Der EU-Gipfel in Brüssel hat über das Wochenende auch über das Klimaschutzpaket beraten, das die EU Kommission im Januar vorgelegt hat (Schlussfolgerungen der slowenischen Ratspräsidentschaft).
Ein umstrittener Punkt war die Frage der energieintensiven Industrien im europäischen Emissionshandel: Die Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie drohten mit Abwanderung ins aussereuropäische Ausland, falls sie nicht nach 2012 weiterhin kostenlos Emissionszertifikate in Milliardenhöhe geschenkt bekommen.
Claude Turmes, grüner MEP aus Luxemburg, entlarvt diese Forderungen in einem Beitrag auf euractiv als Mythos: Nur wenige energieintensive Industrien seien real dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt.
Dennoch: Deutschland, Frankreich, Österreich und die tschechische Republik setzten sich dafür ein, unsere Emissionsrechte kostenfrei an diese Industrien zu verschenken. Während Briten, Schweden und Niederländer die Position der EU Kommission unterstützten, die Situation erst nach dem Abschluss eines neuen internationalen Klimaschutzabkommens zu bewerten.
Merkel scheint sich dabei weitgehend durchgesetzt zu haben. Ian Traynor schreibt im britischen Guardian: „Mrs Merkel was completely different from last year when she chaired the summit,“ said a participant and senior European government figure. „This time she was the chancellor of German industry.“ Und der International Herald Tribune macht deutlich, dass es die schwarz-grün regierten Tschechen waren, die für Merkel hier den Weg bereiteten: „One Czech official, speaking on condition of anonymity, said that his country had been a „bulldozer“ paving the way for the German chancellor to close the deal. „Merkel behaved like the German industry chancellor,“ he added. „
Diese Zugeständnisse werden es der EU schwerer machen, ihre Klimaschutzziele zu realisieren, so der Guardian. Doch während sie vor einem Jahr sich noch mit dem Beschluss des EU-Gipfels für ein Reduktionsziel von bis zu -30% als Klimakanzlerin feiern liess, scheint Merkel nun getreu den Vorgaben des BDI zu folgen. BDI-Präsident Thumann lässt sich mit den Worten zitieren: „Die Lissabon-Strategie wird in einem zentralen Punkt zur Makulatur, wenn die Umsetzung der Klimaschutzziele die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beschädigt.“
Was einmal mehr die Beobachtung bestätigt: Für Regierung und BDI ist Klimaschutz etwas für Sonntagsreden. Werktags (und wenn es zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen kommt) gelten wieder andere Prioritäten. Klimakanzlerin adé!
Lesetipp: Willy de Backer auf blogactiv „EU leaders still hostage to old competitiveness paradigm“ und „How real is the carbon leakage threat?„