Wo steht die internationale Klimapolitik vor der Klimakonferenz in Warschau (COP 19)?

Am Montag beginnt die zweiwöchige UN-Klimakonferenz in Warschau (COP 19). Hier ein paar gedankliche Skizzen zum Stand des Prozesses und den Erwartungen. Wer nochmal nachlesen möchte, wie die letzten COP in Doha ausgegangen ist, findet die ausführliche Analyse hier.

Warum machen die Verhandlungen überhaupt noch Sinn?

Der Klimawandel ist als globales Problem nicht nur nationalstaatlich lösbar. Gerade für Themen wie Klimafinanzierung, Technologiekooperation und für den fairen Ausgleich von Lasten und Vorteilen kommen wir ohne ein globales Regime nicht aus. Es ist zudem der einzige multilaterale Prozess, der auch inklusiv ist: alle Länder sind dabei; es verhandeln also nicht nur die Verschmutzer unter sich wie in vielen anderen Runden. In einer globalisierten Weltwirtschaft lassen sich bestimmte Probleme nicht rein nationalstaatlich lösen (Beispiel: carbon leakage / Verlagerungseffekt). Aber die globale Ebene ist nur eine von vielen. Wir brauchen gleichzeitig Maßnahmen auf nationaler, subnationaler und lokaler Ebene. Zudem gewinnen nationale Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen durch den globalen Rahmen Transparenz, Vergleichbarkeit und Antrieb.

Welche Erwartungen kann und soll man an den Prozess überhaupt noch haben?

Substantielle Fortschritte, was das politische Umsteuern (Emissionsreduktionen, Ausstieg aus den Fossilen, Finanzierungszusagen usw.) angeht, werden nicht im Prozess selber generiert. Im Rahmen der UNFCCC werden a) klare Regeln festgelegt, was das Reporting angeht (Transparenz & Rechenschaftspflicht), b) Vergleichbarkeit von politischen Zielen und Maßnahmen geschaffen (wichtig für Gerechtigkeit, aber auch zum Hochtreiben der Ambitionen), c) Regeln und Institutionen für internationale Finanz- und Wissenstransfer geschaffen (Klimafinanzierung, Technologiekooperation, aber auch Best Practice Austausch, gemeinsame Kompetenzzentren usw.).

Wie steht Multilaterale / Globale Governance insgesamt da?

Festzustellen ist eine generelle Schwäche der UN (auch zu erkennen bei den Schwesterkonventionen UNCBD, UNCCD), was die Vereinbarung verbindlicher Pflichten als „top down“ Ansatz angeht; wir sehen viel eher einen „bottom-up“ und „pledge & review“ Ansatz, d.h. die Länder überlegen sich jeweils selber, was sie bereit sind an Zusagen zu machen. Dies misst sich aber nicht an der Größe der globalen Herausforderung. Wichtig anzumerken ist aber: Auch andere Gremien wie die G20 oder das Major Economies Forum (MEF) haben keine substanziellen Fortschritte gebracht (eher im Gegenteil) und schließen zudem die ärmsten Länder aus!

Was sind die großen Machteinflüsse, die den Prozess bremsen?

Allen voran: Die Fossile Lobby (teilweise als Teil unserer eigenen Regierungen) hat großen Einfluss auf den Prozess selber, aber noch viel mehr natürlich auf nationale Energie-, Agrar-, Klimapolitik usw. Solange fossile Reserven den Ölfirmen Wert an den Börsen verschaffen („unburnable carbon“), Finanzmarktakteure daraus Profit schlagen und ein Großteil fossiler Reserven in der Hand von staatseigenen Konzernen liegt, ist ein Umdenken schwer vorstellbar. Gebremst wird der Prozess aber auch durch das Misstrauen, dass über die Jahrzehnte zwischen den verhandelnden Ländern entstanden ist (gebrochene Versprechen, Nichthandeln der Industrieländer). Wir stehen zudem vor einem massiven Demokratiedefizit: Politiker/innen wollen wiedergewählt werden und sind damit unfähig, die notwendigen radikalen Entscheidungen zu treffen, die auch Verlierer/innen produzieren. Hinzu kommen Probleme bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen: Gängige klimapolitische Instrumente (Emissionshandel) funktionieren nicht wirklich, bestimmte Maßnahmen erzeugen in der Umsetzung neue Probleme und Widerstand (Beispiel Großstaudämme / Vertreibung) und wirkliche Alternativen (z.B. dezentrale erneuerbare Energien, Abbau von fossilen Subventionen) widersprechen den Interessen der Eliten weltweit.

Wo steht die Welt 4 Jahre nach Kopenhagen und 2 Jahre vor Paris, was globale Klimaschutzambitionen betrifft?

Die sog.„Gigatonne Gap“ / „Emissions Gap“ (also die Lücke zwischen den notwendigen Reduktionen bis 2020 auf der einen Seite und dem, was die Länder an Maßnahmen auf den Tisch gelegt haben) hat nach UNEP eine Größe von 8 bis 13 Gigatonnes CO2-Äquivalent. Vorschläge, die zum Schließen der Lücke auf dem Tisch liegen sind u.a. Abbau fossiler Subventionen, die Regulierung der Schiffs- und Flugverkehrsemissionen (ggf. mit einem Marktinstrument und auch außerhalb der UNFCCC -> Internationale Zivilluftfahrts-Organisation ICAO und Internationale Seeschiffahrts-Organisation IMO), Waldschutz durch REDD+, Regulierung von Black Carbon und HFC. Nicht dabei sind aber z.B. Kohleausstieg, Reduktion des Inputs von fossilem Dünger, die Einführung einer 100 % Recycling-Strategie oder ein Nein zum Einstieg in Schiefergas. Die selbst auferlegten Ziele der Länder haben sich seit Kopenhagen fast nicht verändert (Beispiel EU und ihr 20 % Ziel bis 2020). Trotz zahlreicher Investitionen in Erneuerbare sehen wir einen weiteren Ausbau von Kohle weltweit, steigende Emissionen und keine Anzeichen von absoluter Entkopplung. Der EU ETS liegt am Boden. Reine Emissionsminderungsziele bringen hier keinen Wandel. Wie brauchen eine Neudefinition des Verständnisses zentraler Begriffe, wenn wir neuen Schwung und mehr Gerechtigkeit in die Verhandlungen bringen wollen: weg von einer engen Definition von „Ambition“ auf CO2-Reduktionen hin zu einem Ausstieg aus den Fossilen und hin zu einer lokalen, nachhaltigen und gerechten Grünen Ökonomie. Die UNFCCC Verhandlungen müssen einen solchen Suchprozess befördern und nicht behindern.

Von Durban 2011 bis Paris 2015

In Durban 2011 wurde die Notwendigkeit eines neuen international geltenden Klimavertrags begründet, der u.a. Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung für alle Länder ab 2020 und danach festlegen soll, um unterhalb der 2°C Obergrenze zu bleiben. Zur Durchführung dieser Beschlüsse wurde parallel zu den Verhandlungen die ADP, die Durban Plattform für verstärktes Handeln, gegründet. Die Hauptaufgaben der ADP sind es, einerseits ein Protokoll zu schaffen oder,…“ein anderes Rechtsinstrument oder ein vereinbartes Ergebnis mit rechtlicher Bindung für alle Parteien, welches bis 2015 in Paris (COP 21) inhaltlich festgelegt und ab 2020 in Kraft treten soll („ADP Workstream I“). Und andererseits einigte man sich auf die Notwendigkeit, dass schon vor 2020 strenge Minderungsstrategien notwendig seien, um diese Grenze zu halten („ADP Workstream II“), als0 Klimaschutz bis 2020, um den „Emissions Gap“ zu schließen. Bis 2015 in Paris (COP 21) soll das Klimaabkommen inhaltlich festgelegt werden, bis 2020 ratifiziert sein und ab 2020 in Kraft treten. Im Prinzip sind alle Themen, die schon im Bali Action Plan verhandelt wurden, noch auf dem Tisch.

Klimagerechtigkeit – „Equity“: neuer Schwung in den Verhandlungen für Warschau?

Die Frage einer fairen Lastenteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist eine, die die Verhandlungen seit Jahren bremst und immer wieder für Unmut sorgt. Jetzt haben die NGOs (aber auch verschiedene Regierungen, u.a. die Africa Group) einen neuen Vorschlag eingebracht, ein sog. Equity Reference Framework. Die Idee dahinter ist folgende: Die Regierungen verhandeln und beschließen ein Set von klaren Indikatoren, mit denen sich das Prinzip der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung und jeweiligen wirtschaftlichen Fähigkeiten (das Berühmte CBDR-RC Prinzip) operationalisieren lässt. Zusammen bilden die Indikatoren dann eine Messlatte, an der sich die Länder mit ihren Zusagen messen und zur Rechenschaft ziehen lassen müssen: ist das wirklich der faire Anteil an der globalen Anstrengung? Die Hoffnung ist, dass sich mit mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit die Ambitionen deutlich nach oben treiben lassen. Doch viele Regierungen – darunter auch die EU – sind skeptisch, was die Umsetzung eines solchen Frameworks angeht.

Klimafinanzierung

Die Schnellschussfinanzierung (Fast Start Finance) 2010-2012 ist ausgelaufen (und mehr oder weniger erfüllt bzw. schön gerechnet: „neu und zusätzlich“, siehe abschließende Bewertung für Deutschland hier). Für den Zeitraum nach 2012 liegen nur sehr geringe neue Zahlen auf dem Tisch und fast ausschließlich das, was bereits im Haushalt vorgesehen war. Für Deutschland stehen nach einem Haushaltsentwurf nächstes Jahr für neue bilaterale Klima-Zusagen deutlich weniger zur Verfügung als die knapp 1,9 Mrd. Euro des Jahres 2013. Das Erfüllung des Kopenhagen-Versprechens von 100 Milliarden jährlich bis 2020 ist nach wie vor ungeklärt. Große Hoffnungen richten sich auf die Hebelung von Privatsektorkapital, die aber z.B. aufgrund der Anrechenbarkeit sehr umstritten ist. Die politische Debatten (z.B. zu private sector finance) kristallisieren sich im Rahmen der Verhandlungen zur Operationalisierung des Green Climate Fund (Updates zum letzten Board Meeting des GCF von meiner Kollegin Liane Schalatek in Kürze hier). In Warschau lädt die polnische Regierung zu einem High-level Roundtable mit Finanzministerien und hat Klimafinanzierung zum Schwerpunktthema für die Konferenz erklärt.

Ab dem 14. November werde ich selbst in Warschau sein und von dort bestimmt auch live bloggen und berichten…

 

 


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