Wer die US-Klimadebatte näher verfolgen will, kommt dabei nicht ohne einen der vielzähligen Blogs aus. Die Klimablogger beschreiben und kommentieren die Debatten mit zum Teil höchst unterschiedlichen Perspektiven. Erst die Kombination mehrerer Blogs ergibt häufig ein vollständiges Bild. Aus meiner Sicht sind die Blogs unverzichtbar und hängen die klassischen Tageszeitungen inzwischen in Sachen Schnelligkeit und Vermittlung von Detailwissen ab. Umso mehr freut es mich, wenn ab und an auch ein Klassiker unter den Zeitschriften seinen web-Geschwistern einmal zeigt, was gut recherchierter Journalismus ist.
Obwohl mich seine sonst sehr lang(atmig)en Texte eher abturnen, habe ich diesen Artikel in The New Yorker geradezu verschlungen. Ryan Lizza beschreibt in As the World Burns – How the Senate and the White House missed their best chance to deal with climate change wie eine Handvoll Senatoren und das Weiße Haus das Klimagesetz an die Wand gefahren haben. Gespickt mit politischen Drama, einer wunderbaren Sprache und würzigen Prise human touch. Der Text ist aber nicht nur gut geschrieben, sondern noch besser recherchiert.
Sprengstoff bietet vor allem die (wie Lizza es beschreibt) unrühmliche Rolle des Weißen Hauses. So seien Obama und seine Berater den demokratischen Verhandlungsführern im Senat mehrfach in den Rücken gefallen. Obama hat ohne Rücksprache mit dem Klimatrio KGL (die Senatoren John Kerry, Lindsey Graham und Joe Lieberman) Bürgschaften für neue Atomkraftwerke in Milliardenhöhe ausgerufen. Auch die noch vor der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verkündete Ausweitung des offshore drilling lief nach dem gleichen Muster: Obamas Vorstoß als überparteilicher Präsident, der den Republikanern die Hand ausstreckt, durchkreuzte die Strategie von KGL. Obama beraubte sie ihrer Verhandlungsmasse und servierte den Republikanern Geschenke für Atomkraft und die Ölindustrie auf dem Silbertablett – warum sollten sie dann noch mit John Kerry & Co darüber verhandeln, dem verhassten Emissionshandel zuzustimmen?
Interessant auch die Rolle, die John McCain spielen wollte, aber nicht konnte. McCain hatte lange Zeit zusammen mit Joe Lieberman an einem parteiübergreifenden Klimagesetz gearbeitet. Wäre McCain als führender Republikaner (noch zudem als vorheriger Präsidentschaftskandidat) mit einem Gesetzentwurf herausgekommen, hätte dies die Grundlage für einen parteiübergreifenden Kompromiss sein können. Ein echter game changer, wie man hier sagt. Hätte sein können. McCain machte noch vor der Veröffentlichung einen Rückzieher, weil er damit seine Wiederwahl als Senator von Arizona hätte abschreiben können. Das und noch mehr erfährt man bei der Lektüre dieses Artikels. Eine wohltuende (doch zeitaufwendige) Abwechslung zu den sonstigen Quellen in denen ich gerne stöbere. Es gibt etliche, die sehr gut gemacht sind. Doch meine persönlichen Favoriten sind diese drei Blogs:
David Roberts bloggt täglich auf The Grist über die politische Dimension der nationalen Klimagesetzgebung. Roberts sitzt interessanterweise nicht in Washington DC, sondern schreibt aus Seattle. Die Distanz zu inside the Beltway (so wird Washington auch wegen seines Autobahnringes genannt) tut seinen Analysen gut.
Joe Romm wurde 2009 von Time Magazine zum einflussreichsten Klimablogger gewählt. 5-8 Einträge täglich kann man auf Climate Progress vom Senior Fellow des Center for American Progress lesen. Romm war unter Bill Clinton Staatssekretär im Energieministerium.
Politico ist eine erst in 2007 gegründete Zeitung, die zwar eine kleine gedruckte Auflage in Washington hat, aber fast nur online gelesen wird. Politico bereitet Politnews in Blackberry-kompatiblen Häppchen auf. Dort sind alle Gerüchte und Spekulationen nachzulesen, die auf dem Capitol Hill kursieren. Schnell und kurzweilig. Vor kurzem sicherte man sich die Dienste von Darren Samuelsohn, einem der versiertesten Washingtoner Umweltreporter.