Atomenergie, so eine nun häufiger geäusserte Meinung, ist im Kampf gegen den Klimawandel unverzichtbar. Sie sei billig und in der Lage, rasch die großen Mengen an CO2-armem Strom zu liefern, die wir brauchen um den wachsenden Energiebedarf weltweit zu stillen.
Zwei Meldungen der letzten Zeit zeigen ein anderes Bild. Die Atomenergie ist weder rasch ausbaubar noch billig.
Rasch?
Auf Bloomberg.com, einem Informationsdienst für Wirtschaft und Finanzen, habe ich einen interessanten Bericht aufgestöbert. Er analysiert einen Engpass, der die globale Atomindustrie in den kommenden Jahren immer stärker beeinträchtigen wird: Nur eine Fabrik in Japan ist überhaupt technisch in der Lage, die riesigen, 600 Tonnen schweren Gußstücke zu produzieren, die für das Reaktordruckgefäß moderner Reaktoren notwendig sind. Diese Fabrik ist aber auf Jahre ausgebucht, und eine Erhöhung der Kapazität wird, wenn sie kommt, viel Zeit kosten.
Bild: Japan Steel Works, von Climateprogress
Hier finden Sie eine schöne Darstellung des Gußprozesses. Und hier ein Video von Bloomberg, das die Problematik weiter erläutert.
Was heisst das: Wir brauchen rasch weitgehend CO2-freie Energie. Doch die Kapazitäten der Atomindustrie reichen bei weitem nicht aus, um kurz und mittelfristig wirklich den signifikanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, den die Atomlobby gerne sehen würde. Im Gegenteil, die aktuellen Neubauten werden kaum reichen, um die aktuelle Zahl an Reaktoren gegenüber den Stillegungen konstant zu halten. Selbst wenn man andere Risiken ignorieren will: Das Potential der Atomenergie zum Klimaschutz ist sehr begrenzt, sie ist einfach zu langsam zu skalieren. Von Proliferationsrisiken ganz zu schweigen.
Billig?
Ein „Millionengrab“ nennt die atomkritischer Positionen sicher unverdächtige FAZ den ersten Neubau eines Reaktors in Europa seit der Katastrophe von Tschernobyl. Sie schreibt zum Reaktorprojekt im finnischen Olkiluoto: „Bekannt ist, dass der Reaktor vom Typ EPR-3 nach heutigem Stand mit mindestens zwei Jahren Verspätung erst im Sommer 2011 fertig gestellt wird. Die daraus entstehenden finanziellen Belastungen infolge von Vertragsstrafen und Mehrkosten der Aufholjagd werden erheblich sein. Analysten schätzen die gesamten Zusatzkosten infolge der Verzögerungen auf 700 Millionen Euro bis 1,5 Milliarden Euro.“
Das wird die Bilanzen des französischen Reaktorbauers Areva und seines deutschen Partners Siemens erheblich belasten.
Areva hat Rückstellungen vorgenommen, ihre Höhe aber nie öffentlich beziffert. Im September 2006 gab der französische Staatskonzern einen Rückgang des Betriebsgewinns im zurückliegenden Halbjahr von 65 Prozent auf 115 Millionen Euro bekannt, der vor allem darauf zurückzuführen war; in der ersten Jahreshälfte 2007 fielen weitere Belastungen an.
Siemens: „Eine Schätzung der Belastung von etwa 500 Millionen Euro über die gesamte Laufzeit hinweg erscheint nicht unrealistisch“, sagt Bernd Laux, Analyst des Brokerhauses CAI Cheuvreux, so die FAZ.
In den USA ist der von der Bush-Administration geplante Ausbau der Atomenergie nur mit massivsten Subventionen denkbar.
Die Windenergie wächst dagegen weltweit mit Rekordgeschwindigkeit: 26,6% betrug der Zuwachs im letzten Jahr weltweit.
Was eine These des amerikanischen Energiewissenschaftlers Amory Lovins bestätigt: Atomenergie ist zu teuer, zu langsam, und ist damit eher ein Hindernis für Klimaschutz als eine Lösung: Why expanding nuclear power would reduce and retard climate protection and energy security… but can’t survive free-market capitalism
Soweit seine Aussage am 12. März vor dem amerikanischen Kongress.
Diese These hat Lovins übrigens auch schon in Nuclear Engineering International veröffentlicht, dem Fachblatt der Atomindustrie.