Die USA bleiben ein Bremser in den internationalen Klimaverhandlungen. Statt darüber zu klagen, sollten die Europäer in das vorhandene Führungsvakuum stoßen. Echte Fortschritte beim Kampf gegen den Klimawandel und mehr politisches Gewicht auf der globalen Bühne winken als Belohnung.
Dass die Aussichten für den UN-Klimagipfel in Durban düster sind, schreiben viele Beobachter dem historisch größten Klimaverschmutzer zu. Die USA gelten als Bremsklotz der Klimaverhandlungen. Sie weigern sich, rechtsverbindliche Ziele zu übernehmen. Sie zögern mit Zusagen zur Bekämpfung des Klimawandels in Entwicklungsländern. Und sie fordern, dass Schwellenländer den Industrieländern gleichgestellt werden. Zu Hause hingegen hat der Kongress noch immer kein nationales Klimagesetz verabschiedet.
Schaffen es die USA auch ohne Klimagesetz?
Kein Klimagesetz, kein Klimaschutz? Mitnichten. Die Wirtschaftskrise hat die Emissionen deutlich sinken lassen. Viel spricht dafür, dass der Trend anhält. Erdgas, dessen Preis wegen neuer Fördertechniken in den Keller gesackt ist, verdrängt die Kohle in der Stromerzeugung. Zweitens senkt die Obama-Regierung Emissionen per Ordnungsrecht – zum Beispiel durch schärfere PKW-Verbrauchsstandards und strenge Auflagen für Kraftwerke und Fabriken. Und drittens, die klimapolitische Musik spielt diese Tage nicht im Kongress, sondern in den Regionen. Vorreiter wie Kalifornien, Colorado und Vermont setzen trotz Wirtschaftskrise auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Kalifornien wird 2013 den Emissionshandel einführen. Selbst politisch weniger progressive Bundesstaaten wie Ohio und Kansas integrieren die erneuerbaren Energien und Effizienzstrategien in ihre Wirtschaftsprogramme, weil ihren republikanischen Gouverneuren neue Arbeitsplätze wichtiger sind als die Anti-Klima-Programmatik ihrer Parteikollegen. Auch ohne Klimagesetz dürften die USA ihr auf dem Kopenhagener Klimagipfel zugesagtes Ziel erreichen, die Emissionen bis 2020 um 17 Prozent (gegenüber 2005) zu reduzieren.
Doch diese Erfolge dürften wenig an der US-Position in Durban ändern. Überraschende Angebote, die neuen Schwung in die Verhandlungen brächten, erwartet niemand von den US-Diplomaten. Dafür fehlen die politischen Anreize. Die Republikaner sind in einen ideologisch bornierten Kreuzzug gegen den Klimaschutz gezogen. Die meisten Demokraten wünschten, das Thema würde zumindest bis zu den nächsten Wahlen von der Bildfläche verschwinden. Die Aufmerksamkeit der US-Öffentlichkeit für den UN-Klimagipfel ist verschwindend gering, die Erwartungen an die Regierung gleich null. Innenpolitisch dominieren die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit, der Wahlkampf zur nächsten Präsidentschaftswahl ist bereits in vollem Gange.
Die USA sind auf absehbare Zeit nicht in der Lage, eine internationale Führungsrolle einzunehmen. In diese Bresche müssen die Europäer in Durban springen, wenn sie ein Scheitern der Verhandlungen verhindern wollen. Das betrifft zum einen die Umsetzung technischer Regeln, z.B. in der Klimafinanzierung und beim Technologietransfer. Das betrifft zum anderen den Durchbruch einer politischen Vereinbarung, bis spätestens 2015 einen neuen Klimavertrag auszuhandeln, in dem sich alle großen Ökonomien – also auch die USA und China – zu verbindlichen Klimazielen verpflichten.
Die EU und die Angst vor der eigenen Courage
Die EU sollte die sich verschiebenden globalen Macht- und Interessensgewichte nutzen, um neue Allianzen zu schmieden. Viele afrikanische Länder und die vom Klimawandel bedrohten Inselstaaten sind hierbei Verbündete. Gelingt es, aufstrebende Schwergewichte wie etwa Brasilien und Süd-Afrika für eine solche Allianz zu gewinnen, würde dies eine neue Dynamik in die festgefahrenen Verhandlungen bringen und die Blockierer unter Druck zu setzen.
Zu guter Letzt darf die EU nicht länger Angst vor der eigenen Courage haben. Wenn die Europäer ihrer eigenen Rhetorik glauben, dass die Decarbonisierung der Wirtschaft gut für die Wettbewerbsfähigkeit ist und Arbeitsplätze schafft, sollte sie selbstbewusst vorangehen. Dazu muss die EU ihr Klimaziel unkonditioniert auf minus 30 Prozent erhöhen. Und sie muss den Kräften die Stirn bieten, die EU-Regeln zum Klimaschutz weichspülen wollen, wenn dadurch die Interessen von Drittländern betroffen sind – etwa der Emissionshandel für den Flugverkehr oder die Klimastandards für Kraftstoffe.
Der Artikel wurde zuerst auf The European veröffentlicht. Foto von Beverly and Pack unter CC BY 2.0.