Wird das US-Klimagesetz zum Opfer der Gesundheitsreform?

Dass der Kongress in der letzten Woche die Gesundheitsreform verabschiedet hat, wird in der USA von vielen Kommentatoren als historischer Meilenstein gefeiert. Präsident Obama hat das Gesetz, das ohne eine einzige republikanische Stimme verabschiedet wurde, inzwischen unterzeichnet. Auch wenn die Republikaner das Reformprojekt im anstehenden Wahlkampf nutzen wollen, um gegen die Regierung Stimmung zu machen, ist dies ein enormer Erfolg für die Demokraten. Der Erfolg wirft die Frage auf, wie sich dadurch das politische Klima in Washington ändert und z.B. die Debatte rund um das Klimagesetz beeinflusst.

Die einen fürchten, dass der Erfolg der Demokraten die Republikaner noch stärker vereinen und es unmöglich machen wird, bis zum Ende der Legislaturperiode Gesetze mit Stimmen aus beiden Parteien zu verabschieden. Beim Klimagesetz ist man aber genau auf eine Handvoll Republikaner angewiesen. Nicht von ungefähr warnte der republikanische Senator Lindsey Graham vor der Verabschiedung der Gesundheitsreform: Wird das Gesetz gegen die Konservativen durchgedrückt, würde dies die politische Stimmung zwischen den Parteien vergiften und die überparteiliche Zusammenarbeit bei anderen Projekten nahezu unmöglich machen. Damit spielte er auf die Einwanderungs- und Finanzmarktreform an, vor allem aber auf das im Senat hängende Klima- und Energiepaket.

Die anderen vermuten (z.B. hier und hier), dass der Erfolg den Demokraten neues Selbstbewusstein einflößt und damit den Weg für das Klimagesetz ebnet. Die Republikaner würden erkennen, dass sie für ihre Totalblockade bei der Gesundheitsreform von den Wählern nicht belohnt würden.

Senator Lindsey Graham ist und bleibt der Königsmacher für das Klimagesetz. Der Republikaner aus South Carolina ist die einzige Hoffnung, weitere Republikaner an Bord zu bekommen. Springt er ab, wäre das Klimagesetz tot. Das konservative Wall Street Journal zieht heute gar den historischen Vergleich zur Brücke von Remagen (den ich erst gar nicht versuchen werde zu erklären). Trifft die Beobachtung im Artikel zu, dann steht zumindest eines fest: Senator Graham sieht weiter Chancen dafür, 60 Senatoren für einen Kompromiss zu gewinnen. In persönlichen Gesprächen auf dem Kongress wird der Gesetzentwurf für Ende April (nach der Osterpause des Kongresses) angekündigt.

Unterdessen zeichnen sich weitere Konturen des Gesetzes ab. Viele Senatoren fürchten zu hohe CO2-Preise für die schwächelnden Industrien ihres Heimatstaates. Deshalb soll der Emissionshandel zunächst nur für Kraftwerke starten, das produzierende Gewerbe soll wenige Jahre später ins System rutschen. Wie zuvor gebloggt (siehe <a href="http://klima-der-gerechtigkeit.boellblog.org/2010/03/17/rettet-eine-okosteuer-das-us-klimagesetz/), soll der Verkehr ganz aus dem System raus. Zusätzlich soll ein Preiskorridor zwischen 10$ bis 30$ eingerichtet werden, innerhalb dessen die CO2-Zertifikate gehandelt werden (siehe Politico). Der Kampf zwischen Industrien und Regionen um Allokationsrechte geht munter weiter wie The Climatewire über die NYT berichtet. Den vielleicht verständlichsten Überblick gibt es auf The Wonk Room.

Und schließlich haben Kerry, Graham & Co rhetorisch abgerüstet. Schon früh in der Debatte wurde global warming auf den Index der Wörter gestellt, auf die man lieber verzichten sollte, wenn man Republikaner für das Gesetz gewinnen will. Jetzt verabschiedet man sich formal auch vom Begriff cap&trade. Kurzfristig mag dies der Sache dienen. Langfristig werden die USA nicht drum herum kommen, ihre Öffentlichkeit von der Notwendigkeit, aber auch vom Nutzen eines umfassenden Klimaschutzes zu überzeugen.

Foto: istock


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