Neuer Bericht des Weltklimarats (IPCC): Die Klimakrise ist da

Heute, am 9. August 2021, hat der Weltklimarat (IPCC) in Genf den ersten Teil seines neusten Sachstandsberichts (6th Assessment Report, oder auch: AR6) veröffentlicht. In den letzten beiden Wochen wurde die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger*innen, die Summary for Policymakers (SPM) im großen Plenum unter den Regierungen verhandelt (natürlich, wie immer, in Zusammenarbeit mit den Autor*innen, die sicherstellen, dass politische Interessen der verhandelnden Regierungen höchstens die Schwerpunktsetzung in der Zusammenfassung beeinflussen, aber nicht die wissenschaftlichen Tatsachen verdrehen).

Dieser erste von drei Teilen beschäftigt sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Klimakrise: Dem aktuellen Stand, den Zukunftsprojektionen, den Risiken und Auswirkungen.

Die Ergebnisse des AR6 sind alarmierend und darin sehr konsistent mit denen des 1,5-Grad-Sonderberichts aus 2018: Die Klimakrise ist bereits dramatisch und wird verheerend sein, wenn nicht sofort umgesteuert und aus Kohle, Öl und Gas ausgestiegen wird. Das ist eigentlich seit vielen Jahrzehnten nichts Neues, aber auch die Warnungen des Weltklimarats werden immer dringlicher.

Um nur ein paar der alarmierenden Fakten aus dem Bericht zu nennen: Die globale CO2-Konzentration ist die höchste in mindestens 2 Millionen Jahren, der Meeresspiegelanstieg der schnellste in mindestens 3000 Jahren, das arktische Meereseis ist auf dem niedrigsten Stand seit mindestens 1000 Jahren, die Abschmelzen der Gletscher ist ungekannt in mindestens 2000 Jahren.

Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen, Starkregen und Überschwemmungen – wie jüngst in Deutschland und anderen Gebieten in West- und Mitteleuropa – werden häufiger, der Meerespiegel steigt – und mit jedem weiteren Zehntelgrad Erhitzung steigt die Wahrscheinlichkeit von solchen verheerenden Ereignissen sowie die Wahrscheinlichkeit, Kipppukte im Klimasystem zu erreichen, die die Klimakrise abrupt beschleunigen können.

Die globale Erhitzung könnte – je nach dem, wie schnell die Emissionen ab jetzt sinken oder ob sie auf hohem Niveau stagnieren – im Laufe des nächsten Jahrzehnts bzw. in den frühen 2030er Jahren bereits das 1,5-Grad-Limit erreichen.

Der neue Bericht wiederholt die Aussage des Sonderberichts zu 1,5 Grad aus 2018, dass die globalen Emissionen bis 2050 auf Netto-Null herunter müssen, um die Erderhitzung zumindest zum Ende des 21. Jahrhunderts auf ungefähr 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist aber viel zu spät – denn zwischen den frühen 2030er und 2050 liegen unter Umständen 20 Jahre, in denen die Temperatur weiter steigt, und mit ihr das Risiko irreversibler Schäden und Kipppunkte im Klimasystem.

Die Strategien zur Erreichung von “Netto-Null” bzw. „Netto-negativ“, um die Temperatur zu stabilisieren oder wieder abzusenken, bringen dann wieder ihre eigenen Probleme mit sich (Stichwort Geoengineering), aber darum wird vor allem im Bericht der Arbeitsgruppe 3 gehen.

Wichtiger als vage Zielsetzungen in mehreren Jahrzehnten also ist die Frage, was jetzt und unmittelbar in Reaktion auf die neusten Erkenntnisse des Weltklimarats passieren muss. Der UN-Generalsekretär António Guterres sprach davon, dass der Bericht den “Todesstoß” für Kohle und andere fossile Energie bedeuten muss, bevor “diese den Planeten zerstören.” Er fordert auch alle Staaten dazu auf, jegliche neue Exploration und Förderung von fossiler Energie zu stoppen.

Absolut zentral ist, was in den nächsten Jahren passiert – es braucht sofortige, drastische Emissionsreduktionen, um das Voranschreiten der Klimakrise zu verlangsamen.

Wir sind ja viel mit dem Thema Geoengineering, negative Emissionen und ähnlichen Scheinlösungen befasst. Aus dieser Perspektive hatten wir den Bericht auch mit Sorge begleitet: Es wurden nämlich in den Kapiteln 4 und 5 des Berichts auch die naturwissenschaftlichen Erkenntisse zu Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Management (SRM) betrachtet – genauer gesagt: Die Reaktion des Klimasystems auf Geoengineering-Ansätze sowie ihre biogeochemischen Auswirkungen.

Erstaunlicherweise taucht Solar Radiation Management (SRM) in der Zusammenfassung für Entscheidugsträger*innen überhaupt nicht auf. Das ist insofern erstaunlich, als dass der politische Druck und die Tendenz zur Normalisierung dieser Technologien heute viel größer ist als zum Zeitpunkt des Erscheinens des letzten großen Sachstandsberichts in 2013. Dieser hatte SRM in der Zusammenfassung erwähnt (siehe S. 29) und einige tiefgreifende Probleme und Risiken benannt (den “Termination shock”, die Veränderung globaler Wasserkreisläufe und andere langfristige und globale Nebenwirkungen), dann aber auf die fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnisse verwiesen, die eine umfassende Analyse verunmöglichten.

Zum Thema Carbon Dioxide Removal (CDR) finden sich vor allem drei Absätze in der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger*innen in den Abschnitten D.1.4-D.1.6: Sie verweisen – ziemlich unkritisch – darauf, dass mittels sogenannter “negative Emissionen” CO2 aus der Atmosphäre entfernt und so das Ziel von “netto-null” Emissionen erreicht werden könnte. Der Bericht sagt dann – wiederum recht wenig aussagekräftig –, dass die Reaktion des Klimas und der biogeochemischen Kreisläufe sich positiv oder negativ auf die Ansätze auswirken könnte. Großmaßstäbliches CDR würde außerdem die Wasserverfügbarkeit und -qualität, Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität “beeinflussen” (D.1.4.) – das ist ein ziemliches Understatement, da mehr als absehbar ist, dass CDR in Bezug auf diese Fragen absolut verheerende Folgen haben könnte.

Der Bericht geht außerdem auf die Asymmetrie ein, die darin besteht, dass eine Tonne Emissionen, die der Atmosphäre hinzugefügt hat, stärker zur Klimakrise beiträgt als eine Tonne Emissionen sie abmildert, die der Atmosphäre wieder entzogen wird (D.1.5.). Ein großes Problem an CDR – aus rein naturwissenschaftlich bzw. klimawissenschaftlicher Sicht – ist außerdem, dass zwar selbst wenn der Temperaturanstieg mittels CDR bzw. “negativen Emissionen” umgekehrt werden könnte, andere Klimawandelfolgen weiter voranschreiten würden. Der gestiegene Meeresspiegel etwa bräuchte mehrere Jahrhunderte bis Jahrtausende, um wieder zu sinken, selbst unter der Bedingung, dass viel mehr Emissionen entzogen als ausgestoßen werden würden (D.1.6).

Genaueres findet sich in den Kapiteln 4 und 5 des heute erschienen IPCC-Berichts.

Die Berichte der anderen beiden Arbeitsgruppen des Weltklimarats – Arbeitsgruppe 2 (WGII) zu den Risiken und Folgen der Klimakrise für Gesellschaft und Ökosysteme und Arbeitsgruppe 3 (WGIII) zu den Treibhausgas-Minderungsstrategien – sollen nach aktuellem Zeitplan im Februar und März 2022 verhandelt und veröffentlicht werden.


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