Rückschlag für die US-Klimapolitik (Teil 4)

„Neustart“ ist das aktuelle Motto in den Zentralen der Klimaschützer, die sich die letzten zwei Jahre auf Lobby-Arbeit im Kongress konzentriert hatten. Sie wissen, dass es einen letzten Weg gibt, um dem Klimaschutz zum Durchbruch zu verhelfen. Deshalb richten viele Organisationen ihre Arbeit neu aus: weg von der Gesetzesberatung, hin zu Klagen an den Gerichten.

Klagen für den Klimaschutz

Die neue Strategie kommt nicht aus dem Nichts. Schon seit mehreren Jahren staut sich eine Klagewelle an US-Gerichten in Sachen Klimaschutz auf. Allein in diesem Jahr hat sich die Antragstellung verdreifacht. Nach einem neuen Bericht von Deutsche Bank Climate Change Advisors (DBCCA) werden knapp 300 Verfahren zum Klimaschutz an US-Gerichten verhandelt. 91 davon wurden von Industrien und Landesregierungen angestoßen, die der Umweltagentur EPA die Regulierungskompetenz für Treibhausgase abstreitig machen wollen. Dagegen verklagen etliche Umweltgruppen die EPA, weil diese nicht schnell und umfassend genug handelt.

74 Klagen von Umweltschützern richten sich gegen den Bau neuer und den Weiterbetrieb alter Kohlekraftwerke. Mit ersten Entscheidungen wird Anfang 2011 gerechnet. Der Ausgang ist offen und unübersichtlich. Die Klima-Experten der Deutschen Bank räumen dagegen den Klagen der Industrie in der Tendenz geringe Chancen ein.

Ein umfassendes Klimagesetz wäre ein klares Signal an die Energiewirtschaft und Industrie, auf kohlenstoffarme Produktionsprozesse umzustellen. Doch ein Gesetz ist momentan unrealistisch. Der Weg über die Gerichte, gerade in einem Land wie der USA, ist vielversprechender. Erinnert sei an die Auseinandersetzung um das Rauchen in den USA. Über Jahrzehnte sammelten sich tausende von einzelnen Klagen an, die am Ende in wenigen großen Gerichtsverfahren zusammen liefen und die Tabakindustrie in die Knie zwangen. Damit haben faktisch die Gerichte und nicht die Parlamente den Charakter der US-Gesundheitspolitik bestimmt.

Der Unterschied zum Klimaschutz? Die Klimaklagen kommen mit einer rasanten Geschwindigkeit, so dass schon bald mit substanziellen Entscheidungen zu rechnen ist. Und selbst wenn sich die Verfahren hinziehen, schafft die derzeitige Situation vor allem eines: Planungsunsicherheit für Investoren. Für neue Kohlekraftwerke mit Laufzeiten von bis zu 60 Jahren ist die Lage Gift.

Europa: Zuckerbrot und Peitsche

Für die internationale Gemeinschaft und die nächste Klimakonferenz in Cancun ist dieser Ausblick der US-Klimapolitik keine gute Nachricht. Der US-Regierung sind die Hände gebunden, weitere Zusagen auf dem internationalen Parkett zu machen. Ohne eigenes Klimagesetz hat sie zudem ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem, von anderen Vertragspartnern Zugeständnisse zu verlangen.

Man möchte meinen, dass sich das Warten der Europäer auf die USA zunächst nicht ausgezahlt hätte. Doch Europa macht längst vor, dass eine schrittweise de-Carbonisierung der Wirtschaft kein Wettbewerbsnachteil ist, sondern eine Modernisierungsstrategie der eigenen Industrie für die Märkte von morgen. Die Europäer sollten dies auch selbstbewusst zur Schau stellen. Aber machen wir uns nichts vor. Es kommt zu einer Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Dass die USA nicht an Bord sind, wird vielen Ländern als Vorwand dienen, selbst untätig zu bleiben oder einen Gang zurückzuschrauben.

Für den globalen Klimaschutz bleiben die USA deshalb unverzichtbar. Europa muss weiter darauf hinwirken, die USA für den Klimaschutz zu gewinnen. Dafür drängt sich eine Strategie mit Zuckerbrot und Peitsche auf. Einerseits sollte mit Vorreiter-Bundesstaaten wie Kalifornien, Colorado und New York in Sachen erneuerbare Energien kooperiert werden. Mit dem Klimaprogramm RGGI an der US-Ostküste, sollten die Regeln eines transatlantischen Emissionshandels ausgelotet werden. Andererseits muss Europa da seine Muskeln spielen lassen, wo es im transatlantischen Verhältnis Gewicht hat, zum Beispiel in der Handelspolitik.
Wenn Europa Maßnahmen zum Schutz der heimischen Industrien diskutiert oder von amerikanischen Unternehmen die Einhaltung von EU-Standards (etwa. beim Emissionshandel im Flugverkehr) einfordert, ist das nur konsequent und wird mehr Druck auf den Kongress ausüben als noch so jedes gute Argument zum Klimawandel. Das ist eine Sprache, die auch in konservativen US-Kreisen verstanden wird. Foren wie die G8 oder G20 sollte die EU dafür nutzen, die Klimaschutzagenda voran zu treiben, etwa für den Abbau fossiler Subventionen. Am Ende des Tages wird die rückwärtsgewandte Ideologie der Klimaskeptiker von der ökonomischen Realität hinweggefegt. Je schneller das passiert, desto besser für den globalen Klimaschutz.

Foto: istock

Dies ist der 4. und letzte Teil der Analyse, einem cross-post von www.wir-klimaretter.de


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