Spannende Zeiten für die europäische Klimapolitik, oder? Heute hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments einem Vorschlag der Kommission zur Reform des Europäischen Emissionshandels zugestimmt, dem sogenannten „Backloading“. Das ist die Idee, die Auktion von 900 Millionen Zertifikaten für die Jahre 2013-2015 zunächst zurückzuhalten, um sie erst 2019-2020 einzuspeisen und den aktuellen Preisverfall abzumildern. Viele NGOs haben sich in den vergangen Wochen stark für diesen Vorschlag engagiert, Druck auf die Abgeordneten ausgeübt und begrüßen das Ergebnis explizit (z.B. WWF und Germanwatch). Die Plenumsabstimmung im EP steht noch für April aus.
Doch ist das der eigentliche Kampfplatz? Worum geht es wirklich in Brüssel? Eine Koalition von knapp 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus aller Welt hat eine Kampagne zur Abschaffung des Europäischen Emissionshandels gestartet – nicht zur Reform! – und stößt damit auf Widerstand bei den etablierten Umweltverbänden in Deutschland und Brüssel. Die „Scrap the ETS“-Kampagne hat aber auch ein Dokument veröffentlicht, in dem sie auf die Argumente ihrer Kritikerinnen und Kritiker explizit eingeht.
Interessant ist, dass es in der Substanz der Kritik eigentlich große Übereinstimmungen zwischen den Lagern (den ETS-Reformer/innen und den ETS-Gegner/innen) gibt. Unterschieden bestehen vor allem in der Frage, wie mit dem Status quo umzugehen sei und welche Rolle dabei der Zivilgesellschaft zukommt. Angesichts des desaströsen Zustands des ETS und der Dringlichkeit tatsächlicher Emissionsreduktionen, müssen wir uns meiner Meinung nach solche grundsätzlichen Debatten erlauben. Sie lenken nicht von ohnehin notwendigen und sinnvollen Reformen ab und stürzen die EU auch nicht in ein klimapolitisches Vakuum, sondern adressieren die tatsächlichen Blockierer progressiver Klimapolitik.
Denn schaut man sich an, wer für eine Reform des ETS lobbyiert, dann tauchen z.B. Shell, Statoil und Eon auf. Denen kann man ja aber nun wirklich nicht attestieren, dass es in ihrem ureigenen Interesse liegt, fossile Ressourcen im Boden zu lassen. Wohl aber haben sie ein Interesse daran, ihren „Klimagoldesel“ ETS irgendwie am Leben zu erhalten. Aus dieser Gemengelage ergeben sich durchaus „unheilige“ Allianzen.
Spannende Zeiten für die europäische Klimapolitik, ja! Aber spannend ist vor allem die Frage, wie wir eine effektive Klimapolitik hinbekommen, die auch tatsächlich dazu führt, dass es in der EU keine neuen Kohlekraftwerke mehr gibt – das leistet der ETS nicht (siehe hier und hier)! Es ist immer schwer, den richtigen Zeitpunkt für den Absprung von einem sinkenden Schiff zu schaffen. Aber es ist noch viel schwerer, sich wieder nach oben zu arbeiten, wenn man erst mal gesunken ist.
P.S.: Fragen darf man auch zurecht, was es noch zu retten gibt, wenn Banken wie die KfW, Deutsche Bank, Morgan Stanley, Credit Agricole und Barclays ihre Aktivitäten auf dem Emissionshandelsmarkt runter fahren bzw. komplett einstellen.