert.

Zweitens gehen vielversprechende Alternativen verloren, wenn man sich auf das Geoengineering als einzige Lösung für den Klimawandel konzentriert. Durch das Öffnen dieser Tür werden möglicherweise alle anderen Türen geschlossen. „Das Ganze“ sollte nicht zum Teil einer Wette gemacht werden. Dies ist jedoch genau die Strategie von ÖkomodernistInnen. Alternativen zum technischen Fortschritt zur Lösung von Umweltproblemen werden nicht diskutiert. Stattdessen wird dies als der einzig mögliche Weg angekündigt. Wenn die gewählte Lösung des Geoengineering nicht funktioniert, bleibt keine Möglichkeit, dem Klimawandel zu begegnen.

Tatsächlich gibt es bereits echte, fundamentale, vorteilhafte und langfristige Herangehensweisen für den Klimawandel mit geringem, bis keinem Risiko. Zu diesem Thema wurden zahlreiche Artikel und Bücher veröffentlicht, wie beispielsweise die Publikation „Radikale Realismen für Klimagerechtigkeit“ der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Veröffentlichung ist in acht Bände unterteilt, die jeweils eine bestimmte Branche, Perspektive oder Herangehensweise darstellen, die einen auf Gerechtigkeit basierenden Weg in Richtung 1,5 ° C Ziel fördern kann. Die dargestellten alternativen Lösungen für den Klimawandel sind schon seit geraumer Zeit Gegenstand der Diskussion. Seit der Einführung des „Easy-Fix“ Geoengineering droht jedoch die Gefahr, dass sie aus dem Blick geraten.

Ökomoderne Grundprämissen gilt es zu hinterfragen

Mensch-Natur

Ökomodernistische Argumente für Geoengineering basierende auf der Annahme einer hierarchischen Beziehung zwischen Mensch und Natur gilt es infrage zu stellen. Der Menschen wird als die höhere Supermacht definiert, die dazu bestimmt ist, die Erde zu formen und ihre eigene Abhängigkeit durch Entkopplung von ihr zu reduzieren. Die Natur ist der passive Empfänger. Sie muss geschützt werden, da sie verletzlich und schön ist. Andererseits muss sie optimiert werden, da sie als starke Maschine angesehen wird.

Dabei könnte der Glaube, dass Menschen die Natur beherrschen sollen, bereits eine fehlerhafte Grundlage für das Verständnis des Klimawandels sein. Wie kann der Mensch ein komplexes System beherrschen, das er nicht vollständig versteht? Gesellschaften sind stets in die sie umgebende Natur eingebettet, sie sind ein Teil der Natur und können sich nicht davon lösen. Deshalb ist eine intakte Natur die entscheidende Grundlage für das Wohlergehen aller Menschen, Gesellschaften und Volkswirtschaften.

Wenn die Mensch-Natur Beziehung auf der Grundprämisse der Herrschaft durch den Menschen basiert, scheint die durch den Menschen gesteuerte und die Natur „unterwerfende“ Geoengineering Technologie das einzige Mittel gegen den Klimawandel zu sein. Indem ÖkomodernistInnen davon ausgehen, dass diese Technologie den Schaden des Klimawandels minimiert, ignorieren sie die allumfassenden potenziellen Umweltschäden und die erwarteten regionalen Unterschiede. Das Wissen ist zu beschränkt, die kurz- und langfristigen Folgen der Einflussnahme auf globale Umweltprozesse sind kaum absehbar. Die angestrebte Entkopplung zwischen Natur und Mensch ist unmöglich, da großflächige technologische Eingriffe für den gesamten Planeten, somit auch den Menschen, große Kosten verursachen.

Technologie

Des Weiteren bauen die Argumente der ÖkomodernistInnen für Geoengineering auf ihrem hohen Glauben an den technologischen Fortschritt auf. Geoengineering ist der Techno-Fix um alle Techno-Fixes zu beenden. ÖkomodernistInnen betrachten die industrielle und technologische Entwicklung nicht als Teil des Problems, sondern als Lösung des Problems. Die zuvor durch die Technik verursachten Probleme werden selten erwähnt. Deshalb gilt der Klimawandel als behandelbarer Nebeneffekt des Modernisierungsprozesses, der durch das vom Menschen induzierte Wachstum selbst gelöst werden kann. Die Menschen sind nicht mehr zu weit gegangen und haben der Erde und damit sich selbst Schaden zugefügt. Stattdessen wird es der Beginn einer großen Ära. Dieser Weg ist praktisch, da er im Vergleich zu sozialen Herangehensweisen keine großen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen verlangt. Die großartige, erschwingliche technische Lösung ermöglicht es uns, sich wie zuvor zu verhalten, Geschäfte wie gewohnt fortzusetzen ohne etwas zu ändern. Die Menschheit wird nicht aufgefordert, ihr Verhalten zu ändern, das umgebende Umweltsystem wird angepasst.

Die Definition von Problemen bestimmt die Herangehensweisen zu ihrer Lösung. Die ökomoderne Position ist unter diesem Aspekt stark zu hinterfragen, da technologische Lösungen häufig Lösungen für Probleme sind, die durch Technologien überhaupt erst entstehen. Sie lösen das Problem möglicherweise nicht und führen zu weiteren unbeabsichtigten negativen Nebenwirkungen. So steht es auch mit Geoengineering. Es werden Symptome eines Problems behandelt, nicht jedoch das Problem selbst. Die zugrunde liegenden Treiber des Klimawandels wie steigender Konsum, Entwaldung, nicht-nachhaltige Landwirtschaft und Infrastruktur würden sich nicht ändern und sich weiterhin auf das Klima auswirken. Anstatt das Klima zu verbessern, könnte Geoengineering die Dinge sogar noch verschlimmern – möglicherweise mit katastrophalen Folgen.

Geoengineering ist mit einer hohen technologischen Unsicherheit behaftet, da viele relevante Faktoren nicht bekannt sind. Wie kann eine Technologie eingesetzt werden, ohne ihre Risiken einschätzen zu können? Es ist davon auszugehen, dass das Verständnis des Planeten als enorm dynamisches und komplexes System sehr begrenzt ist. Das derzeit begrenzte Wissen über das Planetensystem und die Technologie könnte zu gefährlichen Folgen führen. Es ist beispielsweise ungewiss, wie das Klimasystem auf verminderte Sonneneinstrahlung oder bestimmte Treibhausgase reagieren wird.

Durch die Ungewissheit in Bezug auf das Geoengineering sind negative, unbeabsichtigte Nebenwirkungen zu erwarten. Eine echte Anerkennung der unbeabsichtigten Konsequenzen technologischer Entwicklungen fehlt in Ein Ökomodernes Manifest. Stattdessen scheint es eine zentrale ökomodernistische Annahme zu sein, dass unbeabsichtigte Nebenwirkungen durch den Einfallsreichtum der Menschheit insgesamt vermieden werden können. Die Geschichte lehrt uns jedoch anderes. Große Teile der Wissenschaft zu Geoengineering geht von erheblichen unbeabsichtigten Auswirkungen aus, die nationale Grenzen überschreiten werden. Die unbeabsichtigten Nebenwirkungen können durch eine Reihe von Faktoren hervorgerufen werden: unvollständiges Wissen von Ökosystemen, Biodiversität und Klimasystemen, menschliches oder mechanisches Versagen, Finanzierungsunterbrechungen oder Änderungen im politischen Regime, unvorhergesehene Synergie- und Rückkopplungseffekte oder unvorhergesehene Naturereignisse.

Wir alle sind aufgerufen: Handeln, nicht geschehen lassen

Der Diskurs prägt die Art und Weise, wie wir Umweltfragen definieren und ihnen begegnen. In Zeiten, in denen Klimaschutz nur anstrengend, mit Verzicht und Regulierung verbunden zu sein scheint, ist der ökomodernistische Ansatz sehr verlockend. Diese einfache Lösung ist jedoch nur so einfach, da sie viele potentielle Schwierigkeiten und Gefahren nicht berücksichtigt. Zahlreiche Eingriffe in die Natur wurden und werden im Namen des Fortschrittes gerechtfertigt – die Versiegelung großer Landflächen, die Begradigung von Flüssen, die Einführung von Atomenergie, die Monokultur mit hohem Einsatz von Pestiziden, die Nutzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffe welche zu Ozonlöchern führte, der unkontrollierte Ausstoß von CO2, die umfassende Produktion von Plastik und die Abholzung der Regenwälder – sie erwiesen sich jedoch schnell als zu unterkomplex und zu kurz gedacht.

ÖkomodernistInnen ignorieren diese Erkenntnisse bewusst. Stattdessen arbeiten sie aktiv daran, den Klimawandel als ein Problem mangelnder Technologie zu definieren, dem der superiore Mensch mit Geoengineering unkompliziert begegnen kann. Dabei reduzieren sie bewusst die Komplexität des Problems und der möglichen Herangehensweisen.

Damit gesellen sich ÖkomodernistInnen zu zahlreichen AkteurInnen die aus wirtschaftlichem Interesse ökologische Folgen nicht beachtet. So sind nicht nur wissenschaftliche Überzeugungen Antreiber der Gruppierung, sondern auch wirtschaftliche Interessen. David Keith, einer ihrer treibenden Kräfte hat ein eigenes Unternehmen für Carbon Geoengineering gegründet und forscht in Harvard zu Solar Geoengineering. Mit dem Breakthrough Institute gründeten die überzeugten Ökomodernisten Ted Nordhaus und Michael Shellenberger ein eigenes Institut, das ihre Vision verbreiten soll.

Die Wirkungskraft eines Diskurses entsteht durch viele kleine, im ersten Moment zusammenhangslose Handlungen und Entscheidungen. Taucht der Begriff des Geoengineerings plötzlich in unterschiedlichsten Kontexten als innovative und fortschrittliche Herangehensweise auf, um dem Klimawandel zu begegnen, so wird er schleichend normalisiert.

Wir sollten vorsichtig sein, Menschen nicht den Diskurs unterkomplex gestalten lassen, sondern ihn aktiv in unsere Hand nehmen und die Themen unser eigen machen. Anstatt kurzsichtig zu handeln, muss die Perspektive erweitert und tatsächliche, vorhandene Lösungen verfolgt werden.

 

*Liliana Josek arbeitet zu umwelt- und klimapolitischen Themen für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie studierte Soziologie, Politik und Ökonomie in Tel Aviv und Friedrichshafen. Während ihres Studiums verfolgte sie umweltpolitische Themen sowohl durch wissenschaftliche Arbeit an der Zeppelin Universität, als auch in diversen Unternehmen. Ihr Schwerpunkt liegt auf deutscher und internationaler Klimapolitik.


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