Rohstoffe sind knapp und begehrt. Und die EU ist bekanntermaßen äußerst abhängig von Rohstoffimporten, um ihre industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Vor diesem Hintergrund hat die Hochrangige Lenkungsgruppe der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) für Rohstoffe am 25. September 2013 einen strategischen Durchführungsplan (Kurzfassung: Memo) vorgestellt. Daraus lässt sich ganz gut ablesen, wie sich die Rohstoffpolitik der EU gut 2 Jahre nach Beginn der Umsetzung der Europäischen Rohstoffstrategie (Raw Material Initiative/ RMI) entwickelt hat.
Die Ziele der EIP sind in großen Teilen Deckungsgleich mit denen der RMI, wobei der Fokus der EIP stärker auf der Nutzung von Rohstoffen aus der EU liegt: zum einen Durch Verbesserung von Recyclingraten und Substitution kritischer Rohstoffe und zum anderen durch erhöhte Ausbeutung von bisher unerschlossenen einheimischen Reserven (auf dem Land und im Meer). Betrachtet werden nicht-energetische, nicht-agrarische Industrierohstoffe sowie Naturkautschuk und Holz. Der Fokus liegt klar auf kritischen Metallen.
Der Durchführungsplan setzt sich aus drei Säulen zusammen, die hier kurz beschrieben und bewertet werden sollen:
1. Technologie-Säule:
Die Ziele sind ganz klar benannt: Erhöhung der Produktion von Rohstoffen in der EU, sowohl durch Ausbeutung neuer Lagerstätten als auch durch Verbesserung von Recycling. Substitution besonders knapper oder kritischer Rohstoffe soll zudem die Nachfrage entschärfen. Priorität hat der Ersatz von Rohstoffen für Grüne Technologien, elektronische Geräte und solcher Materialien, die in großen Mengen gebraucht werden.
Die Abhängigkeit von bestimmten kritischen Metallen (z.B. für Grüne Technologien, Elektroindustrie oder Chemie) wird verbunden mit der Notwendigkeit eines Umbaus in Richtung Bioökonomie („bio-based economy“). Eine ausführliche Analyse der Potential und Risiken der Bioökonomie würde hier zu weit führen. Aber es sei vor allem auf drei Aspekte hingewiesen: Eine stärkere Nachfrage nach Biomasse erhöht den ohnehin großen Druck auf Land und hat Auswirkungen auf Nahrungsmittelpreise; unter den wichtigen Playern einer Bioökonomie ist eine erschreckende Konzentration von sektorübergreifender Marktmacht zu beobachten (siehe „Die Macht der Biomas(s)ters: Wer kontrolliert die Grüne Ökonomie?„); und die Bioökonomie geht einher mit der Nutzung äußerst riskanter Technologien wie Gentechnik, synthetischer Biologie und Nanotechnologie. All diese Aspekte kommen in der Analyse der EIP nicht vor!
2. Nicht-Technologie-Säule:
Hier geht es um die Verbesserung rechtlicher Rahmenbedingungen in den EU-Mitgliedstaaten und die Verbesserung der Akzeptanz des Sektors.
Das Papier sagt klar, dass die leicht zugänglichen und einfach auszubeutenden Reserven zur Neige gehen und dass die Erschließung neuer Reserven sowohl teuer als auch ressourcenintensiv (Wasser, Energie!) sein wird und potentiell zu sozialen Konflikten führen wird, vor allem, wenn es um Zugang zu Land geht. Der Schluss ist aber nicht, dass wir dieses Reserven besser im Boden lassen sollten, sondern dass wir neue Technologien brauchen, Genehmigungsverfahren beschleunigen müssen und die Bevölkerung in der EU (aber auch in nicht-EU-Staaten, aus denen wir Rohstoffe beziehen oder beziehen wollen) von der Notwendigkeit dieser Vorhaben und ihrer positiven sozialen und ökonomischen Effekte überzeugen müssen. Der Mangel an Akzeptanz wird übrigens auf ein Unwissen über die Bedeutung von Rohstoffen für unsere Gesellschaft zurückgeführt. Und verbessert werden soll das durch mehr Transparenz und Kommunikation.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass auf die Notwendigkeit einer EU-Regulierung von Konfliktrohstoffen (analog einer ähnlichen amerikanischen Gesetzgebung) Bezug genommen wird. Hierzu wird nämlich die Kommission bis Ende des Jahres einen Vorschlag vorlegen. Europäische Industrieverbände sind hierzu lobbymäßig gerade sehr aktiv, um einen verbindliche Regulierung zu verhindern bzw. abzuschwächen. Auch diese Analyse würde hier zu weit führen. Zu Empfehlen ist die Lektüre eines Positions- und Forderungspapiers zahlreicher europäischer NGOs.
Die Ausbeutung zusätzlicher Reserven in der EU impliziert auch die Einführung eines Konzepts von „mineral deposits of public importance“. Was das genau ist, wird aus dem Text nicht ersichtlich (am meisten steht im Teil II des Strategic Implementation Plan). Erwähnt wird eine Gleichbehandlung solcher Reserven mit fossilen Rohstoffen ähnlicher Bedeutung, ein möglicher Rechtsrahmen zum Schutz der Reserven ähnlich Natura 2000 für Naturschutzgebiete (was immer hier der Vergleich wert ist! Zumal es derzeit ja eh darum geht, die Natura 2000 Gebiete für die Ausbeutung von Rohstoffe freizugeben…) und die Gleichbehandlung mit anderen Aktivitäten, mit denen die Ausbeutung der Rohstoffe in Konkurrenz steht (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bau von Wohnungen und Industrieanlagen usw.). Das klingt noch sehr vage und auch ein bisschen absurd. Aber letztlich ist es der Versuch, Rohstoffsicherungs- und Ausbeutungsinteressen vor andere Interessen zu stellen. Ähnlich dem Anliegen der Stahlindustrie, Kokskohle in die Liste kritischer Rohstoffe aufzunehmen.
Teil dieser Säule ist aber auch die Verbesserung der Anforderungen an Recycling, inklusive – und das ist positiv hervorzuheben – der Anforderungen an Produktdesign, um Recycling zu vereinfachen bzw. überhaupt möglich zu machen. Außerdem genannt wird ein Verbot für illegale Müllexporte durch Verschiffung und ein Verbot, recycelbaren Müll in Mülldeponien zu lagern und bestimmten Müll zu verbrennen. Zum Thema Mülldeponien und Müllverbrennungsanlagen sowie deren Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Klima sei auf die guten Analysen und Materialien von GAIA verwiesen!
Und dann geht es noch um die Verbesserung von Informations- und Datenaustausch über Rohstoffvorkommen, -ströme und -handel, z.B. durch den Aufbau einer European Union Raw Materials Knowledge Base (EURMKB) sowie einer möglichen Knowledge and Innovation Community (KIC) in 2014.
3. Internationale Kooperation:
Die Kooperation soll „proaktiv“ sein (das klingt stark nach der „raw material diplomacy“ im Rahmen der RMI) und sich auf die Themen Technologie, internationaler Dialog (vor allem bzgl. Kritische Metalle und Naturkautschuk) und Gesundheit / Sicherheit / Umwelt setzen. Das Ziel ist im Nebensatz auch erwähnt: „free and fair trade of metallic and non-metallic raw materials“. Was „free trade“ ist und welche Probleme damit einhergehen ist bekannt und z.B. in der Studie „The New Resource Grab“ gut analysiert. Was hier aber mit „fair trade“ gemeint ist, bleibt leider gänzlich unklar – bis auf einen Verweis auf Transparenz und Konfliktrohstoffe (hierzu s.o.).
Kooperiert werden soll vor allem mit den USA, Kanada, Chile, Südafrika, Japan und Australien (also den Big Guys im Bergbausektor weltweit). Aber die EU strebt auch eine Unterstützung des African Mineral Development Centre (AMDC) an, das die Umsetzung der Africa Mining Vision zur Aufgabe hat. Zum Zusammanhang der Africa Mining Vision und der RMI empfehle ich den Kommentar von Claude Kabemba von Southern Africa Resource Watch.
Schlussbetrachtung:
Rohstoffsicherung steht nun seit Jahren nicht nur auf der Agenda der EU und ihrer Mitgliedstaaten (allen voran Deutschland mit seiner nationalen Rohstoffstrategie), sondern ist entscheidend für zwischenstaatliche Kooperation und auch Konflikte. Die EU hat einen umfassenden Plan vorgelegt, wie sie sich der Herausforderung in den kommenden Jahren stellen will. Aber ein wirklicher Master-Plan ist das nicht. Denn obwohl er gute Ansätze (vor allem in Bezug auf Recycling und Kreislaufwirtschaft enthält), geht er im Wesentlichen an der eigentlichen Herausforderung vorbei: unseren Rohstoffbedarf mit den natürlichen Grenzen des Planeten in Einklang bringen (also eine drastische Reduktion des absoluten Verbrauchs!) und allen Menschen einen fairen Zugang zu Ressourcen ermöglichen.
Einen kleinen, aber notwendigen Schritt in die richtige Richtung könnte die EU in den kommenden Monaten gehen, in dem sie eine verbindliche Regulierung zur Verhinderung des Imports von Konfliktrohstoffen in die EU einführt und sich dabei nicht mit einer kleinen Lösung – einer Regulierung der europäischen Schmelzen – zufrieden gibt.