In den USA ist der Anteil der Atomkraft am Gesamtmix zwar kleiner als in Deutschland. Dafür hat die Industrie großes politisches Gewicht. Die Krakenarme der Lobby reichen weit in beide Parteien hinein. Insbesondere die Republikaner sind offen für die Anliegen der Atomindustrie und entwerfen vollkommen unrealistische Ausbauszenarien.
In meinem letzten Blogeintrag zu den anders tickenden Atomuhren in den USA habe ich auch kurz die Rolle erklärt, die die vergleichsweise kleine anti-Atom-Bewegung in der hiesigen Debatte spielt. Heute geht es um die Gegenseite. Der, so möchte man meinen, sollte angesichts der Reaktorkatastrophe in Japan der Wind kräftig ins Gesicht blasen. Doch die Atomlobby hat vorgesorgt und über Jahre hinweg enge Verbindungen zu den Politikern beider Parteien aufgebaut.
Das Nuclear Energy Institute ist dabei der sichtbarste Akteur. Das NEI ist der Lobbyverband der Atomindustrie in seiner gesamten Prozesskette: vom Uranbergbau über den Reaktorbau und die Brennstoffversorgung bis hin zur Atomstromprodutkion. Seine Lobbyisten halten einen guten Draht zur Regierung und den Abgeordneten im Kongress. Allein im letzten Wahlkampf wurden Politiker beider Parteien mit rund $4 Millionen unterstützt. Es schaltet hübsche Werbekampagnen zur Akzeptanzsteigerung, die Greenwashing betreiben, irreführend sind und die Grenzen des Erlaubten immer wieder überschreiten. Die PR-Arbeit geht dabei soweit, dass die Mitarbeiter des NEI Meinungskommentare für Atomingenieure im ganzen Land entwerfen, die diese dann unter ihren Namen bei regionalen Zeitungen einreichen.
Neben dem Dachverband spielen die großen AKW-Betreiber und ihre Mutterkonzerne eine wichtige Rolle. Nach Politico haben sie im letzten Wahlkampf 2009/2010 zusammen mit dem NEI einen zweistelligen Millionenbetrag für Lobbying und Wahlkampfspenden ausgegeben. Die Unternehmen honorieren dabei insbesondere die Abgeordneten der Bundesstaaten, wo ihr Stammsitz liegt sowie Politiker in Spitzenpositionen (Ausschussvorsitze, Fraktionsführung). Spenden an einzelne Abgeordnete sind in einer Höhe von bis zu $10.000 zulässig. Dabei muss man als Klimaschützer konstatieren, dass das Geld auch deshalb geflossen ist, um dem damals verhandelten Klimagesetz zum Durchbruch zu verhelfen. Vom Emissionshandel versprachen sich die Betreiber Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Kohlestrom. Vor allem diese Unternehmen zeigten sich spendabel:
Exelon: $515.000. Der Atomkonzern betreibt alleine elf AKWs in Illinois und hat an 14 von 19 der Abgeordneten seines Heimatstaates gespendet. Auch die Fraktionsspitzen beider Parteien wurden unterstützt.
Duke Energy: $475.000. Duke hat 12 der 13 Kongressabgeordneten aus North Carolina und 5 der 6 Abgeordneten aus South Carolina mit Spenden versehen. Summen von $10.000 gingen an Abgeordnete aus den Fraktionsspitzen beider Parteien. Der Konzern hat seinen Stammsitz in North Carolina. Sein Vorsitzender, Jim Rogers, war eine der sichtbaren Stimmen der letzten zwei Jahre, die für ein umfassendes Klimagesetz lobbyiert haben.
Florida Power & Light: $507.000. 26 der 28 Kongressabgeordneten aus Florida wurden von FPL unterstützt. Der Konzern sitzt in Florida und betreibt weitere Reaktoren in New Hampshire und Illinois.
Entergy: $400.000. Alle 4 Abgeordneten aus Arkansas erhielten einen Scheck von Entergy sowie 12 Abgeordnete aus dem Bundesstaat New York und 5 Abgeordnete aus Michigan. Auch Ed Markey, eine treibende Kraft für mehr Klimaschutz und einer der stärksten Kritiker der Atomindustrie, wurde mit $3.500 unterstützt.
Demokraten wie Republikaner werden beide von der Atomindustrie finanziell gepäppelt. Es sind aber vor allem die Republikaner, die seit langem an einer Renaissance der Atomenergie in den USA feilen. Die konservativen Pläne sind reinste Wolkenkuckucksheime. Ginge es nach ihnen, würden in den nächsten zwei Jahrzehnten 100 neue AKW’s gebaut werden (zusätzlich zu den aktuell laufenden 104 Atommeilern). Das ist finanziell, aber auch von den Planungsabläufen her, vollkommen unrealistisch. Von einem „all-of-the-above“ Ansatz wird gerne gesprochen, bei dem keine Energieform ausgeschlossen werden soll. Politische Irreführung in Reinform. Dahinter verbirgt sich eine knallharte Agenda für mehr Öl- und Gasbohrungen, mehr Kohle- und mehr Atomkraftwerke.