Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation CIEL (Center for International Environmental Law) hat heute ein neues Briefing zu den aktuellen finanziellen Risiken der Öl- und Gas-Industrie veröffentlicht.
Das Briefing baut auf dem CIEL-Bericht vom April 2020 auf Pandemic Crisis, Systemic Decline: Why Exploiting the COVID-19 Crisis Will Not Save the Oil, Gas, and Plastic Industries, in dem argumentiert wird, dass die durch die Pandemie ausgelöste Konvergenz der öffentlichen Gesundheits-, Wirtschafts- und Menschenrechtskrisen die langfristigen strukturellen Schwächen im Öl-, Gas- und petrochemischen Sektor verstärkt und den Zusammenbruch der Branche nur beschleunigt hat.
Hier die wichtigsten Erkenntnisse aus dem kurzen Report:
Seit Jahren ziehen die großen Öl- und Gasunternehmen Investoren an, indem sie ihnen stetige Dividenden zahlen. Nach einem Jahrzehnt rückläufiger Gewinne, das durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wurde, haben einige Ölgroßkonzerne wie Shell ihre Dividenden gekürzt, während andere, darunter ExxonMobil und BP, sich verschulden, um ihre Aktionärszahlungen aufrechtzuerhalten und ihr Image als solide Investitionen zu wahren.
Auch Öl- und Gasunternehmen schreiben ihre Aktiva ab und verkaufen sie zu stark reduzierten Preisen, ein Schritt, der den verzweifelten Bedarf an liquiden Mitteln und die wachsende Skepsis gegenüber dem künftigen Wert fossiler Brennstoffe widerspiegelt.
Petrochemische Produkte und vor allem Plastik / Kunststoffe bieten den Öl- und Gasunternehmen keinen Ausweg aus ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ineinander greifende Trends wie sinkende Plastikrohstoffpreise, zunehmende Regulierung von Kunststoffen und sinkende Investitionsausgaben bedrohen die Grundlagen der petrochemischen Industrie, auf die viele Öl- und Gasunternehmen ihr künftiges Wachstum gesetzt haben.
Sinkende Dividenden, zunehmende Verschuldung und abnehmende Vermögenswerte sind nur die jüngsten Anzeichen dafür, dass sich die Öl- und Gasindustrie in einem Endspiel befindet, das lange vor der Coronakrise begonnen hat.
Vermögensverwalter haben die Pflicht, Investitionen in einem Sektor, der sich langfristig im Niedergang befindet, neu zu bewerten. Politischen Entscheidungsträger/innen wiederum haben die Pflicht, keine öffentlichen Gelder in Unternehmen zu stecken, die sowohl wirtschaftlich instabil als auch umweltzerstörend sind.
Je länger Pensionsfonds trotz deutlicher Warnsignale bezüglich der finanziellen Risiken und Klimawirkungen solcher Investitionen in fossile Brennstoffe investiert bleiben, desto mehr Risiken entstehen auch für sie.
Übrigens – nicht alle scheinen die Zeichen der Zeit zu deuten: Der private Konzern Ineos – einer der wichtigsten Player auf dem europäischen Plastikmarkt – kaufte erst kürzlich das Petrochemie-Geschäft für Aromaten und Acetyle von BP für fünf Milliarden Dollar. BP wollte das abstoßen, um „grüner“ zu werden. Ineos dagegen scheint weiter am fossilen Modell festhalten zu wollen – und investiert sogar in die Zukunft von SUVs mit Verbrennungsmotoren!
Hinweis: Der Bericht Debt-Driven Dividends & Asset Fire Sales ist auf der Website von CIEL auf Englisch verfügbar.