Ein Beitrag von Jan Kowalzig, Oxfam Deutschland, zunächst erschienen auf www.deutscheklimafinanzierung.de
Auf der Bonner Weltklimakonferenz ging auch wieder einmal um die Klimafinanzierung. Zwei besonders sensible Fragen verzögerten den Abschluss der Konferenz bis in die frühen Morgenstunden des Samstags. Besonders viel wurde nicht erreicht und einige wünschenswerte Fortschritte von den Industrieländern verhindert. Immerhin gab es die eine oder andere Zusage der Geberländer. Die Ergebnisse der COP23 im Bereich Klimafinanzierung im Überblick:
Anpassungsfonds: Als die Regierungen in Paris Ende 2015 das neue Abkommen besiegelten, wurde zwar auch gleich mitbeschlossen, dass einige der multilateralen Klimafonds auch unter dem neuen Abkommen gelten sollten, darunter der Green Climate Fund oder der Least Developed Countries Fund. Die Zukunft des Anpassungsfonds hingegen blieb ungeklärt. Die Bonner Konferenz hat nun den Weg eröffnet, ihn vom Kyoto-Protokoll (unter dem der Fonds bisher verankert war) in das Pariser Abkommen zu transferieren. Bis zuletzt hatten sich die Industrieländer dagegen gewehrt, solch eine Entscheidung zu treffen, weil sie unter anderem einen Automatismus fürchteten, der sie zu regelmäßigen Einzahlungen in den Fonds zwingen könnte. Bis die nächste Konferenz (COP24) in Kattowitz die Verankerung des Anpassungsfonds vollenden wird, sollen diese und weitere Fragen weiter diskutiert werden. Deutschland könnte hier eine konstruktive Rolle einnehmen, denn immerhin hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zur Eröffnung der COP23 weitere 50 Mio. Euro für den Fonds zugesagt. Weitere Zusagen kamen aus Schweden, Irland, Italien und der belgischen Regionalregierung von Wallonien.
Verluste und Schäden: Mehr und mehr sehen sich gerade die ärmsten und vom Klimawandel besonders bedrohten Länder ökonomischen Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels ausgesetzt – Dürren lassen die Ernten vertrocknen, Stürme verwüsten das Land, der steigende Meeresspiegel lässt küstennahe Felder und das Grundwasser versalzen. Zwar gibt es seit der Warschauer Weltklimakonferenz (COP19) den Warsaw International Mechanism on Loss and Damage (WIM); er aber ist bislang wenig mehr als eine Arbeitsgruppe, die das Thema ausleuchtet. Dass der WIM sich auch der finanziellen Aspekte im Umgang mit Verlusten und Schäden annimmt, also etwa Fragen danach, wofür finanzielle Mittel benötigt, wie sie mobilisiert und wie sie umgesetzt werden können, war ein wichtiges Anliegen der kleinen Inselstaaten – und eine rote Linie für die Industrieländer, die fürchten, über kurz oder lang mit Finanzforderungen oder gar Kompensationsansprüchen konfrontiert zu werden. Das enttäuschende Ergebnis der COP23: ein einmaliger „Experten-Dialog“ im nächsten Jahr, verbunden mit der Hoffnung der Industrieländer, das schwierige Thema auf diese Weise erstmal wieder los zu sein.
100-Milliarden-Versprechen: Seit die Industrieländer 2009 versprachen, die finanzielle Unterstützung für die Entwicklungsländer bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben, stehen sie unter Druck, dieses Versprechen auch zu erfüllen und glaubwürdig über gemachte Fortschritte Auskunft zu geben, zumal es Kritik an der Zählweise der Industrieländer gibt, mit der sie sich ihre Zahlen schönrechnen. Zwei Beschlüsse mit Bezug zum 100-Milliarden-Versprechen hat die COP23 gefasst: Zum einen sind die Industrieländer aufgefordert, nächstes Jahr im Rahmen bestehender Berichtspflichten, das Augenmerk darauf zu richten, wie sie in den verbleibenden Jahren 2018-2020 ihre jeweilige Klimafinanzierung speziell mit Blick auf das 100-Milliarden-Versprechen ausgestalten werden. Zum anderen sollen sowohl 2018 als auch 2019 im Rahmen einer Bestandsaufnahme (auf den jeweiligen Klimakonferenzen COP25 und COP26) auch die insgesamt zur Verfügung gestellten Unterstützungsleistungen auf den Prüfstand. Das sind gute Ausgangsbedingungen für Fortschritte bei der Klimafinanzierung, die die Industrieländer allerdings auch leicht ruinieren können, wenn sie die Gelegenheit nicht dafür nutzen, ein umfassendes – und auch ehrliches – Bild der Klimafinanzierung zu zeichnen. Letzteres sollten sie unbedingt anstreben, denn das könnte sich positiv auswirken auf die für das nächste Jahr geplante, Talanoa-Dialog genannte erste Überprüfung der Klimaschutzwirkung des Pariser Abkommens.
Vorhersagbarkeit der Klimafinanzierung: Der Absatz 5 des Artikels 9 des Pariser Abkommens verpflichtet die Industrieländer dazu, in einem zweijährigen Rhythmus individuell Auskunft über geplante bzw. für die Zukunft anvisierten Unterstützungsleistungen für die Entwicklungsländer zu geben. Unklar blieben damals die Modalitäten sowie die Art der Informationen im Rahmen dieser Auskunftspflicht. In Bonn verstrickten sich die Delegationen in der Frage, wie das Thema weiter behandelt wird – insbesondere die Gruppe der afrikanischen Länder wollte umfassend die Modalitäten verhandeln in der (im Prinzip völlig berechtigten) Hoffnung auf mehr Verlässlichkeit und Vorhersagbarkeit künftiger Klimafinanzierung. Die Industrieländer fürchteten darin die ersten Schritte zu regelmäßigen Finanzierungszyklen mit de facto verbindlichen Zusagen alle zwei Jahre – ein rotes Tuch insbesondere für die Finanzminister der Industrieländer. Nun wird im Mai nächsten Jahres (auf der regelmäßigen Zwischenkonferenz in Bonn) zumindest über die möglichen Informationen im Rahmen der Auskunftspflicht gesprochen, nicht aber über die Modalitäten. Letzteres wird Die Gruppe der afrikanischen Länder auf der COP24 wieder aufgreifen; neue Streitigkeiten sind damit so gut wie sicher.
Neues Finanzierungsziel ab 2025: Die Pariser Beschlüsse von 2015 legen fest, dass das 100-Milliarden-Versprechen bis 2025 ausgedehnt wird und für die Zeit danach spätestens 2024 ein neues Ziel festgelegt wird. In Bonn versuchten nun die Entwicklungsländer, einen eigenen Verhandlungsstrang zu öffnen, in dem in den kommenden Jahren solch ein Ziel entwickelt wird. Die Industrieländer wollten davon nichts hören. So bleibt dieses Thema ungeklärt, die Entwicklungsländer werden ihre Forderung nach ausreichend Zeit wohl auch nächstes Jahr wieder erheben – recht so, denn die Querelen um das 100-Milliarden-Vesprechen zeigen, dass es sich lohnt, ausführlich über das neue Ziel zu sprechen und dabei Art, Umfang und Geltungsbereich bzw. -zeitraum des neuen Ziels zu klären. Denkbar wäre es zum Beispiel, anstelle eines eindimensionalen Ziels eine Zielmatrix zu beschließen, die sowohl qualitative als auch quantitative Elemente enthalten könnte. Das wäre womöglich wesentlich wirksamer, als das 100-Milliarden-Versprechen.
InsuResilience Global Partnership: Am Rande der Verhandlungen fiel der Startschuss für die neue InsuResilience Global Partnership, für die sich Deutschland schon im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft breite Unterstützung unter den G20-Ländern gesichert hatte. Die Partnerschaft soll umfassend Finanzierungs- und Versicherungslösungen für Klima- und Katastrophenrisiken in den armen Ländern fördern. Auf der COP23 sagte das BMZ für die Partnerschaft 110 Mio. Euro zu, bei denen es sich (soweit wir derzeit wissen) zumindest zum Großteil um frisches (natürlich im Haushaltsplan 2017 enthaltendes) Geld handelt. Die Wirksamkeit der Partnerschaft muss sich erst noch erweisen, aber die Vorzeichen sind vielversprechend – wenn es gelingt, vom derzeit noch sehr einseitigen Fokus auf den Klimarisikoversicherungen auf einen tatsächlich umfassenden Ansatz umzuschwenken, denn die meisten Klimarisiken gerade in den ärmsten Ländern lassen sich nicht mit Versicherungen bekämpfen. Die Partnerschaft muss zudem gezielt auf die ärmsten Menschen ausgerichtete Prinzipien befolgen und auch eine fundamentale Gerechtigkeitsfrage lösen, denn die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Menschen in den armen Ländern haben nichts zum Klimawandel beigetragen – dass sie nun Versicherungen kaufen sollen, die sie sich oft ohnehin nicht leisten können, widerspricht allen Prinzipien der Gerechtigkeit. Hier kann die Partnerschaft innovative Lösungen voranbringen – etwa solche, bei denen die Verursacher des Klimawandels die Versicherungsprämien bezahlen würden.