Der aktuelle Bericht „Fuel to the Fire“ des Centers for International Environmental Law (CIEL) und der Heinrich-Böll-Stiftung analysiert, wie das zunehmende Interesse an Geoengineering als vermeintlicher Wunderwaffe gegen den Klimawandel in Wirklichkeit die Klimaziele schwächt und die fossile Infrastruktur auf Jahrzehnte zementieren könnte.
Der Bericht Fuel to the Fire: How Geoengineering Threatens to Entrench Fossil Fuels and Accelerate the Climate Crisis illustriert die Instrumentalisierung der zunehmend eskalierenden Klimakrise um Geoengineering-Technologien salonfähig zu machen. Dabei geht es vor allem um bislang unausgereifte Technologien mit zum Teil unkalkulierbaren Folgen wie Carbon Dioxide Removal (CDR – Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre) oder Solar Radiation Management (SRM – künstliche Reduzierung der Sonneneinstrahlung). Der Bericht analysiert die tragende Rolle der fossilen Industrien wie Gas, Öl und Kohle bei der Entwicklung und Förderung von Geoengineering-Technologien und erläutert, wie diese Technologien in erster Linie die fossile Industrie am Lebenhalten und ihr neue Geschäftsfelder eröffnen.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Analysen weisen darauf hin, dass 85 % der US-Subventionen für Carbon Capture & Storage (CCS; CO2-Abscheidung und -Lagerung) und Direct Air Capture DAC (Direkte Luftabscheidung und Speicherung von CO2) in die „Enhanced Oil Recovery“ (Tertiäre Ölförderung) und damit in die Produktion von noch mehr Öl und Gas fließen.
- Die Befürworter/-innen von Geo-Engineering gehen davon aus, dass durch CCS-Projekte bis zum Jahr 2040 alleine in den USA 40 % mehr Kohle und bis zu 923 Millionen Barrel Öl zusätzlich gefördert werden könnten.
- Energieintensive Direct Air Capture (DAC)-Projekte werden in erster Linie für die Erzeugung von Kohlenwasserstoff-Brennstoffen genutzt, die dann ebenfalls verbrannt werden. Sie tragen dadurch entweder zu neuen CO2-Emissionen bei oder sie bedeuten eine massive Umwidmung erneuerbarer Energie mit energetisch hoch ineffizienten Ergebnissen, während gleichzeitig die Abkehr vom Verbrennungsmotor gebremst wird.
- Befürworter/-innen der fossilen Industrie sagen offen, dass sie CCS und CDR zur Sicherung der Zukunft von Kohle, Öl und Gas und zur Erschließung von neuen Reserven für unerlässlich erachten. Damit ist das endgültige Überschreiten unseres CO2-Budgets vorprogrammiert.
- Ungeachtet der Mahnungen des Weltklimarats (IPCC), dass die Welt bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen muss, wollen Ölfirmen mithilfe von CDR die zentrale Rolle von Erdöl und Erdgas bis mindestens 2100 sichern.
- Seit Jahrzehnten werben die Verfechter/-innen des Solar Radiation Management (SRM) für diese Technologie, da so Klimaschutzmaßnahmen verzögert und aufgeweicht werden können.
- SRM-Befürworter/-innen gehen in ihren Modellen von der Grundannahme aus, dass die Menschheit über Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte, Sulfate oder andere Aerosole in die Stratosphäre sprühen wird – um gleichzeitig mit CDR die Emissionen wieder zu senken.
- Angesichts der Tatsache, dass die Klimawandelleugner/-innen zunehmend auf verlorenem Posten stehen, nutzen sie Geoengineering als neues Argument, um ernsthafte Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern oder hinauszuzögern.
Als wir die Arbeit zu diesem Report mit CIEL vor über einem Jahr begonnen, war uns schon klar, dass die Interessen der Öl- und Gasindustrie an CCS enorm sind und dass die überwiegende Mehrheit von CCS vor allem der Produktion von noch mehr Öl/Gas/Kohle dient (enhanced oil recovery / EOR).
Aber was CIEL nun aufgedeckt hat, geht weiter darüber hinaus: Die Interessen genau derjenigen Industrie, die am meisten zum Klimawandel beigetragen hat und beiträgt, sind wesentliche Treiber hinter diesen Technologien – und das seit Jahrzehnten!
Besonders überraschend kam das für uns – und bestimmt auch für viele anderen – bezogen auf Solar Radiation Management (SRM). Hier ein paar konkrete Beispiele aus dem Bericht:
- Haroon Kheshgi and Brian Flannery von Exxon haben einige der ersten Artikel zum Thema SRM und ocean geoengineeering verfasst. Sie waren bis Mitte der 2000er Jahre aktiv und stetig in Workshops zum Thema dabei.
- Für den einflussreichen Novim Climate Engineering Report hatte Steve Koonin den lead, zu einer Zeit, als er Chief Scientist bei BP war. Es ist belegt, dass Steve Koonin mindestens bis 2017 aktiv die Interessen der fossilen Industrie und Klimaskeptiker-Meinungen vertreten und befördert hat.
- ExxonMobil war einer der wichtigen Unterstützer des Bipartisan Policy Center als BPC geoengineering als Lösung der Klimakrise vorschlug.
Eine weitere wichtige Erkenntnis aus dem Bericht ist die Rolle von Klimaskeptikern und ihren Finanziers beim Thema Geoengineering. Zum Beispiel:
- David Schnare, senior environmental fellow beim Thomas Jefferson Institute (TJI), hat sich wiederholt für den Einsatz von Geoengineering ausgesprochen. TJI hat finanzielle Unterstützung vom Donors Trust und vom Donors Capital Fund erhalten – intransparente Organisationen, die Klimaskeptiker finanzieren.
- Lee Lane, Co-Director des Geoengineering Projekts des American Enterprise Institute’s (AEI) hat sich vor dem US Kongress für ein Geoengineering Forschungsprogramm stark gemacht. AEI (Finanziers: u.a. ExxonMobil, Amoco, Donors Capital Fund, Charles G. Koch Foundation) gehört zu den führenden Organisationen im Bereich Climate Denial. Ihr Geoengineering Projekt lief von ca. 2008 bis 2010 und hat sich aggressiv und lautstark für Geoengineering eingesetzt. Lane hat auch diverse Konferenzen zum Thema ausgerichtet sowie Artikel und Bücher verfasst. Einer seiner Artikel, An Analysis of Climate Engineering as a Response to Climate Change, wurde für das Copenhagen Consensus Center (CCC) geschrieben, dass sich aktiv gegen Klimaschutzmaßnahmen einsetzt. Der Artikel erschien später in einem Buch von CCC Präsident Bjørn Lomborg.
Und das sind nur ein paar der Beispiele aus „Fuel to the Fire“…
Steven Feit von CIEL, einer der Ko-Autoren des Berichts, fasst es ganz schön zusammen:
„Seit sechs Jahrzehnten behaupten die Ölfirmen, dass der Klimawandel nicht existiert, dass er nicht vom Menschen gemacht ist, und dass er, wenn er doch vom Menschen gemacht sein sollte, völlig unproblematisch ist. Seit einiger Zeit nun verkaufen uns die Unternehmen den Klimawandel als ein rein ingenieurstechnisches Problem – um im selben Atemzug zu behaupten, die Lösung liege in hochriskanten Geoengineering-Strategien – während sie selbst noch mehr Öl, Gas und Kohle fördern und genau so weitermachen wie bisher – ein Verhalten, das genauso gefährlich ist wie die Jahrzehnte des Leugnens.“
Der Report schaut sich jedoch übrigens auch die Alternativen an und listet eine ganze Bandbreite an neuen wissenschaftlichen Studien, Reports, Modellen und Szenarien auf, die klar machen: 1.5°C geht auch ohne Geoengineering, wenn wir neben radikal transformativen Emissionsreduktionspfaden auch auf den Schutz und die Wiederherstellung unserer natürlichen Ökosysteme setzen.
Mehr zum Thema Geoengineering gibt es beim GeoengineeringMonitor.
Mehr zum Thema 1,5°C und Transformationspfade in unserem Radical Realism Webdossier.