Ende letzter Woche hat die Kommission der Europäischen Union eine neue Klimastrategie vorgelegt. Wie immer ist sie damit dem Rat der Mitgliedsstaaten voraus, die ihre Positionen noch sortieren. Vier Aspekte fand ich bemerkenswert in der Strategie der Kommission.
Erstens: die EU rechnet nicht mehr mit einem Abkommen in Cancun auf COP16 im November/Dezember 2010.
Stattdessen heißt es:
In order to achieve this, we should first focus on the adoption of a balanced set of concrete, action-oriented decisions in Cancun at the end of 2010. This should be as comprehensive as possible, but given remaining differences among Parties, the EU must be ready to continue the work for the adoption of a legally binding agreement in South Africa in 2011.
Zweitens: die Kommission will ihre Rolle als Think Tank der Mitgliedsstaaten ernst nehmen und re Emissionsminderung weit über 2020 hinausdenken. Vermutlich – das sage ich jetzt mal so salopp – haben etliche Kommissions-MitarbeiterInnen auch die Fatzen dicke mit der Diskussion, ob und wann die EU von 20% auf 30% unkonditionale Emissions-Minderung im Jahr 2020 erhöhen soll… So kündigft die Strategie an:
The Commission will outline a pathway for the EU’s transition to a low carbon economy by 2050, to achieve the EU agreed objective to reduce emissions by 80-95%, as part of the developed countries’ contribution to reducing global emissions by at least 50% below 1990 levels in 20506. The EU is committed to a 20% emission reduction below 1990 levels in 2020, and to moving to 30% if the conditions are right. Ahead of the June European Council, the Commission will therefore prepare an analysis of what practical policies would be required to implement a 30% reduction.
Drittens benennt die Kommission nicht nur glasklar und ohne beschönigende Worte, wie weit die gegenwärtig von den Industrieländern auf den Tisch gelegten Reduktionsangebote noch von den wissenschaftlichen Anforderungen entfernt liegen. Sie benennt ebenso die Risiken, die mit der unkoordinierten Vergabe von internationalen Klima-Finanzen einhergehen könnten. Bezüglich der schon verprochenen 30 Mrd. US-Dollar “Fast-Start-Gelder” für die Jahre 2010-2012 schreibt sie:
Fast-start funding must be well targeted to different regions of the world in order to effectively build climate policy capacity, respond to developing countries’ needs and specific proposals and deliver environmental results where it is most needed.
Auch die Gefahr, dass viele EU-Mitgliedsstaaten nicht anständige Ergebnisse liefern bei der Fast-Start-Finanzierung, scheint die Kommission zu wittern. Schließlich deutet im Fall Deutschland ja einiges daraufhin, dass die Bundesregierung neu versprochene Gelder in alten Schläuchen serviert (siehe unseren Blog dazu hier). Daher schlägt die Kommission ein Bündel von Maßnahmen vor: mit dem ECOFIN zusammenzuarbeiten, ein Capacity-Building Programm für EU-Länder aufzulegen sowie zweijährig einen Bericht von den Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der Fast-Start-Gelder einzufordern – beginnend bereits im Mai 2010!
Gerechtigtfertigt ist die Vorsicht wie auch Hilfe zur Umsetzung der Klima-Finanzen alle Mal. Denn wenn die Industrieländer keine zusätzlichen und verläslichen Transfers liefern, und die Entwicklungs- und Schwellenländer schon vor Abschluss der Verhandlungen über ein zukünftiges Abkommen merken, dass weiterhin Versprechungen nicht eingehalten werden, dürften die internationalen Verhanldungen vollkommen garantiert.
Schließlich merkt die Kommission viertens an, dass es für den internationalen Emissionshandel bald fünf vor zwölf ist. Denn der bricht ein, wenn die Kyoto-Periode 2012 zu Ende geht und kein weitere Verpflichtungsperiode anschließt. Hier empfiehlt die Kommission:
In addition, the Clean Development Mechanism (CDM) will continue post-2012, but it must be reformed to improve its environmental integrity, effectiveness, efficiency, and governance. Over time it should increasingly focus on least developed countries. To ensure a coherent transition from project-based to sector-wide mechanisms, the EU should seek common ground with the US and other countries implementing cap-and-trade systems and generating demand for credits in a coordinated manner. A major goal for Cancun should be to anchor the improved and new carbon market mechanisms as means to reach ambitious mitigation objectives and generate financial flows to developing countries.
Dabei soll dann am europäischen Wesen die Welt genesen: die Richtlinien zur Verbindung von EU-Emissionshandel mit CDM und JI sollen die Qualitäts-Standards setzen für die Reform des internationalen Emissionshandels. Na, da sind wir mal alle gespannt!
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