Bevor die Verhandlungen in Durban am 28.11.2011 starten, und die Beteiligten auf der COP-17 erneut in Stapeln von Papier versinken, wollen wir für die Lesenden dieses Blogs kurze Schlaglichter auf einige Akteure in Durban werfen. Dabei besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, sondern es soll lediglich eine Perspektive aufgeworfen werden.
Euro-Krise, inkohärente Politik, viele Zuständige, konditionierte Reduktionsziele… große Fragezeichen füllen schon lange die Kommentarseiten der Zeitungen. Das Einknicken bei den Verhandlungen um das Kyoto-Protokoll, der interne Streit um das „burden-sharing“ oder das totale Versagen von Kopenhagen: wieviel Potenzial steckt(e) doch in dieser Union und wurde doch verschenkt!
Doch nun scheint die EU samt Klimakommissarin Hedegaard deutlicher aus der Asche zu steigen. Schon lange wurde ihr der Einfluß zugesprochen, die Klimaverhandlungen aus der Sackgasse zu führen und den Multilateralismus zu retten – vielleicht doch nicht ganz zu Unrecht? Das Hauptproblem bei den Verhandlungen ist weniger die Einführung von Marktmechanismen (wie 1996) oder die Höhe der Reduktionsziele. Es geht derzeit v.a. um die rechtliche Form und wer mitmacht, also darum, ob statt dem Kyoto-Protokoll ein neues Abkommen, welches die großen Schwellenländer einbezieht, aufgesetzt werden soll (Position USA & Freunde), oder ob das Kyoto-Protokoll erst mit neuen, verbindlichen Zielen für den Norden gefüllt und verlängert wird, bevor ein umfassendes Abkommen verhandelt werden kann (Position G-77 & Freunde). Lange konnte der EU vorgeworfen werden, dass sie sich nicht entscheiden kann. Als hochindustrialisierte Region mit einer (lobby-)starken Industrie und gleichzeitig der öffentlichen Einsicht in die Notwendigkeit von Klimschutz war sie ein Zwitter auf dem Parkett. Ihre Bemühungen wurden einerseits von außen komplett anders aufgenommen: was für viele Nordamerikaner/innen noch Klimasozialismus ist, würden Bolivien & (Klima-)Bewegung schon als Klimakapitalismus geißeln. Andererseits reißt die EU mit dem Allerwertesten ein, was sie sich mühsam aufgebaut hat; siehe GAP, „danish proposal„, Energiepartnerschaft,… . Diese einsame Mittelposition – symptomatisch in der fehlenden Klarheit über das 2020-Ziele (20%, 30% oder doch lieber 25% Emissionsreduzierung?) – scheint nun doch ein Standortvorteil zu sein. Das sieht auch die New Yort Times so:
Positioning itself in the middle is the European Union, which has left the door open to a second commitment period. Under a proposal the European Union has been floating, it would agree to a second phase only if it were linked to a solid agreement detailing out how and when other countries‘ pledges would be placed into a legally binding agreement.
Figueres on Friday lauded the European Union for helping to launch „constructive discussions“ and said „governments are exploring those middle-ground solutions that would allow them to go forward with a second commitment period.“ (Quelle: NYT, via Payal Parekh)
Nachdem die Zuckerbrot-und-Peitsche Politik des „wir machen offiziell 30% CO2-Reduzierung wenn ihr mitmacht“ nicht wirklich jemanden gejuckt zu haben scheint, wird jetzt mehr Gewicht auf den Fakt gelegt, dass die EU der zentrale Player innerhalb des Carbon Market ist. Zum Einen wiederholen alle Kanäle, dass Kyoto nach 2012 zwar leer sein würde, aber eben nicht tot. Der EU-Emissionshandel wird erstmal weiterlaufen und sogar der CDM kann weiterhin Ablasszertifikate erzeugen. Die message an die Wirtschaft: don’t panic!
Andererseits sagt die EU, sie wolle schon das KP verbindlich mit Zielen weiterführen, dazu müssen aber alle mitmachen – auch die USA. Dieser letzte Halbsatz scheint nun zu wackeln. Anscheinend würde man den Widerspenstigsten erlauben, weiterhin ihre laschen „pledges“ als Ziele zu verkaufen, während die anderen „für die gute Sache“ Kyoto weiterführen. Das scheint zu ziehen – UNFCCC-Chefin Figueres sieht wieder Licht am Horiont. Die message an die UN-Familie: hauptsache es läuft irgendwie weiter!
Zudem wurde eine geistig zwischenzeitlich schon eingemottete Forderung, nämlich die nach einem FAB deal, wieder herausgeholt. Doch anstatt nun von Durban den Durchbruch zu erwarten, möchte man dort einen Fahrplan bis 2015 machen. Dann sollen alle großen Emittenten in ein neues globales Abkommen einbezogen werden. Das ist zwar frei nach dem Motto „wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis“, doch immerhin besser als nichts. Die message an den Süden: wir nehmen Euch ernst!
Flankierend zu den Verhandlungen sind Teile der EU aktiv an der Cartagena Dialogue Gruppe beteiligt, welche neue Schnittmengen finden möchte und gleichzeitig ein internes aber offenes Gesprächsforum darstellt (auch hier). Zudem bleibt Europa hart im Kampf mit dem Rest der Welt um seine umstrittene Einbeziehung des Flugverkehrs in den EU-Emissionshandel (auch hier). Die message war hier: wir ziehen’s durch!
Sogar Polen, sonst Bremser in Sachen Klimapolitik, verteidigt diesen Schritt. Eine neue Ära oder nur Momentaufnahme?
Im Streit um die Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel bleiben die Umweltminister hart. „Ohne eine Ausweitung des Emissionshandels auf den Flugverkehr sind die Klimaziele Europas nicht zu schaffen“, erklärte Polens Ressortchef Andrzej Kraszewski. Polen hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. (Quelle: Klimaretter)
Ist nun endlich das eingetroffen, auf das alle gehofft haben? Nicht ganz. „Alle warten darauf, dass andere den ersten Schritt tun,“ meinte auch gestern noch Prof. Schwarze bei den Klimarettern. Es wird wohl weiter auf den magischen ersten Schritt gewartet, obwohl alle schon gehen – leider im Kreis. Die EU hat jetzt kleine Taktänderungen vorgenommen, doch ich glaube, dass dadurch noch kein anderer Tanz zustande kommt. Die Emissionen in der EU steigen wieder und eine zweite Verpflichtungsperiode im Kyoto Protokoll rettet auch noch nicht die Welt…
It should be said that signing up to a second commitment period requires Europe to do nothing more in terms of additional emission reductions. (Wendel Trio)