Unsere Regierungen planen, bis 2030 etwa 50% mehr fossile Brennstoffe zu produzieren, als mit der Begrenzung der Erwärmung auf 2°C und 120% mehr als mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C vereinbar wäre.
Das ist die Aussage des heute veröffentlichten Production Gap Reports, den das Stockholm Environment Institute (SEI) gemeinsam mit IISD, ODI, Climate Analytics, Cicero und UN Environment Programme vorgelegt hat.
Dieser Bericht ist die erste umfassende Bewertung der globalen Pläne zur Produktion fossiler Brennstoffe und eine Einschätzung dazu, was erforderlich ist, um diese Produktion an die vereinbarten und global verbindlichen Klimaziele anzupassen. Der Production Gap Report folgt dem Emissions Gap Report, den das Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) seit einigen Jahren regelmäßig vorliegt. Im Emissions Gap Report werden die Treibhausgasemissionen der Länder überprüft und mit den zur Erreichung der globalen Klimaziele erforderlichen Emissionswerten verglichen.
Doch was genau ist mit der „Production Gap“ gemeint?
Insgesamt wird die geplante Produktion fossiler Brennstoffe bis 2030 zu einer Emission von 39 Milliarden Tonnen (Gigatonnen) Kohlendioxid (GtCO2) führen. Das sind 13 GtCO2 oder 53% mehr, als mit 2°C vereinbar wäre, und 21 GtCO2 (120%) mehr, wenn man sich auf 1,5°C bezieht. Bis 2040 wird sich diese Lücke deutlich vergrößern. Sprich: die Produktion von Kohle, Öl und Gas sprengt das globale CO2-Budget. Das mag zwar auf den ersten Blick so erscheinen, als wäre es sozusagen das Gleiche wie ein „Emissions Gap“ – es folgt aber einer ganz anderen Logik: Die Produktion von fossilen Rohstoffen hat wenig mit der Nachfrage nach genau denselben zu tun. Es stimmt eben nicht, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Land sich entscheidet, sein Öl im Boden zu lassen, weil es dann eh woanders gefördert würde. Dieser Mythos ist wissenschaftlich und empirisch längst widerlegt. Der Production Gap Report legt seinen Finger in die Wunde der internationalen Klimapolitik, die eben die Frage der Produktion und Vebrennung fossiler Rohstoffe immer wieder verschweigt – im Pariser Klimaabkommen tauchen diese Begriffe gar nicht auf – und sich stattdessen mit nebulösen Emissionsminderungsversprechungen abgibt.
Schaut man noch genauer hin, dann wird klar: Das Problem ist bei Kohle am größten. Bis 2030 wollen die Länder 150% (5,2 Milliarden Tonnen) mehr Kohle produzieren, als mit einem 2°C-Weg vereinbar wäre, und 280% (6,4 Milliarden Tonnen) mehr, als mit einem 1,5°C-Weg möglich wäre.
Aber auch Öl und Gas sind auch auf dem besten Weg, das CO2-Budgets zu sprengen, da viele Länder weiterhin in die Infrastruktur für fossile Brennstoffe investieren, die uns in eine gefährliche Pfadabhängigkeit bringen. Das bedeutet konkret, dass bis 2040 43% (36 Millionen Barrel pro Tag) mehr Öl und 47% (1.800 Milliarden Kubikmeter) mehr Gas produziert werden soll, als es mit einem 2°C-Weg vereinbar wäre.
Übrigens: Insgesamt übersteigt die geplante Produktion fossiler Brennstoffe nicht nur 1,5°C- und 2°C-Pfade, sondern auch Produktionsniveaus, die mit der Umsetzung der jeweiligen nationalen Klimapolitik und den Ambitionen in den nationalen Klimaplänen (NDCs) übereinstimmen.
Obwohl viele Regierungen planen und kommunizieren, ihre Emissionen senken zu wollen, investieren sie munter weiter in die Produktion fossiler Rohstoffe. Genau da liegt der Widerspruch! Unsere Regierungen unterstützen dabei die Produktion auf vielfältige Weise. Sie spielen nicht nur eine zentrale Rolle bei der Zulassung von Exploration und Produktion, sondern unterstützen auch die fossile Brennstoffindustrie durch Direktinvestitionen, Forschungs- und Entwicklungsförderung, Steuerausgaben sowie Haftungs- und Risikoübernahme. Die Subventionen für fossile Brennstoffe umfassen alle Phasen des Produktionsprozesses fossiler Brennstoffe, von der Forschung, Entwicklung und Exploration über den Betrieb, den Transport, die Verarbeitung, die Vermarktung, die Stilllegung und die Sanierung von Standorten.
Der Production Gap Report gibt einen Überblick über spezifische Produktionspläne, Aussichten und Unterstützungsmechanismen in zehn Schlüsselländern: sieben führende Produzenten fossiler Brennstoffe (China, die Vereinigten Staaten, Russland, Indien, Australien, Indonesien und Kanada) und drei bedeutende Produzenten mit stark formulierten Klimaambitionen (Deutschland, Norwegen und das Vereinigte Königreich).
Das Ergebnis:
- Diese Regierungen planen, im Jahr 2030 etwa 50% mehr fossile Brennstoffe zu produzieren, als mit der Begrenzung der Erwärmung auf 2°C und 120% mehr als mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C vereinbar wäre.
- Viele dieser Länder scheinen auf Exportmärkte zu setzen, um größere Produktionssteigerungen zu rechtfertigen (z.B. die Vereinigten Staaten, Russland und Kanada), während andere versuchen, die Importe durch eine erhöhte Produktion zu begrenzen oder weitgehend einzustellen (z.B. Indien und China). Das Nettoergebnis könnten erhebliche Überinvestitionen sein, die das Risiko von „stranded assets“ erhöhen, aber auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Gemeinden in Gefahr bringen.
Aber es lässt sich auch positiv feststellen: Mehrere Regierungen haben bereits Maßnahmen zur Begrenzung der Produktion fossiler Brennstoffe ergriffen, die Impulse und wichtige Lehren für eine breitere Anwendung liefern könnten. Auch diese positiven Beispiele führt der Bericht auf: Die Regierungen von Belize, Costa Rica, Frankreich, Dänemark und Neuseeland haben alle teilweise oder vollständig Verbote oder Moratorien für die Öl- und Gasexploration und -förderung erlassen, während Deutschland und Spanien die Kohleförderung einstellen wollen (wenn auch zu spät!).
Der Bericht hat eine eigene interaktive Website mit zahlreichen zusätzlichen Materialien und ist hier zu finden: http://productiongap.org/