Nach der COP26: Überblick über zentrale Ergebnisse und Themen

Von Lili Fuhr und Linda Schneider

Die COP26 ist am Samstag zu Ende gegangen – nach zweijähriger Vorbereitung und mit der Ansage, die inklusivste COP aller Zeiten zu werden. Die Meinung der internationalen Zivilgesellschaft ist recht einhellig: COP26 kann mit Blick auf das offizielle Verhandlungsergebnis nur als großes Scheitern und Versagen bezeichnet werden.

Nicht nur war diese COP exklusiver und vor dem Hintergrund der dramatischen Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der globalen Impfstoffverteilung problematischer als je zuvor, sie hat auch substantiell kaum Fortschritte gemacht und fällt in vielerlei Hinsicht hinter die Erwartungen der internationalen Klimabewegung zurück. Sie wird als eine Konferenz in Erinnerung bleiben, die eine sinnvolle Beteiligung sowohl der Zivilgesellschaft als auch der Regierungsvertreter*innen aus den am stärksten betroffenen Ländern und Regionen einschränkte.

Die britische Regierung hatte — auch gegen den Widerstand der internationalen Zivilgesellschaft —  darauf bestanden, diese COP mitten in einer Pandemie zu veranstalten, während gleichzeitig die globale Impfstoffungerechtigkeit weiter anhält und sich die reichen Industrieländer weiterhin gegen eine TRIPS-Ausnahmeregelung wehren.

In den beiden COP26-Wochen kam es zu einer beispiellosen Flut neuer Ankündigungen, Zusagen und Verpflichtungen (hier gibt es eine ausführliche Zusammenfassung und Bewertung dazu). Dies ist eine neue Dynamik, die in Zukunft genau beobachtet werden muss. Die Zivilgesellschaft äußert zu Recht Bedenken, dass diese „Ankündigungsflut“ von der Kernstruktur des multilateralen Verhandlungsprozesses ablenkt, der von den Ländern verlangt, miteinander zu verhandeln und sich kollektiv und vor allem verbindlich zu einigen — und nicht nur Selbstverpflichtungen zu verkünden, die schwer nachzuhalten und verbindlich durchsetzbar sind.

Doch trotz dieser durchweg negativen Bilanz lohnt sich ein Blick auf neue Dynamiken und interessante Entwicklungen rund um die COP26, die – zumindest in einigen Ansätzen – auch Hoffnung machen können. Eine umfassendere Analyse zur COP 26 insgesamt von unserer Seite folgt noch, aber wir werfen bereits hier einen ersten Blick auf einige zentrale Themen.

Fossile Rohstoffe – Kohle, Öl, Gas

Die Fossilen sind seit Beginn der internationalen Klimaverhandlungen der Elefant im Raum und im Rahmen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) nie formell diskutiert worden. Bei der COP26 rückten die Fossilen auf nie dagewesene Weise ins Augenmerk. Das war kein Zufall, sondern ein gut vorbereiteter Vorstoß der Zivilgesellschaft, der akademischen Welt und progressiven Regierungen. Zu den Hauptakteur*innen gehörten die Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative (FFNPT), das Global Oil and Gas Network, viele indigene Netzwerke und Gruppen (wie das Indigenous Environmental Network, IEN) sowie die Regierungen von Costa Rica und Dänemark, die die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) ins Leben riefen. Mehr Informationen zu den Zielen, Gründungsmitgliedern und Konditionen von BOGA findet ihr hier.

Diese Initiativen werden hoffentlich Hand in Hand mit der von Carbon Tracker und dem Global Energy Monitor vorbereiteten Global Registry of Fossil Fuels arbeiten. Das Wort „fossil“ hat es erstmals (!) sogar in die endgültige Cover-Entscheidung geschafft – obwohl die Formulierung im Laufe der Verhandlungen erheblich verwässert wurde und nicht alle fossilen Brennstoffe abdeckt. (Konkret steht da nun: „… accelerating efforts towards the phasedown of unabated coal power and phase-out of inefficient fossil fuel subsidies, while providing targeted support to the poorest and most vulnerable in line with national circumstances and recognizing the need for support towards a just transition“)

Kohle: Weitere Länder traten einer Allianz zum Ausstieg aus der Kohle bei. Es ist aber wichtig zu wissen, wer nicht dabei ist: USA, China, Indien, Australien.

Fossile Subventionen: Bei der Beendigung der Finanzierung fossiler Brennstoffe wurde auf der COP26 mit der Gründung einer neuen Allianz ein wichtiger Durchbruch erzielt (Oil Change International hat eine gute Einschätzung dazu). Deutschland zögerte erst und trat dann doch bei. Es bleibt wichtig, Druck auf weitere Regierungen und Finanzinstitutionen auszuüben, damit sie sich anschließen und sicherstellen, dass keine Schlupflöcher bestehen bleiben. Statt weiter Fossile zu subventionieren, müssen die Regierungen ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen zur Bewältigung der Klimakrise nachkommen, indem sie drastisch ihre Emissionen reduzieren und sicherstellen, dass sie angemessene Mittel zur Unterstützung der vom Klimawandel am stärksten Betroffenen bereitstellen.

Zuletzt wurde auch der übermäßige Einfluss der fossilen Industrie innerhalb der UNFCCC — u.a. schickt die fossile Industrie die größte Delegation zur COP26! —  stärker als bei anderen COPs thematisiert und kritisiert, was dazu beigetragen hat, die Forderung nach mehr Rechenschaftspflicht zu verstärken.

Zusammengenommen sind dies kleine, aber wichtige Schritte hin zu mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht der fossilen Industrie für den Klimawandel und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen. Die COP26 hat zwar den Mut gefunden, die fossilen Brennstoffe, die die Klimakrise verursachen, erstmals beim Namen zu nennen, aber sie hat nicht den Mut gezeigt, der fossilen Lobby tatsächlich die Stirn zu bieten.

 

Artikel 6: internationaler CO2-Handel

Die Vereinbarungen zum Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens für den globalen Emissionshandel untergraben das Pariser Abkommens weiter. Sie schaffen Schlupflöcher, die die ohnehin unzureichenden Emissionsminderungspläne der Industrieländer schwächen können. So ermöglichen die Regeln beispielsweise die Übertragung von unbrauchbaren Zertifikaten aus dem gescheiterten Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls. Sie schaffen außerdem ein weiteres Schlupfloch für Zertifikate, die auf Scheinlösungen wie Geoengineering basieren (im Text sogenannte „removals“).

All dies kann — wie schon in der Vergangenheit — zu Landraub und der Vertreibung gefährdeter Gemeinschaften führen, wenn staatliche und private Umweltverschmutzer*innen nach Land und Ökosystemen für Klimaschutzprojekte suchen. Obwohl die Regeln zur Umsetzung von Artikel 6 einen wichtigen Hinweis auf die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte indigener Völker, enthalten, werden die internationalen Menschenrechtsstandards, einschließlich des Rechts der indigenen Völker auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (Free Prior Informed Consent, FPIC), nicht vollständig eingehalten.

Ein Factsheet zu den Ergebnissen der Artikel-6-Verhandlungen findet ihr bei der Climate, Land, Ambition & Rights Alliance (CLARA) und bei CIEL.

 

Scheinlösungen (Net Zero und Geoengineering)

Auf der COP26 gab es einen beispiellosen Vorstoß der Bewegung für Klimagerechtigkeit gegen falsche Lösungen, einschließlich Geoengineering, der in verschiedenen Aufrufen und Unterschriftenlisten zum Ausdruck kam (die größte war der Ruf von mehr als 700 Gruppen rund um den Globus, die echte Lösungen statt Netto-Null forderten) und in alternativen COP-Beschlüssen und Erklärungen (u.a. The People‘s COP Decision for Climate Justice und The People‘s Climate Deal).

Die Geoengineering-Befürworter*innen waren auf der COP damit beschäftigt, ihre gefährlichen technischen Lösungen als innovative „Klima-Interventionen“ (Climate Intervention) oder „Klima-Reparatur“ (Climate Repair) zu tarnen, und arbeiteten daran, indigene Gruppen und die junge Klimabewegung als Unterstützer*innen zu gewinnen.

Die Formulierungen in den Beschlusstexten (z.B. „unabated coal“ = Kohle ohne Kohlenstoffabscheidung und -speicherung; oder „removals“ im Artikel 6-Beschluss = Kohlendioxid-Entnahme aus der Atmosphäre = Geoengineering) weisen auf die dringende Notwendigkeit hin, das Bewusstsein für die eindeutigen und schwerwiegenden menschenrechtlichen Folgen dieser Irrwege und Scheinlösungen zu schärfen.

 

Plastik & Petrochemie

Methan – ein hochwirksames Treibhausgas und wichtiger Rohstoff für die Petrochemie- und Kunststoffindustrie (fossiles Gas besteht hauptsächlich aus Methan) – stand ganz oben auf der politischen Agenda der COP26, unter anderem durch eine globale Methan-Zusage. Diese Zusage wurde von den USA und der EU angeführt und von der Zivilgesellschaft als nicht ehrgeizig genug angesehen. Im Entwurf des 6. IPCC-Sachstandsberichts wird eine tiefgreifende Verringerung der Methanemissionen als entscheidend für die Begrenzung der Temperatur auf unter 1,5°C genannt.

Plastik wurde auf der COP26 von einer Reihe von Akteur*innen, darunter GAIA, BFFP und CIEL, als eine der Hauptursachen für die Klimakrise und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen hervorgehoben. GAIA koordinierte einen Brief mit Hunderten von unterzeichnenden Gruppen weltweit, der von den Regierungen auf der COP26 Maßnahmen zu fordern, die Klima- und Plastikkrise gemeinsam zu bekämpfen und dabei falsche Lösungen zu vermeiden.

 

Wälder, Ökosysteme und Biodiversität

Die Wälder machten auf der COP26 mit der Erklärung der Staats- und Regierungschefs von Glasgow zu Wäldern und Landnutzung die ersten großen Schlagzeilen. Doch von bedeutungslosen Versprechen und Zusagen haben wir in der Vergangenheit schon genug gesehen — insbesondere in Bezug auf den vermeintlichen Schutz von Wäldern und Ökosystemen. In der internationalen Zivilgesellschaft und Klimagerechtigkeitsbewegung ist klar, dass ein Problem nicht unbedingt gelöst wird, indem Geld darauf geworfen wird. Der REDD-Monitor und Mongabay heben die kritischen Punkte hervor.

Ansonsten war die biologische Vielfalt natürlich nicht das zentrale Thema auf der COP26, aber der Zusammenhang zwischen Klima, biologischer Vielfalt und Menschenrechten hat es in die Mainstream-Debatte geschafft. Ein Beispiel: Der CMA-Beschluss (CMA steht für „Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Paris Agreement“) erkennt die Bedeutung des Schutzes, der Erhaltung und der Wiederherstellung von Natur und Ökosystemen an, um das Temperaturziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Konkret steht da: „Emphasizes the importance of protecting, conserving and restoring nature and ecosystems to achieve the Paris Agreement temperature goal, including through forests and other terrestrial and marine ecosystems acting as sinks and reservoirs of greenhouse gases and by protecting biodiversity, while ensuring social and environmental safeguards“. Ein expliziter Verweis auf die Rechte indigener Völker fehlt hier allerdings, obwohl es einen übergreifenden Verweis auf Menschenrechte und die Rechte indigener Völker im einleitenden Teil des Beschlusses gibt.

Aktivitäten im Rahmen internationalen CO2-Handels (geregelt in den neuen Beschlüssen zum Artikel 6 des Pariser Regelwerks) werden auch neue Bedrohungen für Ökosysteme mit großer biologischer Vielfalt und für die Menschen, deren Lebensunterhalt davon abhängt und die sie schützen, mit sich bringen.

Menschenrechte

Umwelt-NGOs, Organisationen indigener Gemeinschaften und Menschenrechtsaktivist*innen gelang es in Glasgow, die zahlreichen Wechselwirkungen und Überschneidungen zwischen der Klima- und der Menschenrechtskrise zu beleuchten. Während das allgemeine Bewusstsein für die Bedeutung des Menschenrechtsschutzes wächst, wurden in vielen Bereichen der Verhandlungen auf der COP26 konkrete Hinweise auf die Menschenrechte entfernt oder verwässert. Ein Beispiel: Die Verhandlungsführer*innen, die das ACE-Arbeitsprogramm (Action on Climate Empowerment) auf der COP26 verfassen, strichen beispielsweise Formulierungen, die sich auf menschenrechtsbasierte Ansätze beziehen.

Versuche, eine rechtsbasierte Sprache in verschiedenen zentralen Teilen des Verhandlungstextes zu sichern, wurden also verhindert. Es braucht mehr Unterstützung von einigen der großen und einflussreichen Menschenrechtsakteur*innen, die ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um in der Zukunft ein besseres Verhandlungsergebnis zu sichern.

 

Loss and Damage

Die Klimabewegung hat sich erfolgreich für das Thema „Loss & Damage“ eingesetzt und es zu einem zentralen Thema auf der COP26 gemacht. Dennoch ging das Ergebnis nicht über eine Vereinbarung hinaus, das Thema weiter zu diskutieren. Einige Regierungen haben zwar konkrete finanzielle Zusagen gemacht, aber von den größten historischen Verschmutzern ist noch keine nennenswerte Finanzierung von Verlusten und Schäden zu erwarten. Das Versäumnis von Ländern wie den USA, der EU und dem Vereinigten Königreich, die Einrichtung einer Finanzierungsfazilität für Verluste und Schäden zu unterstützen, ist ein Verrat an den Millionen von Menschen, die in den Entwicklungsländern unter der Klimakrise leiden.

Auch in Sachen Klimafinanzierung insgesamt bleiben die Industrieländer weiterhin hinter ihren Versprechen zurück: Sie haben es nicht nur versäumt, die 2009 versprochenen 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung bereitzustellen, sondern die COP26-Beschlüsse erkennen auch nicht die Dringlichkeit dieser finanziellen Unterstützung an. Die Finanzierung ist aber der Schlüssel zur Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen.

 

Zuletzt ein paar Einschätzungen aus (internationalen) Netzwerken, mit denen wir eng zusammenarbeiten: