Bei Diskussionsveranstaltungen zu Geo-Engineering bzw. „Climate Engineering„, wie es einige in der deutschen Community lieber labeln würden, wird oft betont, dass es sich lediglich um ein Erkenntnisinteresse handelt. „Natürlich sein richtige CO2-Vermeidung wichtig. Natürlich könne es nur ein „Plan-B“ sein. Natürlich darf Forschung nur unter sehr strengen Auflagen erfolgen. Natürlich will niemand einen durchgeknallten Multi-Millionär a.k.a. Mr. Weltretter auf einem Alleingang sehen. Natürlich… wir wollen doch nur spielen, habt keine Angst.“
Für alle naiven Menschen, die solchen Aussagen vertrauen, nun hier etwas zu aufwachen: „It is real!“ Es ist real. Nein, kein „Chemtrailing“, keine Aliens und keine Weltverschwörung. Aber es gibt eben Staaten und Menschen, welche in ihrem Erkenntnisinteresse über das gemeinsam verabredete (etwas unter der CBD, welche ein de facto Moratorium angestoßen haben) hinausgehen. Wie letzte Woche der Guardian berichtete (hier, auch schon in diesem Blog erwähnt, zudem bei SpOn und SZ), gab es im Sommer nach der „Polarstern“ ein ungefähr 10x so großes „Experiment“:
Der amerikanische Unternehmer Russ George hat im Juli rund 500 Kilometer vor der Westküste Kanadas 100 Tonnen Eisenpartikel im Meer versenkt. Dem britischen „Guardian“ erklärte George, die Haida – eine Ureinwohner-Gemeinschaft auf der kanadischen Insel Haida Gwaii – hätten ihn für die Aktion bezahlt, um die sinkenden lokalen Lachsbestände zu stärken. Dafür soll der Rat einer der beiden Haida-Gruppen der Insel eine Million Dollar gezahlt haben. Die „New York Times“ berichtet sogar von einer Summe von 2,5 Millionen Dollar.
Diese Haida Salmon Restoration Corporation ist laut Eigendefinition ein profit-orientiertes Biotechnologieunternehmen, was einen erstmal schon stutzig machen müsste. Zwar gibt es internationale Förderer und auch der WWF ist indirekt mit von der Partie. Es drängt sich hier aber der Eindruck auf, gerade bei Blick auf die Job-Börse des Unternehmens, dass es hier doch eher um kommerzielles „Ocean Engineering“ als um die lokalen Menschen und deren Lachsbestände geht. George war früher Chef von Planktos, einen Unternehmen welches ganz offen Geo-Engineering kommerziell durchführen wollte. Macht er nun das gleiche unter dem Mantel des Umweltschutzes und der Forschung? Er war auf jeden Fall schon mal ehrlich, als er im US-Kongress vor einem Klima-Ausschuss aussagte, wie er „Meeresdüngung“ gerne als Klima-Offset vermarkten möchte. Hier seine Kalkulation:
A typical modest scale ocean restoration project will cover about 10,000 square km, fix many million of tonnes of CO2 from the air as biomass, and produce 2 or more million ERUs over a six month period. (Quelle: Supplemental materials from Russ George to House Select Committee on Energy Independence and Global Warming)
Die Abgrenzung von Forschung und „echtem“ Geo-Engineering ist fließend, doch hier scheint sie überschritten worden zu sein. Millionen von Organismen im Meer werden Opfer dieser Veränderung werden. Die UN-CBD ist – anscheinend im vollen Bewusstsein Kanadas – weiter geschwächt worden. Das zeigt uns, dass wir unsere freie Forschung transparent und eng an den gesellschaftlichen Diskurs (der gerade Geo-Engineering-skeptisch zu sein scheint) koppeln müssen. Das Awi, einst mit einem Geo-Engineering/Forschungs-Projekt selbst gescheitert, tut nun empört:
Die Reaktion von Forschern reicht von Besorgnis bis hin zu blanker Empörung. „Es ist katastrophal, solche Methoden für kommerzielle Zwecke zu nutzen“, sagt Christine Klaas vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Awi), die an früheren Ozeandüngungsversuchen beteiligt war. Georges Experiment „könnte man als Müllverklappung bezeichnen“, sagte Mark Wells, Meeresforscher an der University of Maine, der „New York Times“.
Auch Forschung hat eine Verantwortung und Vorsicht ist geboten, bevor wir etwas so gewaltiges wie „Meeresdüngung“ weiter vorantreiben. Zu divers ist die Interessen- und Akteurslage auf der Welt. Zu komplex die Wirkungszusammenhänge in der Natur und viel zu unberechenbar die kommenden Veränderungen von Klima und Gesellschaft. Personen wir Russ George oder Staaten wie Kanada müssten international geächtet werden, wenn sie auf Menschen, Umwelt und der UN so herumtrampeln. (Siehe zu Kanada auch hier.)