Teures Wunschdenken: AKW-Neubauten in den USA

Dass neue Atomkrafte nur in solchen Ländern gebaut werden, auf deren Energiemärkten kein Wettbewerb herrscht und Regierungen großzügige Subventionen verteilen, ist allgemein bekannt. Wie schlecht es um die Atomkraft aber wirklich steht, zeigt ein Blick in die USA, wo trotz atomfreundlicher Stimmung und politischer Unterstützung die Atomrenaissance nicht so recht gelingen will.

Im aktuellen Report der Heinrich-Böll-Stiftung The Economics of Nuclear Power: An Update skizziert Steve Thomas die Wirtschaftlichkeit der Atomkraft. Mit scharfer Analyse und nüchterner Sprache kommt der Energieexperte zum vernichtenden Urteil, dass Atomkraft ohne Subventionen und staatliche Zusagen nicht wettbewerbsfähig ist:

The objective of this report is to identify the key economic parameters that determine the costs of nuclear electricity, commenting on their determining factors. It shows that without subsidies and guarantees from electricity consumers and taxpayers, new nuclear power plants will not be built.

Zu diesem Fazit kommt der Autor nach der Analyse verschiedener Kostenfaktoren für die jahrelange Planung und dem Bau des Kraftwerks, dem eingesetzten Kapital, dem Betrieb und späteren Rückbau der Anlage und den möglichen Ausgaben für die Haftung im Unglücksfall. Dabei kalkuliert Thomas noch vergleichweise konservativ, weil über viele Kosten die Atomindustrie keine Angaben macht bzw. praktische Erfahrungen fehlen (z.B. beim Rückbau). Viel spannender Lesestoff. Besonders interessant finde ich seine Erklärung, wie die Kostenkurve* der Atomkraft steil nach oben geht während gleichzeitig die der erneuerbaren Energien nach unten zieht. Die Zeit spielt den erneuerbaren in die Hände. Die Kostenbilanz der Atomkraft leidet auch darunter, dass die Anlagen häufig still stehen. Seit Inbetriebnahme haben US-Atomkraftwerke zum Beispiel nur eine Leistung von 70% erwirtschaftet.

Im US-Kapitel des Reports werden die Hintergründe des „Nuclear Power 2010“ Programms erläutert, das 2002 unter Präsident George W. Bush aufgelegt wurde. Sein Ziel war, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, das Design neuer Modelle zuzulassen sowie den Bau von drei bis sechs Reaktoren zu subventionieren. Alle Neubauten danach, so das Wunschdenken, sollten ohne Subventionen auskommen. Für die Deatils empfehle ich die Lektüre des Texts. Für die USA kommt Steve Thomas zum klaren Ergebnis, dass diese teure Politik für nicht mehr als zu einer Handvoll Demonstrationsprojekte reicht:

In the “Renaissance countries”, a handful of plants will be built, proving only that nuclear power plants can be built if governments are prepared to provide large enough subsidies and to override proper democratic consultation processes. The real loss however will be – as it has been over the past few decades – the opportunity cost of not pursuing more cost-effective options of meeting the energy policy goals of providing affordable, reliable, and clean energy – or efficiency savings. The cost-curve for nuclear power has always been upwards. In other words, instead of getting cheaper over time due to the learning, scale economies, and technical progress effects, as most technologies do, nuclear costs have increased. Analyses by Froggatt and Schneider (2010) show that energy efficiency and renewables are far more cost-effective than nuclear power and that their cost curve is downwards. If some of the resources being poured into another fruitless attempt to revive nuclear power were devoted to these sources, the economic gap between energy efficiency and renewables and nuclear would be highly likely to grow even wider.

Wer die Lust hat, mehr zum Thema zu erfahren und Steve Thomas auch einmal selbst zu treffen, sollte am Mittwoch bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin vorbeischauen. Ich moderiere das Panel, auf dem neben Steve Thomas auch der russiche Politiker Vladimir Milov und der thaliändische Energieexperte Samai Jai-In über die die echten Kosten der Atomkraft diskutieren. Hier geht’s zum Programm.

Foto: privat.

* in einer früheren Fassung war hier fälschicherweise von Lernkurve die Rede, aber es muss natürlich Kostenkurve heißen. Dank an den aufmerksamen Leser!


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