Die deutsche Sprache kennt viele Präpositionen. Das sind kleine, aber wichtige Worte, die den Sinn eines Satzes entscheidend bestimmen. „In“ und „Von“ sind zwei Präpositionen, die für Klimagerechtigkeit besonders wichtig sind.
„In“ist eine örtliche Präposition. Sie bezeichnet, wo etwas stattfindet. Zum Beispiel die Reduktion von Emissionen. Häufig wird die Ansicht geäussert, Klimagerechtigkeit hiesse, dass die Emissionen in Industrieländern und in Entwicklungsländern mittelfristig (z.B. 2050) auf gleiche Pro-Kopf-Werte reduziert werden sollen. Auch Anders Levermann in der Klimalounge zitiert dieses Prinzip. Zusammen mit der notwendigen globalen Reduktion der Emissionen weltweit um mindestens die Hälfte ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Reduktion der Emissionen in Deutschland um gut 80%, ein Wert der Klimapolitikern sehr vertraut ist.
„Von“ist eine begründende (kausale) Präposition. Sie bezeichnet, wer etwas verursacht. Dieser Blogeintrag ist z.B. von mir geschrieben, ich bin sein Autor.
Vielfach wird im Klimaschutz „in“ mit „von“ gleichgesetzt. Aus der unbestreitbaren Notwendigkeit, dass die Emissionen in Entwicklungsländern bald begrenzt und dann reduziert werden müssen, schliessen manche, dass sie auch von den Entwicklungsländern zu reduzieren sind. Und setzen daher auf eine entsprechende Verringerung und Konvergenz (WBGU) der Emissionsrechte. Bundeskanzlerin Merkel scheint im vergangenen Herbst dieses Prinzip übernommen zu haben. Und auch Sir Nicholas Stern in seinem jüngsten Vorschlag für einen „Global Deal„.
Doch ist der Schluss von „in“ auf „von“ ein Kurzschluss. Ein kleines Alltagsbeispiel: Wenn ihr Nachbar beim Fussballspiel zu scharf schiesst und in ihrem Haus ein Fenster zu Bruch geht, dann ist es zweifellos so, dass in ihrem Haus ein Fenster repariert werden muss. Muss es auch von ihnen repariert werden? Nein, zweifelsohne werden sie erwarten, dass ihr Nachbar es repariert oder zumindest die Kosten dafür übernimmt. Alles andere würden Sie doch als sehr ungerecht ansehen.
Die Unterscheidung zwischen „In“ und „Von„, Ort des Geschehens und der Autorenschaft, so meine These, ist eine zentrale Vorraussetzung für Klimagerechtigkeit hinsichtlich der Verteilung von Reduktionspflichten. Nur so können wir es schaffen, einen Pfad einzuhalten, der die globale Erwärmung unter zwei Grad hält, ohne unverhältnismäßige Klimaschutzpflichten und Lasten auf diejenigen zu verschieben, die arm und nicht für das Problem verantwortlich sind.
Hinsichtlich des Orts von Emissionsreduktionen würde ich dafür plädieren, soweit möglich das Prinzip der kostengünstigsten Emissionsreduktion zu verfolgen. Also dort zu reduzieren, wo es am wenigsten kostet, sei es in Industrie- oder Entwicklungsländern. [Das muss gegen die notwendige Innovationsförderung auf Lead-Märkten abgewogen werden, aber je schärfer wir Klimaschutz betreiben werden müssen, desto mehr werden Kostengesichtspunkte eine legitime Rolle spielen].
Hinsichtlich des „von„, also der Autorenschaft von Emissionsreduktionen, hat uns die Klimarahmenkonvention Maßstäbe an die Hand gegeben. Da heisst es in Artikel 3.1: Die Vertragsparteien sollen auf der Grundlage der Gerechtigkeit und entsprechend ihren gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihren jeweiligen Fähigkeiten das Klimasystem zum Wohl heutiger und künftiger Generationen schützen.
Verantwortlichkeit und Fähigkeit sind hier die Schlüsselwörter. Das erste ist im Umweltrecht als „Verursacherprinzip“ verankert. Kurz gesagt heisst es, dass derjenige, der einen Schaden verursacht hat, auch für seine Beseitigung verantwortlich ist. „Polluter pays“ heisst das auf Englisch.
Das zweite Schlüsselwort, (Leistungs-)Fähigkeit, ist im Steurrecht fest verankert. Wenn es gemeinschaftlich zu bewältigende Aufgaben gibt, dann ist es für uns selbstverständlich, dass die stärkeren Schultern auch die größeren Lasten tragen müssen. Und dass die ganz Schwachen z.B. durch einen Freibetrag gänzlich davon freigestellt werden. Die Wikipedia schreibt dazu: „Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein Fundamentalprinzip der Besteuerung und als solches Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Grundgesetz) im Steuerrecht. Es besagt allgemein, dass jeder nach Maßgabe seiner individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen soll.“
Die Berechnung eines Index von Verantwortlichkeit und Leistungsfähigkeit auf der Basis eines „Freibetrags“ für die arme Bevölkerung ist das Herzstück des von uns in Bali vorgestellten „Greenhouse Development Framework„. Wenn man diesen Index zum Maßstab der Verteilung der notwendigen Emissionsreduktionspflichten macht, dann wird deutlich, dass die Emissionsreduktionspflichten von Industrieländern wie Deutschland weit höher sind als in den jeweiligen Ländern technisch überhaupt machbar. Daraus folgt, dass wir auch die Pflicht haben, zusätzlich zu (nicht anstelle von) sehr ambitionierten Emissionsreduktionen bei uns auch in anderen Ländern zum Klimaschutz beizutragen. Denn wir sind die Verantwortlichen für den Klimawandel, und leistungsfähig genug, um die notwendigen Klimaschutzaufgaben zu schultern. Die Klimaschutzpflichten für Deutschland können nach diesem Konzept etwa wie folgt veranschaulicht werden (darauf klicken für Vergrößerung):
Oben sehen Sie in grün, was sich sowieso rentiert: Profitabler Klimaschutz. Das kann rasch noch viel mehr werden, wenn der Ölpreis steigt, hier ist das etwas konservativ gerechnet. In gelb sehen sie Emissionsreduktionen, die wir mit einiger Anstrengung bei uns in Deutschland vornehmen könnten. Doch in blau-roter Schraffur kommen noch Emissionsreduktionspflichten hinzu, denen wir im Ausland nachkommen müssen, um unserem Anteil an Verantwortlichkeit für Klimawandel und Leistungsfähigkeit zum Klimaschutz nachzukommen. Wir könnten z.B. Tropenwaldländern helfen, ihre Regenwälder zu schützen. Das könnte dann uns angerechnet werden.
Schwer vorstellbar? Man sollte sich dran gewöhnen. Je länger man darüber nachdenkt, desto einleuchtender wird es. Immer mehr Organisationen unterstützen diesen Ansatz. Nur so können wir den notwendigen Klimaschutz betreiben, und dabei vermeiden, die Kosten dafür den Armen aufzubürden.
Al Gore hat es in einem Artikel am 1. Juli 2007 in der New York Times so ausgedrückt:
Countries will be asked to meet different requirements based upon their historical share or contribution to the problem and their relative ability to carry the burden of change. This precedent is well established in international law, and there is no other way to do it.‘
Foto: oben von dsevilla auf flickr, rechts aus Wikipedia