Ein erster Rückblick: Warum gibt es noch kein US-Klimagesetz?

Der Senat, das Nadelöhr für ein US-Klimagesetz
Vor genau einem Jahr sah es so aus, als ob die USA bald ein Klimagesetz hätten: Die Demokraten hatten in beiden Kammern komfortable Mehrheiten, Präsident Obama hatte das Thema weit oben auf seiner innenpolitischen Agenda und das Repräsentantenhaus hatte den wegweisenden Waxman-Markey-Bill verabschiedet. Die Fraktionsführung der Demokraten um Nancy Pelosi triumphierte. Obamas oberster politischer Berater David Axelrod sagte voraus, dass der Senat schon in Kürze dem Abgeordnetenhaus folgen würde. Doch heute, ein Jahr später, scheint eine Verabschiedung eines substanziellen Klimagesetzes im Senat schwieriger denn je. Gründe dafür gibt es genug:

1. Die Gesundheitsreform. Sie wurde von Obama und seinem Beraterteam zur Top-Priorität erklärt, hinter der sich alle (innenpolitischen) Projekte anstellen mussten. Die Reform band für Monate fast sämtliche Ressourcen des Weißen Hauses und des Senats. Im März 2010 – neun Monate nach dem Klimagesetz im Repräsentantenhaus – kam sie endlich unter Dach und Fach. Obama hat sein begrenztes politisches Kapital für die Gesundheitsreform voll in die Waagschale geworfen – und trotz massivster Widerstände auf Seiten der Republikaner auch gewonnen.

2. Obamas engstes Umfeld. Zwar hat der Präsident mit Energieminister Steven Chu, EPA-Chefin Lisa Jackson und der Klimazarin Carole Browner ein beeindruckendes green cabinet um sich geschart. Doch auf der anderen Seite drängen Obamas Wirtschaftsberater Larry Summers oder Finanzminister Timothy Geitner regelmäßig darauf, beim Klimaschutz nicht zu forsch voranzugehen. Ausschlaggebend am Ende ist aber, dass Obamas engste Berater, David Axelrod und Rahm Emanuel, im Klimaschutz von Anfang an kein Gewinner-Thema für den Präsidenten sahen. Das Weiße Haus verzichtete weitgehend darauf, sich in die Beratungen im Kongress einzumischen (wie das Buch The Climate War gut beschreibt). Politischer Wille sieht anders aus.

3. Der Senat. Noch immer gilt für die Demokraten im Repräsentantenhaus: The Republicans are the opposition, the Senate is the enemy (etwa: Die Republikaner sind die Opposition, doch der Feind ist der Senat). Der Senat arbeitet langsam und ist im Vergleich zum Repräsentantenhaus durch und durch konservativ besetzt. Politische strittige Themen haben es schwer, weil Gesetze nur mit einer Supermehrheit (60 von 100 Stimmen) behandelt werden. Beim Klimagesetz kommt erschwerend hinzu kommt, dass nicht weniger als sechs Ausschüsse um die Federführung im Verfahren rangeln, im Repräsentantenhaus war der vom progressiven Demokraten Henry Waxman angeführte Energie- und Industrieausschuss federführend. Die Nachbesetzung des jüngst verstorbenen Robert Byrd dürfte die Abstimmung im Senat nicht erleichtern (wie The Grist hier andeutet).

4. Die Republikaner. Man möchte es kaum glauben, doch im Jahr 2010 streiten die Republikaner weiter darum, ob der Klimawandel überhaupt ein reales oder menschgemachtes Problem ist. Dabei haben etliche konservative Senatoren noch unter dem Präsidenten George W. Bush diverse Gesetzesentwürfe zum Klimaschutz vorgelegt, die sich nicht groß vom Waxman-Markey-Bill unterscheiden (wie Politico auflistet). Doch mit der Wahl von Barack Obama haben die Republikaner auf Opposition pur umgestellt. Nachdem das Klimagesetz im Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, startete die konservative Politmaschinerie giftige Angriffe auf diejenigen Abgeordneten, die mit JA gestimmt hatten, vor allem in den ländlichen Regionen des mittleren Westens. Klimaschützer und Demokraten wurden von der Aggressivität dieser Attacken kalt erwischt. Inzwischen haben selbst letzte Überzeugungstäter auf Seiten der Republikaner (wie Senator Lindsey Graham) sich von den aktuellen Klimainitiativen weit distanziert.

Trotz aller Widerstände geht es für das Klimagesetz jetzt auf die Zielgerade, mit offenem Ausgang. Obama hat dazu heute eine parteiübergreifende Runde der wichtigsten Senatoren ins Weiße Haus eingeladen (siehe hier). Sie soll eine Strategie abstimmen, mit der 60 Stimmen für ein umfassendes Klima- und Energiegesetz gewonnen werden können. Das könnte auch ein abgespeckter Emissionshandel sein, der zunächst nur für Kraftwerke gelten soll (wie die New York Times berichtet). Passend dazu starten die Umweltverbände eine 11 Millionen Dollar schwere Fernsehkampagne (siehe hier). Lassen wir uns überraschen…

Foto von dbaron unter Creative Common License.


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