CBD COP 14 in Sharm El-Sheikh – Kein Greenwashing des Sisi-Regimes! Wir plädieren für eine freie und kritische Beteiligung der Zivilgesellschaft und für ein Moratorium auf Gene Drives

Vom 17.-29.11.18 findet die CBD COP 14 in Ägypten statt. In Solidarität mit der ägyptischen Zivilgesellschaft haben wir uns als Heinrich-Böll-Stiftung entschieden, an der diesjährigen COP in Sharm El-Sheikh nicht teilzunehmen. Das begründen wir so:

„Die Konferenz wird von einem Staat ausgerichtet, in dem Menschenrechte systematisch missachtet und Regimekritiker/innen politisch verfolgt werden. Folter und Misshandlung durch staatliche Sicherheitsorgane bis hin zu Massen-Todesurteilen sind in Ägypten an der Tagesordnung. Seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel al-Fattah al-Sisi ist praktisch kein unabhängiges zivilgesellschaftliches Engagement in Ägypten mehr möglich – davon sind auch zahlreiche ehemalige Partnerorganisationen der Heinrich–Böll-Stiftung betroffen. Während sich die internationale Zivilgesellschaft und Vertreter/innen der Staatengemeinschaft in Sharm El-Sheikh streng abgeschottet zur COP zusammenfinden, sitzen in Ägypten zehntausende politische Gefangene in Haft, Hunderte sind gewaltsamem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen. Der unabhängigen und kritischen Zivilgesellschaft Ägyptens ist somit eine freie Beteiligung an den Aktivitäten rund um die internationale Konferenz nicht möglich. In Solidarität mit der ägyptischen Zivilgesellschaft haben wir uns deshalb entschieden, an der diesjährigen COP in Sharm El-Sheikh nicht teilnehmen – es ist politisch nicht zu rechtfertigen.“ (Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung)

Für mich selber war das keine leichte Entscheidung. Seit zwei Jahren begleite ich die Verhandlungen der CBD und dabei vor allem das Thema Synthetische Biologie / Neue Gentechnik. Und da stehen bei der diesjährigen COP 14 tatsächliche einige wichtige Auseinandersetzungen und Entscheidungen an. Unter anderem geht es um ein Moratorium auf die Freisetzung von Gene Drives.

Was sind Gene Drives? Die Gene-Drives-Technologie schaltet die natürlichen Regeln der Vererbung und Evolution aus, indem gentechnisch in das Erbgut von Organismen eingeführte Merkmale dominant an alle deren Nachkommen weitervererbt werden. So könnten ganze Arten dauerhaft verändert oder auch ausgelöscht werden. Mehr dazu hier:

Am 16. Oktober, dem Welternährungstag, haben wir als Heinrich-Böll-Stiftung ja gemeinsam mit mehr als 200 führenden Vertreterinnen und Vertretern von Organisationen der globalen Bewegung für Ernährungssouveränität und eine klimaschonende Landwirtschaft ein Moratorium für die Freisetzung von „Gene Drives“ gefordert. Der Aufruf erschien zeitgleich mit einem aktuellen Bericht der Heinrich-Böll-Stiftung und der ETC Group: „Forcing the Farm“ untersucht, welche Anwendungen von Gene Drives in der Landwirtschaft geplant sind.

Spannend wird es sein, hier die Position der Bundesregierung zu beobachten, die gemeinsam mit den anderen EU-Regierungen verhandelt. In Reaktion auf einen offenen Brief mehrerer NGOs und Umweltverbände hat das Bundesumweltministerium im Oktober klargestellt, dass es mögliche Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen, die mit einem sogenannten Gene Drive ausgestattet sind, sehr kritisch beurteilt. Auch international will sich das Ministerium dafür einsetzen, dass die Risiken umfassender untersucht werden. Die Verbände erwarten nun, dass sich die Bundesregierung im Sinne des Vorsorgeprinzips mit Nachdruck für ein Moratorium für Gene Drives einsetzt. Hier dürfte vor allem das Landwirtschaftsministerium blockieren.

Und bekommt dafür Rückenwind. Denn auch die Gegenseite macht Druck: Unter anderem haben gestern mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an gene Drives forschern bzw. ein Interesse an dieser Forschung haben, einen offenen Brief veröffentlicht, um ein Moratorium zu verhindern.

Vor zwei Jahren bei der COP 13 ist es nicht gelungen, ein Moratorium auf Gene Drives zu erwirken. Aber da war das Thema auch noch sehr neu und kaum bekannt. Das hat sich inzwischen rasant geändert und die Interessen, die hier am Werk sind, sind auch enorm. Das hat letztes Jahr u.a. auch der Skandal um die Gene-Drive-Files verdeutlicht. Wie aus offengelegten Email-Verkehren hervorging, bezahlte die Bill and Melinda Gates Foundation eine private Agrar- und Biotech-PR-Firma für die Steuerung einer undercover „advocacy coalition“ mit dem Ziel, den einzigen UN-Prozess zur Regulierung der Gene-Drives-Technologie zu unterminieren.

Als Ergebnis der Gene-Drive-Files und auf Drängen der Zivilgesellschaft verhandelt die COP 14 nun übrigens auch über eine Strategie zum Umgang mit Interessenskonflikten in der CBD. Da wird es in Sharm El-Sheikh darum gehen, dafür zu sorgen, dass sich eine Position durchsetzt, die eine breite und kritische aktive zivilgesellschaftliche Beteiligung auf allen Ebenen ermöglicht und zugleich wirtschaftlichen und kommerziellen Profitinteressen ausschließt. Dass eine solche Beteiligung in Ländern wie Ägypten grundsätzlich schwierig ist, sollte der CBD und allen Mitgliedsregierungen insgesamt zu Denken geben.

Doch auch in Europa gibt es aktuell in Sachen Neue Gentechnik genügend zu tun: Das Wissenschaftliche Beratergremium SAM der EU-Kommission hat vorgestern ein Statement veröffentlicht, in dem es die Überarbeitung der aktuellen Gentechnik-Gesetze empfiehlt. Hinter dem Vorschlag des SAM steht der Versuch, neue Züchtungstechniken wie Crispr-Cas auf diesem Wege von der Gentechnik-Verordnung auszunehmen. Denn im September 2018 hatte der EUGH festgestellt, dass neue Gentechnik-Verfahren wie CRISPR/Cas klar unter das europäische Gentechnikecht fallen.


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