Nach dem vorläufigen Ausstieg von Lindsey Graham am Wochenende hängt das Klimagesetz weiter im US-Senat fest. John Kerry und Joe Lieberman wollen den Gesetzentwurf erst dann veröffentlichen, wenn Graham wieder an Bord ist. Daran wird hinter den Kulissen weiter hart gearbeitet. Inzwischen melden sich andere Senatoren aus dem demokratischen Lager (wie Mary Landrieu und Debbie Stabbenow, die beide als fencesitter gelten), die eine Fortsetzung der Beratungen einfordern. Kerry, der sich zum Brückenbauer zwischen Graham und Mehrheitsführer Harry Reid mausert, versucht sich in Optimismus:
„You’re seeing the public piece, which is stalemate. I understand that. But behind the scenes, there are different parties and people working to try to see if we can find a sensible way through this thicket. And I’m confident there is one, and we’ll get there.“
Dass Kerry und Lieberman am Vorhaben festhalten und auf ein Comeback von Graham setzen, lässt sich auch daran ablesen, dass sie ihren Gesetzentwurf an die Umweltagentur EPA weitergeleitet haben. Ein üblicher Vorgang für Gesetzesentwürfe. Sie werden von der EPA einer ökonomischen Folgenabschätzung unterzogen, die als Grundlage für die Beratungen gilt. Eine solche EPA-Bewertung, die rund 6 Wochen dauert, ist für die meisten Senatoren Voraussetzung, um einen Entwurf überhaupt zu beraten. Aber allein die EPA-Bewertung wird nicht ausreichen, um den Stillstand aufzulösen.
Anscheinend kommt jetzt Bewegung ins Spiel. Ein gutes Signal dafür kommt von Harry Reid, der durch seine Äußerungen am Wochenende für ein Vorziehen der Einwandeurngsreform den ganzen Trubel ja erst ausgelöst hat. Seine Aussage von gestern, dass das Klimagesetz im parlamentarischen Verfahren weiter sei und deshalb vor einer Einwandeurngsreform behandelt werden sollte, wird als erste Kurskorrektur gewertet:
„The energy bill is much further down the road as far as a product. So common sense dictates that if you have a bill that’s ready to go, that’s the one I’m going to go to. Because immigration, we don’t have a bill yet.“
Und Lindsey Graham? Der hat gestern mit der Energy and Climate Funders Group diskutiert, ein Verbund von US Stiftungen, die sich im Klimaschutz engagieren. Das Washingtoner Büro der Heinrich-Böll-Stiftung ist hier Mitglied. Die Funders Group trifft sich gerade zur zweitägigen Klausur in Denver, Colorado. Ich bin vor Ort und werde heute in einem workshop darüber berichten, wie Landwirte in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben und was sich US Farmers hiervon abschauen können.
Aber zurück zu Lindsey Graham. Der hat bei der Videoschalte aus Washington „off the record“ gesprochen. Alles in allem hat er klar gemacht, dass er sofort an den Verhandlungstisch zurückkommt, wenn die Demokraten um Harry Reid und Barack Obama sich voll in die Beratungen einbringen. Sein Argument ist, dass sich unentschlossene Senatoren nur dann auf eine ernsthafte Debatte einlassen, wenn sie wissen, dass das Weiße Haus voll hinter der Initiative steht. Andernfalls wird der Gesetzentwurf zum Rohrkrepierer. Sehr interessant war Grahams Hinweis zur Rhetorik in der Debatte. Er spricht offen davon, dass cap and trade ein vergiftetes Konzept ist, dass nicht mehr mehrheitsfähig im US Kongress sei. Kein cap and trade = kein Klimaziel = kein Emissionshandel in der USA? Mitnichten. Stattdessen vermarktet Graham den Gesetzentwurf als Initiative, die neue Jobs schafft, die Energieunabhängigkeit stärkt und nebenbei für CO2 einen Preis einführt (carbon pricing). Hinter letzterem verbirgt sich der Emissionshandel.
Bei den Flurgesprächen hinterher wurde klar, dass Graham großes Ansehen in der funders community genießt (siehe auch diese Beiträge auf Climateprogress und Washington Post), auch wenn u.a. sich für den Neubau von Atomkraftwerken und weitere Ölbohrungen einsetzt. Die Umweltschützer wissen, dass sie ohne ihn als Brückenkopf ins republikanische Lager keine Chance auf ein Klimagesetz hätten. Und immerhin ein gutes hat die aktuelle Debatte: Die Initiative wird nicht irgendwo versanden oder still und heimlich beerdigt, was durchaus möglich gewesen wäre. Die Demokraten und vor allem Barack Obama müssen jetzt Farbe bekennen, ob ihnen das Projekt Klimaschutz so wichtig ist, wie sie im Wahlkampf versprochen haben.
Als Motivation dazu: Stop the party, pass the bill!
EILMELDUNG: Obama hat sich gestern auf der Air Force One dafür ausgesprochen, die Einwanderungsreform hinten anzustellen und stattdessen alle Energie auf das Klimagesetz zu verwenden. Damit dürfte das Klimagesetz die Intensivstation wieder verlassen. The Greenwire zitiert den US-Präsidenten auf die Frage nach einer Einwanderunsgreform wie folgt:
„We’ve gone through a very tough year, and I’ve been working Congress very hard, so I know there may not be an appetite immediately to dive into another controversial issue. … There’s still work that has to be done on energy, midterms are coming up, so I don’t want us to do something just for the sake of politics that doesn’t solve the problem.“